Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.ich kann mir ein oder zwei Tage Urlaub nehmen, um nach Versailles und Unter den preußischen Soldaten, die Holz sägten und Wasser trugen, ich kann mir ein oder zwei Tage Urlaub nehmen, um nach Versailles und Unter den preußischen Soldaten, die Holz sägten und Wasser trugen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192653"/> <p xml:id="ID_1312" prev="#ID_1311"> ich kann mir ein oder zwei Tage Urlaub nehmen, um nach Versailles und<lb/> nach Paris zu gehen. Währenddessen kann ja mein Assistenzarzt von Bruyeres<lb/> nach den Patienten sehen. Sie haben ja auch Briefe für das Hauptquartier,<lb/> wollen Sie mich nicht begleiten?" — „Gewiß, Herr Stabsarzt, würde ich es<lb/> sehr gern thun; doch kann ich auch zwei Tage Urlaub bekommen?" — „Nun,<lb/> Herrn Müller geht es schon viel besser, und ich glaube, daß Sie in einigen<lb/> Tagen wohl für zwei Tage weggehen können. Hier ist die Landkarte, wo¬<lb/> rauf unsere Neise genau bezeichnet ist: meine kleinen Pferde werden die Neise<lb/> in 2 Tagen fertig bringen, und ich würde mich sehr freuen wenn ich Ihnen<lb/> das Geleit geben könnte." Ich dankte dem gütigen alten Herrn, und ging<lb/> freudig an's Werk. Doch diese Woche und die nächste verging, aber Herr<lb/> Müller wurde nicht besser und der Reiseplan schien immer mehr in das Ge¬<lb/> biet der Unmöglichkeit zu rücken. Es schien, als ob, seitdem der Waffenstill¬<lb/> stand erklärt war, die Franzosen es darauf abgesehen hätten, alle Contracte<lb/> und Verabredungen zu brechen. Vorher waren sie immer unterwürfig, ja<lb/> kriechend gewesen und dabei hatte ihr Geldbeutel durchaus nicht gelitten;<lb/> aber jetzt brachte der Schlächter, der täglich ein hundert und sechs Pfund<lb/> Fleisch, per Pfund zu ein und einem halben Franc zu liefern hatte, entweder<lb/> ganz schlechtes Fleich oder wenigstens schlechter wie früher; und der Bäcker<lb/> brachte ein oder zwei Tage keine Backwaaren, ohne irgend einen anderen<lb/> Grund als vielleicht den, daß er diese jetzt überall verkaufen und auch nach<lb/> Paris schicken könne. Unser Stabsarzt jedoch litt diese Unordnung nicht<lb/> und drohte trotz des Waffenstillstandes mit militärischem Dazwischenfahren-<lb/> Da hielten die Franzosen doch für rathsamer, sich nicht auszusetzen. M. Le-<lb/> fort, der Schlächter, hielt sich, wie alle seines Gleichen, für „tres tort sur la<lb/> xolitiyuo" und verfehlte keine Gelegenheit, seine Ansichten über die „Situation"<lb/> anzubringen. Als ich einmal erwähnte, wie deutlich man das Bombardement<lb/> von Bellegarde aus hören könne, sagte er: „laut, esta, ce n'est rien, vo>es-<lb/> vous; nein, coule un in-g'vnd ton aux krussivus, et oelg, ne mit aucun mal<lb/> Z, in)8 t'orth. ^K! 'Il'vetu e'est 1'Komme <In xeuxle', et it ne Iss eeäera ja-<lb/> Mkus." Als der Waffenstillstand nun erklärt war und die Forts (die fast<lb/> in Stücke geklopft waren) den Deutschen übergeben wurden, war M. Lefort<lb/> gar nicht eingeschüchtert, sondern suchte es so zu erklären: „Vvuäus! tralüs!<lb/> O'sse cet Annal ac Iroelui <Mi a tont venäu ^ 6ulkig.une; doch die Forts<lb/> sind nichts; aber in die Stadt werden sich die Preußen wohl nicht wagen,<lb/> denn es würde wohl keiner von ihnen lebendig wieder herauskommen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1313" next="#ID_1314"> Unter den preußischen Soldaten, die Holz sägten und Wasser trugen,<lb/> war auch ein Pole. Namens Jetzoreck; ein ruhiger, schweigsamer junger<lb/> Landwehrmann, der als der Emsigste und Geschickteste für jede Arbeit galt.<lb/> Ich wunderte mich also um so mehr, als ich eines Abends ihn und Frau</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0352]
ich kann mir ein oder zwei Tage Urlaub nehmen, um nach Versailles und
nach Paris zu gehen. Währenddessen kann ja mein Assistenzarzt von Bruyeres
nach den Patienten sehen. Sie haben ja auch Briefe für das Hauptquartier,
wollen Sie mich nicht begleiten?" — „Gewiß, Herr Stabsarzt, würde ich es
sehr gern thun; doch kann ich auch zwei Tage Urlaub bekommen?" — „Nun,
Herrn Müller geht es schon viel besser, und ich glaube, daß Sie in einigen
Tagen wohl für zwei Tage weggehen können. Hier ist die Landkarte, wo¬
rauf unsere Neise genau bezeichnet ist: meine kleinen Pferde werden die Neise
in 2 Tagen fertig bringen, und ich würde mich sehr freuen wenn ich Ihnen
das Geleit geben könnte." Ich dankte dem gütigen alten Herrn, und ging
freudig an's Werk. Doch diese Woche und die nächste verging, aber Herr
Müller wurde nicht besser und der Reiseplan schien immer mehr in das Ge¬
biet der Unmöglichkeit zu rücken. Es schien, als ob, seitdem der Waffenstill¬
stand erklärt war, die Franzosen es darauf abgesehen hätten, alle Contracte
und Verabredungen zu brechen. Vorher waren sie immer unterwürfig, ja
kriechend gewesen und dabei hatte ihr Geldbeutel durchaus nicht gelitten;
aber jetzt brachte der Schlächter, der täglich ein hundert und sechs Pfund
Fleisch, per Pfund zu ein und einem halben Franc zu liefern hatte, entweder
ganz schlechtes Fleich oder wenigstens schlechter wie früher; und der Bäcker
brachte ein oder zwei Tage keine Backwaaren, ohne irgend einen anderen
Grund als vielleicht den, daß er diese jetzt überall verkaufen und auch nach
Paris schicken könne. Unser Stabsarzt jedoch litt diese Unordnung nicht
und drohte trotz des Waffenstillstandes mit militärischem Dazwischenfahren-
Da hielten die Franzosen doch für rathsamer, sich nicht auszusetzen. M. Le-
fort, der Schlächter, hielt sich, wie alle seines Gleichen, für „tres tort sur la
xolitiyuo" und verfehlte keine Gelegenheit, seine Ansichten über die „Situation"
anzubringen. Als ich einmal erwähnte, wie deutlich man das Bombardement
von Bellegarde aus hören könne, sagte er: „laut, esta, ce n'est rien, vo>es-
vous; nein, coule un in-g'vnd ton aux krussivus, et oelg, ne mit aucun mal
Z, in)8 t'orth. ^K! 'Il'vetu e'est 1'Komme <In xeuxle', et it ne Iss eeäera ja-
Mkus." Als der Waffenstillstand nun erklärt war und die Forts (die fast
in Stücke geklopft waren) den Deutschen übergeben wurden, war M. Lefort
gar nicht eingeschüchtert, sondern suchte es so zu erklären: „Vvuäus! tralüs!
O'sse cet Annal ac Iroelui <Mi a tont venäu ^ 6ulkig.une; doch die Forts
sind nichts; aber in die Stadt werden sich die Preußen wohl nicht wagen,
denn es würde wohl keiner von ihnen lebendig wieder herauskommen."
Unter den preußischen Soldaten, die Holz sägten und Wasser trugen,
war auch ein Pole. Namens Jetzoreck; ein ruhiger, schweigsamer junger
Landwehrmann, der als der Emsigste und Geschickteste für jede Arbeit galt.
Ich wunderte mich also um so mehr, als ich eines Abends ihn und Frau
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |