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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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man bezweifeln, wenn man sich die von Zeit zu Zeit lautwerdenden Arbeiter¬
stimmen in Fräsers Magazine oder die politischen Expectorationen der Fort-
ni or. ghtly Review vergegenwärtigt! --




Wsz Wera im Meg.
Von Karl Braun.

(Fortsetzung.)

Der Abschluß des Waffenstillstandes und die Bekanntmachung des Ein¬
zuges der Preußen in die Forts rief bei den Bewohnern von Bellegarde große
Freude hervor. Die Landwehrleute dachten jetzt schon an die Rückkehr zu
ihren Frauen und Kindern; die im activen Dienste waren in den schweren
Kämpfen und durch Krankheiten hart geprüft, und begrüßten mit Freude
die Hoffnung auf die Rückkehr ins "Baterland;" und die Doctoren und
"Krankenpfleger" hatten 6 Monate schwerer Arbeit hinter sich, und waren
durchaus nicht unglücklich darüber, daß ihre Arbeit jetzt zu Ende ging. Man
erwartete ganz bestimmt, daß der Friede, ohne noch irgend ein weiteres Ge¬
fecht, zu Stande käme. Die Patienten, die sehr gerne politisirten, waren
immer sehr begierig die Meinung der ausländischen Presse und ihr Urtheil
über den "Schlaukopf Bismarck" zu hören. Als ich nun meine englischen
Leitungen wieder regelmäßig erhielt, umringten sie mich immer Alle um die
Übersetzung einiger guter und unparteiischer "Leaders" aus "Pakt Malt" zu
hören; auch der "Graphic" war ihnen ein großes Vergnügen; Mr. Sydney
Hall's kühne Skizzen von den Kriegsereignissen wurden sehr hochgeschätzt.

Unter diesen Zuhörern war auch ein kleiner schwarzhaariger Baier,
Samens Frick, welcher in einem blonden Preußen einen guten Kameraden
gefunden hatte. Nichts machte ihm Freude, wenn dieser nicht auch daran
Theil nahm. Als er mich mit dem "Graphic" ins Zimmer kommen sah, lief
^ an die Treppe und rief: "Kloana, komm geschwind runna, und betrocht d'
Schona Bilda." Als die Stunde kam, wo sie sich trennen mußten, war es
wirklich rührend. Sie sielen einander um den Hals und weinten wie Frauen;
"ut tagelang nachdem Frick fort war, konnten wir kaum seinen Freund be¬
legen, etwas zu essen.

Eines Morgens wurde ich zu dem Stabsarzt gerufen. Ich fand ihn
^ne große Specialkarte von einem kleinen Theil Frankreichs studirend. --
"Fräulein", begann er, "unsere Patienten schreiten so gut fort, daß ich glaube,


man bezweifeln, wenn man sich die von Zeit zu Zeit lautwerdenden Arbeiter¬
stimmen in Fräsers Magazine oder die politischen Expectorationen der Fort-
ni or. ghtly Review vergegenwärtigt! —




Wsz Wera im Meg.
Von Karl Braun.

(Fortsetzung.)

Der Abschluß des Waffenstillstandes und die Bekanntmachung des Ein¬
zuges der Preußen in die Forts rief bei den Bewohnern von Bellegarde große
Freude hervor. Die Landwehrleute dachten jetzt schon an die Rückkehr zu
ihren Frauen und Kindern; die im activen Dienste waren in den schweren
Kämpfen und durch Krankheiten hart geprüft, und begrüßten mit Freude
die Hoffnung auf die Rückkehr ins „Baterland;" und die Doctoren und
"Krankenpfleger" hatten 6 Monate schwerer Arbeit hinter sich, und waren
durchaus nicht unglücklich darüber, daß ihre Arbeit jetzt zu Ende ging. Man
erwartete ganz bestimmt, daß der Friede, ohne noch irgend ein weiteres Ge¬
fecht, zu Stande käme. Die Patienten, die sehr gerne politisirten, waren
immer sehr begierig die Meinung der ausländischen Presse und ihr Urtheil
über den „Schlaukopf Bismarck" zu hören. Als ich nun meine englischen
Leitungen wieder regelmäßig erhielt, umringten sie mich immer Alle um die
Übersetzung einiger guter und unparteiischer „Leaders" aus „Pakt Malt" zu
hören; auch der „Graphic" war ihnen ein großes Vergnügen; Mr. Sydney
Hall's kühne Skizzen von den Kriegsereignissen wurden sehr hochgeschätzt.

Unter diesen Zuhörern war auch ein kleiner schwarzhaariger Baier,
Samens Frick, welcher in einem blonden Preußen einen guten Kameraden
gefunden hatte. Nichts machte ihm Freude, wenn dieser nicht auch daran
Theil nahm. Als er mich mit dem „Graphic" ins Zimmer kommen sah, lief
^ an die Treppe und rief: „Kloana, komm geschwind runna, und betrocht d'
Schona Bilda." Als die Stunde kam, wo sie sich trennen mußten, war es
wirklich rührend. Sie sielen einander um den Hals und weinten wie Frauen;
"ut tagelang nachdem Frick fort war, konnten wir kaum seinen Freund be¬
legen, etwas zu essen.

Eines Morgens wurde ich zu dem Stabsarzt gerufen. Ich fand ihn
^ne große Specialkarte von einem kleinen Theil Frankreichs studirend. —
»Fräulein", begann er, „unsere Patienten schreiten so gut fort, daß ich glaube,


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[0351] man bezweifeln, wenn man sich die von Zeit zu Zeit lautwerdenden Arbeiter¬ stimmen in Fräsers Magazine oder die politischen Expectorationen der Fort- ni or. ghtly Review vergegenwärtigt! — Wsz Wera im Meg. Von Karl Braun. (Fortsetzung.) Der Abschluß des Waffenstillstandes und die Bekanntmachung des Ein¬ zuges der Preußen in die Forts rief bei den Bewohnern von Bellegarde große Freude hervor. Die Landwehrleute dachten jetzt schon an die Rückkehr zu ihren Frauen und Kindern; die im activen Dienste waren in den schweren Kämpfen und durch Krankheiten hart geprüft, und begrüßten mit Freude die Hoffnung auf die Rückkehr ins „Baterland;" und die Doctoren und "Krankenpfleger" hatten 6 Monate schwerer Arbeit hinter sich, und waren durchaus nicht unglücklich darüber, daß ihre Arbeit jetzt zu Ende ging. Man erwartete ganz bestimmt, daß der Friede, ohne noch irgend ein weiteres Ge¬ fecht, zu Stande käme. Die Patienten, die sehr gerne politisirten, waren immer sehr begierig die Meinung der ausländischen Presse und ihr Urtheil über den „Schlaukopf Bismarck" zu hören. Als ich nun meine englischen Leitungen wieder regelmäßig erhielt, umringten sie mich immer Alle um die Übersetzung einiger guter und unparteiischer „Leaders" aus „Pakt Malt" zu hören; auch der „Graphic" war ihnen ein großes Vergnügen; Mr. Sydney Hall's kühne Skizzen von den Kriegsereignissen wurden sehr hochgeschätzt. Unter diesen Zuhörern war auch ein kleiner schwarzhaariger Baier, Samens Frick, welcher in einem blonden Preußen einen guten Kameraden gefunden hatte. Nichts machte ihm Freude, wenn dieser nicht auch daran Theil nahm. Als er mich mit dem „Graphic" ins Zimmer kommen sah, lief ^ an die Treppe und rief: „Kloana, komm geschwind runna, und betrocht d' Schona Bilda." Als die Stunde kam, wo sie sich trennen mußten, war es wirklich rührend. Sie sielen einander um den Hals und weinten wie Frauen; "ut tagelang nachdem Frick fort war, konnten wir kaum seinen Freund be¬ legen, etwas zu essen. Eines Morgens wurde ich zu dem Stabsarzt gerufen. Ich fand ihn ^ne große Specialkarte von einem kleinen Theil Frankreichs studirend. — »Fräulein", begann er, „unsere Patienten schreiten so gut fort, daß ich glaube,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/351>, abgerufen am 05.02.2025.