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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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hat sich die Emigration als Commune zu constituiren und einen Kassierer
sowie einen Secretär zu erwählen, der sich mit dem Comite in Verbindung
setzt; 2. Die schon bestehenden Vereine sind als organisirte Communen an¬
erkannt; 3. Die Stadt Paris wird auf Grund ihrer Ausdehnung wenigstens
drei Communen bilden; 8. Außer den Beiträgen zu besonderen Zwecken ist
jeder Flüchtling verpflichtet, für die allgemeinen Angelegenheiten monatlich 2t.
Centimes zu steuern. Dieser Beitrag wird von dem Kassierer der Commune
in die Hände des Kassierers des Centralcomites gezahlt/' Und weiter hieß
es in dem Manifest: "Die Emigration kann sich nicht damit begnügen, im
Innern des Landes Propaganda zu machen. Sie muß sich in allen ihren
Beziehungen zu dem Auslande kundgeben. Sie hat nicht blos in der aus¬
ländischen Presse und im Angesicht freier Völker die Bedürfnisse und Hoff¬
nungen des Landes auszusprechen, sondern auch an jedem zur Befreiung eines
unterdrückten Volkes unternommenen Kampfe mit den Waffen theilzunehmen,
gleichviel, welches Volk es sei. Sie wird so ihr Verwachsensein mit der
republikanischen Idee zeigen."

Infolge dieses Ausrufs wurden 91 polnische Communen als Succursalen
der pariser Centralcommune errichtet. Man hielt periodische Versammlungen
ab, zu denen man die leitenden Geister der Clubs von Belleville, von Vaur
Hall, von Vieux Chine und Pre aur Clercs einlud. Raoul Nigault, Ducasse,
Briosne, Amouroux und andere Radicale waren fast unausbleibliche Theil-
nehmer an den polnischen Versammlungen in Billette und beim Pantheon-
Sie wurden dort durch die Polin Paula Minck eingeführt, die in einer ihrer
Reden, mit den Worten schloß: "Wir erkennen die Macht Gottes nicht an,
weil wir weder Gott, noch irgend eine Macht wollen," eine Rede, welch?
die Dame zu Nutz und Frommen "ihrer lieben Landsleute daheim" ins Pol'
mische übersetzt verbreiten ließ.

Die polnische Commune des Pantheon schickte zu dem Congreß der Inter¬
nate, der 1869 zu Lausanne stattfand, einen Abgeordneten, Bossak, welcher
dort einen Bericht über die gegenwärtige Lage Polens vorlas. Der Congreß
erklärte, man werde eine Commission von fünf Mitgliedern bestellen, welch?
alle die polnische Frage betreffenoen Documente sammeln solle.

Es besteht zu Paris eine polnische demokratische Gesellschaft, welche in
ganz Frankreich gegen 2000 Mitglieder zählt. Diese Gesellschaft hat zuo
Präsidenten den General Mieroslawski, welcher sich an der pariser demago-
gischen Bewegung von 1871 nicht mehr betheiligt hat, als an der warschauer
von 1863, aber nur weil bekanntlich dieser große Lama der polnischen Demo¬
kratie der Ansicht huldigt, daß Vorsicht die erste aller Tugenden ist. Eine
erhebliche Anzahl von Mitgliedern dieser Gesellschaft hat der Commune von
Paris ihren Arm geliehen und erwartet jetzt in Versailles ihr Urtheil.


hat sich die Emigration als Commune zu constituiren und einen Kassierer
sowie einen Secretär zu erwählen, der sich mit dem Comite in Verbindung
setzt; 2. Die schon bestehenden Vereine sind als organisirte Communen an¬
erkannt; 3. Die Stadt Paris wird auf Grund ihrer Ausdehnung wenigstens
drei Communen bilden; 8. Außer den Beiträgen zu besonderen Zwecken ist
jeder Flüchtling verpflichtet, für die allgemeinen Angelegenheiten monatlich 2t.
Centimes zu steuern. Dieser Beitrag wird von dem Kassierer der Commune
in die Hände des Kassierers des Centralcomites gezahlt/' Und weiter hieß
es in dem Manifest: „Die Emigration kann sich nicht damit begnügen, im
Innern des Landes Propaganda zu machen. Sie muß sich in allen ihren
Beziehungen zu dem Auslande kundgeben. Sie hat nicht blos in der aus¬
ländischen Presse und im Angesicht freier Völker die Bedürfnisse und Hoff¬
nungen des Landes auszusprechen, sondern auch an jedem zur Befreiung eines
unterdrückten Volkes unternommenen Kampfe mit den Waffen theilzunehmen,
gleichviel, welches Volk es sei. Sie wird so ihr Verwachsensein mit der
republikanischen Idee zeigen."

Infolge dieses Ausrufs wurden 91 polnische Communen als Succursalen
der pariser Centralcommune errichtet. Man hielt periodische Versammlungen
ab, zu denen man die leitenden Geister der Clubs von Belleville, von Vaur
Hall, von Vieux Chine und Pre aur Clercs einlud. Raoul Nigault, Ducasse,
Briosne, Amouroux und andere Radicale waren fast unausbleibliche Theil-
nehmer an den polnischen Versammlungen in Billette und beim Pantheon-
Sie wurden dort durch die Polin Paula Minck eingeführt, die in einer ihrer
Reden, mit den Worten schloß: „Wir erkennen die Macht Gottes nicht an,
weil wir weder Gott, noch irgend eine Macht wollen," eine Rede, welch?
die Dame zu Nutz und Frommen „ihrer lieben Landsleute daheim" ins Pol'
mische übersetzt verbreiten ließ.

Die polnische Commune des Pantheon schickte zu dem Congreß der Inter¬
nate, der 1869 zu Lausanne stattfand, einen Abgeordneten, Bossak, welcher
dort einen Bericht über die gegenwärtige Lage Polens vorlas. Der Congreß
erklärte, man werde eine Commission von fünf Mitgliedern bestellen, welch?
alle die polnische Frage betreffenoen Documente sammeln solle.

Es besteht zu Paris eine polnische demokratische Gesellschaft, welche in
ganz Frankreich gegen 2000 Mitglieder zählt. Diese Gesellschaft hat zuo
Präsidenten den General Mieroslawski, welcher sich an der pariser demago-
gischen Bewegung von 1871 nicht mehr betheiligt hat, als an der warschauer
von 1863, aber nur weil bekanntlich dieser große Lama der polnischen Demo¬
kratie der Ansicht huldigt, daß Vorsicht die erste aller Tugenden ist. Eine
erhebliche Anzahl von Mitgliedern dieser Gesellschaft hat der Commune von
Paris ihren Arm geliehen und erwartet jetzt in Versailles ihr Urtheil.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/254>, abgerufen am 06.02.2025.