Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.wird, könnte sie nicht auf üble Wege gerathen? Sie ist nun gewarnt worden, wird, könnte sie nicht auf üble Wege gerathen? Sie ist nun gewarnt worden, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0284" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192585"/> <p xml:id="ID_1087" prev="#ID_1086" next="#ID_1088"> wird, könnte sie nicht auf üble Wege gerathen? Sie ist nun gewarnt worden,<lb/> und zwar auf eine sehr empfindliche Weise. Sie oder ihr Liebhaber ist na¬<lb/> türlich verpflichtet, das Kind zu unterhalten: das ist — in den Augen der<lb/> Meisten — Strafe genug. Hier ist der Punkt, wo Gerechtigkeit und Nach¬<lb/> sicht sich die Hände reichen und ein gesellschaftliches Arrangement willkommen<lb/> heißen, das eine Heirath und Mutterliebe in Stellvertretung durch jene warm¬<lb/> herzigen Matronen darbietet, die eine so innige, aufopfernde, christliche Liebe<lb/> für Säuglinge haben, deren höchster Genuß die Sorgen und Mühen der<lb/> Kinderstube sind, und die deßhalb in Zeitungen Annoncen erlassen um Kinder zur<lb/> Wartung, zur Pflege, zur Erziehung und zur endlichen Adoption, anzunehmen.<lb/> Und dann vom ökonomischen Standpunkt aus läßt sich gleichfalls manches für<lb/> das Baby-Farming vorbringen. Gewöhnlich sind diese engelmachenden Institu¬<lb/> tionen mit einer anderen Form von Philanthropie verbunden; der Eigenthümer<lb/> der Farm ist häufig zu gleicher Zeit Dirigent einer Privatentbindungsanstalt.<lb/> Hier wird nach dem Grundsatz verfahren, die Masse muß es bringen. Ein<lb/> Kind, das im Geheimen geboren werden soll, kostet in einem Privathaus¬<lb/> halt große Summen, Summen, deren Ausgabe vermieden werden kann. Ein<lb/> einzelner Kranker kostet mehr als ein solcher, der im Hospital behandelt wird.<lb/> Ein in der Ehe gebornes Kind ist sehr kostspielig und seine Auferziehung<lb/> muß nach einem sehr unökonomischen Maßstab ausgeführt werden. Eine Kuh<lb/> ist ruiniös, aber eine Heerde Kühe bringt Geld ein. So auch vollzieht sich<lb/> die Pflege eines Säuglings auf sehr kostspielige Weise, aber einige Dutzend<lb/> kann man recht billig durchbringen. Das sind die Gründe, die man hier zu<lb/> Lande von philanthropischer wie ökonomischer Seite für das Collectivverfahren<lb/> in der Auferziehung von Säuglingen vorbringt. Bei diesen Instituten, wo<lb/> jene armen Wesen untergebracht werden, die schlimmer daran sind, als jene,<lb/> die durch einen Zufall Vater und Mutter verloren, muß man niemals den<lb/> Umstand außer Acht lassen, daß eine runde Summe im Voraus bezahlt wer¬<lb/> den muß. Fünfzig bis hundert Pfund sert. werden eingezahlt für den lebens¬<lb/> länglichen Unterhalt des unehelichen Kindes. Diese ganze Transaction hat<lb/> das Aussehen einer hazardösen Spekulation in Lebensversicherungspolicen, oder<lb/> besser gesagt in Leibrenten. In alten Zeiten machte man sich das Ding be¬<lb/> quemer, da setzte man die Kinder, die dem Staat oder den Eltern eine un¬<lb/> nütze Last zu werden drohten, auf dem Taygetus aus. Und in gewissen Vor¬<lb/> schlägen, die so natürlich aussahen, daß sie von manchen für Ernst genommen<lb/> wurden, rieth Swift, zur Verminderung der irischen Bevölkerung Cannibalismus<lb/> und Züchtung der Kinder -für die Tafel an. Ein jedes dieser Auskunftsmit-<lb/> tel ist für die armen Opfer weniger grausam, als das. was heute in Eng¬<lb/> land angewandt wird, und das durch den Proceß gegen die Waters auf so<lb/> furchtbare Weise aufgedeckt wurde. Bei der Leichenschau der Opfer dieses</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0284]
wird, könnte sie nicht auf üble Wege gerathen? Sie ist nun gewarnt worden,
und zwar auf eine sehr empfindliche Weise. Sie oder ihr Liebhaber ist na¬
türlich verpflichtet, das Kind zu unterhalten: das ist — in den Augen der
Meisten — Strafe genug. Hier ist der Punkt, wo Gerechtigkeit und Nach¬
sicht sich die Hände reichen und ein gesellschaftliches Arrangement willkommen
heißen, das eine Heirath und Mutterliebe in Stellvertretung durch jene warm¬
herzigen Matronen darbietet, die eine so innige, aufopfernde, christliche Liebe
für Säuglinge haben, deren höchster Genuß die Sorgen und Mühen der
Kinderstube sind, und die deßhalb in Zeitungen Annoncen erlassen um Kinder zur
Wartung, zur Pflege, zur Erziehung und zur endlichen Adoption, anzunehmen.
Und dann vom ökonomischen Standpunkt aus läßt sich gleichfalls manches für
das Baby-Farming vorbringen. Gewöhnlich sind diese engelmachenden Institu¬
tionen mit einer anderen Form von Philanthropie verbunden; der Eigenthümer
der Farm ist häufig zu gleicher Zeit Dirigent einer Privatentbindungsanstalt.
Hier wird nach dem Grundsatz verfahren, die Masse muß es bringen. Ein
Kind, das im Geheimen geboren werden soll, kostet in einem Privathaus¬
halt große Summen, Summen, deren Ausgabe vermieden werden kann. Ein
einzelner Kranker kostet mehr als ein solcher, der im Hospital behandelt wird.
Ein in der Ehe gebornes Kind ist sehr kostspielig und seine Auferziehung
muß nach einem sehr unökonomischen Maßstab ausgeführt werden. Eine Kuh
ist ruiniös, aber eine Heerde Kühe bringt Geld ein. So auch vollzieht sich
die Pflege eines Säuglings auf sehr kostspielige Weise, aber einige Dutzend
kann man recht billig durchbringen. Das sind die Gründe, die man hier zu
Lande von philanthropischer wie ökonomischer Seite für das Collectivverfahren
in der Auferziehung von Säuglingen vorbringt. Bei diesen Instituten, wo
jene armen Wesen untergebracht werden, die schlimmer daran sind, als jene,
die durch einen Zufall Vater und Mutter verloren, muß man niemals den
Umstand außer Acht lassen, daß eine runde Summe im Voraus bezahlt wer¬
den muß. Fünfzig bis hundert Pfund sert. werden eingezahlt für den lebens¬
länglichen Unterhalt des unehelichen Kindes. Diese ganze Transaction hat
das Aussehen einer hazardösen Spekulation in Lebensversicherungspolicen, oder
besser gesagt in Leibrenten. In alten Zeiten machte man sich das Ding be¬
quemer, da setzte man die Kinder, die dem Staat oder den Eltern eine un¬
nütze Last zu werden drohten, auf dem Taygetus aus. Und in gewissen Vor¬
schlägen, die so natürlich aussahen, daß sie von manchen für Ernst genommen
wurden, rieth Swift, zur Verminderung der irischen Bevölkerung Cannibalismus
und Züchtung der Kinder -für die Tafel an. Ein jedes dieser Auskunftsmit-
tel ist für die armen Opfer weniger grausam, als das. was heute in Eng¬
land angewandt wird, und das durch den Proceß gegen die Waters auf so
furchtbare Weise aufgedeckt wurde. Bei der Leichenschau der Opfer dieses
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