Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Mensch Adam und wurde nach seinem Tode der Fürst aller Erdenbewohner Nun wuchs aber im Garten Eden ein Baum, dessen Früchte die Eigen¬ Entspricht ein solcher vom Himmel gestiegener Geist den von ihm gehegten Mensch Adam und wurde nach seinem Tode der Fürst aller Erdenbewohner Nun wuchs aber im Garten Eden ein Baum, dessen Früchte die Eigen¬ Entspricht ein solcher vom Himmel gestiegener Geist den von ihm gehegten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0333" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192634"/> <p xml:id="ID_1245" prev="#ID_1244"> Mensch Adam und wurde nach seinem Tode der Fürst aller Erdenbewohner<lb/> und ihr Gott. Die gewöhnliche Bibelübersetzung ist hinsichtlich der Schöpfungs¬<lb/> geschichte nicht genau. Denn erstens wurden die Pflanzen und Thiere in den<lb/> ersten sechs Tagen nicht erschaffen, sondern nur in ihren Urbildern hervor¬<lb/> gebracht oder wie die Mormonen sich ausdrücken, „geistig geschaffen," sodann<lb/> ruhte Gott am siebenten Tage nicht, sondern schuf den Menschen leiblich,<lb/> darauf Eva und die Thiere. Endlich sind unter dem Worte „Tage" nicht<lb/> unsere vierundzwanzigstündigen, sondern Gottestage zu verstehen, die nach<lb/> den Umdrehungen des großen Centralsternes Kolob gemessen werden und<lb/> tausend Jahre umfassen. Die Erde war so, wie sie aus der Hand des<lb/> Schöpfers hervorgegangen, ein Bild der Ordnung und Gesundheit, des Frie¬<lb/> dens und der Freude, eine einzige ungeheure Insel inmitten eines einzigen<lb/> ungeheuren Meeres, eine schöne Ebene mit sanft anschwellenden Hügeln und<lb/> lieblichen Thälern. Der Mensch kannte den Tod so wenig wie seine Mitge-<lb/> schöpfe, die Thiere. Durch seine Adern strömte, wie jetzt das Blut, ein Flui-<lb/> dum, durch welches sein Leib vor dem Vergehen bewahrt wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1246"> Nun wuchs aber im Garten Eden ein Baum, dessen Früchte die Eigen¬<lb/> schaft hatten, dieses edle Fluidum zu verderben, es in sterbliches Blut zu ver¬<lb/> wandeln. Adam, der bei seinem Eingehen ins Fleisch all sein früheres Wissen<lb/> von Böse und Gut verloren hatte, ließ sich von Satan verführen, von dieser<lb/> giftigen Frucht zu essen, und so verlor er die irdische Unsterblichkeit, tauschte<lb/> durch seinen Fall aber auch Gutes ein, das Wissen nämlich von Gut und<lb/> Vöse, Schmerz, Leiden und Tod, welches zu seiner Vollkommenheit nothwen¬<lb/> dig war. Anderswo wird gelehrt, Adam sei nach einer Voraussehung Gottes<lb/> oder nach einer nothwendigen Bestimmung der Heilsökonomie gefallen, und<lb/> er habe den Apfel mit vollem Bewußtsein über die daraus sich ergebenden<lb/> Folgen gegessen. Das aber soll geschehen sein, damit künftig sterbliche Leiber<lb/> von Weibern geboren würden und Wohnungen für die Geister im Himmel<lb/> entstünden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1247" next="#ID_1248"> Entspricht ein solcher vom Himmel gestiegener Geist den von ihm gehegten<lb/> Erwartungen nicht, verscherzt er sein Erbe durch üble Aufführung, so wird<lb/> ihm nach seinem Ableben ein geringerer Leibestempel und eine niedrigere<lb/> Daseinsstufe angewiesen. Ist er auch auf dieser nicht gehorsam, so verbannt<lb/> ihn Gott auf eine noch tiefere, etwa in einen Neger, und reicht auch das<lb/> nicht hin, ihn zu bessern, so wird er in ein Thier verwiesen. „So mag es,"<lb/> sagt Pratt, „am Orte sein, wenn ein tückisches Pferd, ein bissiger Hund oder<lb/> ^ne zornige Otter einem zu Leibe geht, sich zu fragen, ob in der Bestie nicht<lb/> am Ende eine ungehorsam gewesene Menschenseele ihre Prüfungszeit verbüßt."<lb/> Fügt eine solche sich endlich, und kehrt sie zur Unterwerfung unter das Ge¬<lb/> bot des Herrn zurück (was der Otter wohl nicht leicht fallen wird), so wird</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0333]
Mensch Adam und wurde nach seinem Tode der Fürst aller Erdenbewohner
und ihr Gott. Die gewöhnliche Bibelübersetzung ist hinsichtlich der Schöpfungs¬
geschichte nicht genau. Denn erstens wurden die Pflanzen und Thiere in den
ersten sechs Tagen nicht erschaffen, sondern nur in ihren Urbildern hervor¬
gebracht oder wie die Mormonen sich ausdrücken, „geistig geschaffen," sodann
ruhte Gott am siebenten Tage nicht, sondern schuf den Menschen leiblich,
darauf Eva und die Thiere. Endlich sind unter dem Worte „Tage" nicht
unsere vierundzwanzigstündigen, sondern Gottestage zu verstehen, die nach
den Umdrehungen des großen Centralsternes Kolob gemessen werden und
tausend Jahre umfassen. Die Erde war so, wie sie aus der Hand des
Schöpfers hervorgegangen, ein Bild der Ordnung und Gesundheit, des Frie¬
dens und der Freude, eine einzige ungeheure Insel inmitten eines einzigen
ungeheuren Meeres, eine schöne Ebene mit sanft anschwellenden Hügeln und
lieblichen Thälern. Der Mensch kannte den Tod so wenig wie seine Mitge-
schöpfe, die Thiere. Durch seine Adern strömte, wie jetzt das Blut, ein Flui-
dum, durch welches sein Leib vor dem Vergehen bewahrt wurde.
Nun wuchs aber im Garten Eden ein Baum, dessen Früchte die Eigen¬
schaft hatten, dieses edle Fluidum zu verderben, es in sterbliches Blut zu ver¬
wandeln. Adam, der bei seinem Eingehen ins Fleisch all sein früheres Wissen
von Böse und Gut verloren hatte, ließ sich von Satan verführen, von dieser
giftigen Frucht zu essen, und so verlor er die irdische Unsterblichkeit, tauschte
durch seinen Fall aber auch Gutes ein, das Wissen nämlich von Gut und
Vöse, Schmerz, Leiden und Tod, welches zu seiner Vollkommenheit nothwen¬
dig war. Anderswo wird gelehrt, Adam sei nach einer Voraussehung Gottes
oder nach einer nothwendigen Bestimmung der Heilsökonomie gefallen, und
er habe den Apfel mit vollem Bewußtsein über die daraus sich ergebenden
Folgen gegessen. Das aber soll geschehen sein, damit künftig sterbliche Leiber
von Weibern geboren würden und Wohnungen für die Geister im Himmel
entstünden.
Entspricht ein solcher vom Himmel gestiegener Geist den von ihm gehegten
Erwartungen nicht, verscherzt er sein Erbe durch üble Aufführung, so wird
ihm nach seinem Ableben ein geringerer Leibestempel und eine niedrigere
Daseinsstufe angewiesen. Ist er auch auf dieser nicht gehorsam, so verbannt
ihn Gott auf eine noch tiefere, etwa in einen Neger, und reicht auch das
nicht hin, ihn zu bessern, so wird er in ein Thier verwiesen. „So mag es,"
sagt Pratt, „am Orte sein, wenn ein tückisches Pferd, ein bissiger Hund oder
^ne zornige Otter einem zu Leibe geht, sich zu fragen, ob in der Bestie nicht
am Ende eine ungehorsam gewesene Menschenseele ihre Prüfungszeit verbüßt."
Fügt eine solche sich endlich, und kehrt sie zur Unterwerfung unter das Ge¬
bot des Herrn zurück (was der Otter wohl nicht leicht fallen wird), so wird
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