Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.von Pius VI. im Jahre 1781 gegründet wurde und dazu dient, das Eisen, von Pius VI. im Jahre 1781 gegründet wurde und dazu dient, das Eisen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0182" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192483"/> <p xml:id="ID_705" prev="#ID_704" next="#ID_706"> von Pius VI. im Jahre 1781 gegründet wurde und dazu dient, das Eisen,<lb/> das reichlich in den benachbarten Bergen, meist als Niederschlag ehemaliger<lb/> Seeen, gefunden wird, zu verarbeiten. Anfangs führte uns der Weg durch<lb/> Hecken, dann durch Oelpflanzungen, aus denen der gedehnte, recitative Wech¬<lb/> selgesang der Landleute zu uns herüberscholl. Der Berg wurde immer ma¬<lb/> lerischer, insofern er immer mehr sich in ein Thal hiueinschlang. Die obere<lb/> breite Landstraße, die ebenfalls von dem thatkräftigen Pius VI. angelegt wor¬<lb/> den, verspätten wir uns auf die Rückkehr. Als der Weg umbog, sahen wir<lb/> plötzlich vor uns im Grunde zwischen bräunlichem Terrain die gelblichen<lb/> Fluthen des Velino sich uns entgegenschlängeln, während rechts auf einer ab-<lb/> schüssigen Felshöhe höchst romantisch ein altes, verräuchertes Städtchen mit<lb/> wenigstens sechs Hänserschichten übereinander, mit ausgehängter Wäsche, dazwi¬<lb/> schen wieder Oliven und Cypressen thronte, und uns zum ersten Mal den<lb/> Anblick eines ächten römischen Bergstädtchens mit seinem Schmutz und Ver¬<lb/> fall gab. Auch die Einwohner hatten ein für uns ganz neues Gepräge; bis<lb/> nach Assisi hin noch der lebhafte, muntere Geist, der zumal dem Toskaner<lb/> eigen ist, hier mit einemmal ein trägerer Gang, ein stumpferer Blick, ein mehr<lb/> verwahrlostes Aeußere; aber zugleich auch üppiger und mächtiger entwickelte<lb/> Formen statt der sehnigen Schlankheit des Toskaners und Umbriers. Ein<lb/> Führer gesellte sich zu uns und führte uns Angesichts der rosig von der Sonne<lb/> beleuchteten Berge den schmalen Pfad zwischen dem Tuffgeröll des Thales<lb/> hin. Die Tuffsteine sind hier von zweierlei Art, einmal tropfsteinartig,<lb/> sodann compact, hell mit dunkleren Streifen. In vielen finden sich<lb/> Abdrücke von Besten, sowie von den Blättern der Pappel, Steineiche,<lb/> Buche und anderer Bäume. — Ein dumpfes Rauschen verkündigte uns<lb/> die Nähe des berühmten Falls; wir beschleunigten unsere Schritte. — Zu¬<lb/> erst trafen wir auf sein Vorspiel für uns, auf sein Nachspiel, wenn man sich<lb/> in den Lauf des Velino selbst versetzt, dem wir entgegengingen. Aus einem<lb/> Felsenschlunde sprudelte auf unerklärliche Weise mit großer Kraft ein mäch¬<lb/> tiger Wasserstrahl empor und schoß wie Pfeile oder Schlangen seine wei߬<lb/> schimmernden Fluthen über mächtige, abschüssig glatte Felsblöcke in das sich¬<lb/> rere Bett hinab. Wir klommen die steilen Tufffelsen dem Falle gegenüber hinan<lb/> und plötzlich enthüllte uns ein Vorsprung, der den Fall bis dahin verdeckt,<lb/> dessen ganze Majestät, indem uns gleichzeitig jedoch ein feiner und dichter<lb/> Sprühregen verhinderte, allzuschnell und vorwitzig unser Auge in die Reize<lb/> des erhabenen Naturschauspiels dringen zu lassen. Wir setzten uns an den<lb/> äußersten Rand des Felsens und staunten lange Zeit in völligem Selbst¬<lb/> vergessen in das unermüdliche, donnernde und schäumende, kühle und erregte<lb/> Leben der Natur hinein. Das Wasser stürzte mit toller Lust von der hohen<lb/> Wand hinab, zerstäubte in weißen feinen Staub, erregte unten im Kessel,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0182]
von Pius VI. im Jahre 1781 gegründet wurde und dazu dient, das Eisen,
das reichlich in den benachbarten Bergen, meist als Niederschlag ehemaliger
Seeen, gefunden wird, zu verarbeiten. Anfangs führte uns der Weg durch
Hecken, dann durch Oelpflanzungen, aus denen der gedehnte, recitative Wech¬
selgesang der Landleute zu uns herüberscholl. Der Berg wurde immer ma¬
lerischer, insofern er immer mehr sich in ein Thal hiueinschlang. Die obere
breite Landstraße, die ebenfalls von dem thatkräftigen Pius VI. angelegt wor¬
den, verspätten wir uns auf die Rückkehr. Als der Weg umbog, sahen wir
plötzlich vor uns im Grunde zwischen bräunlichem Terrain die gelblichen
Fluthen des Velino sich uns entgegenschlängeln, während rechts auf einer ab-
schüssigen Felshöhe höchst romantisch ein altes, verräuchertes Städtchen mit
wenigstens sechs Hänserschichten übereinander, mit ausgehängter Wäsche, dazwi¬
schen wieder Oliven und Cypressen thronte, und uns zum ersten Mal den
Anblick eines ächten römischen Bergstädtchens mit seinem Schmutz und Ver¬
fall gab. Auch die Einwohner hatten ein für uns ganz neues Gepräge; bis
nach Assisi hin noch der lebhafte, muntere Geist, der zumal dem Toskaner
eigen ist, hier mit einemmal ein trägerer Gang, ein stumpferer Blick, ein mehr
verwahrlostes Aeußere; aber zugleich auch üppiger und mächtiger entwickelte
Formen statt der sehnigen Schlankheit des Toskaners und Umbriers. Ein
Führer gesellte sich zu uns und führte uns Angesichts der rosig von der Sonne
beleuchteten Berge den schmalen Pfad zwischen dem Tuffgeröll des Thales
hin. Die Tuffsteine sind hier von zweierlei Art, einmal tropfsteinartig,
sodann compact, hell mit dunkleren Streifen. In vielen finden sich
Abdrücke von Besten, sowie von den Blättern der Pappel, Steineiche,
Buche und anderer Bäume. — Ein dumpfes Rauschen verkündigte uns
die Nähe des berühmten Falls; wir beschleunigten unsere Schritte. — Zu¬
erst trafen wir auf sein Vorspiel für uns, auf sein Nachspiel, wenn man sich
in den Lauf des Velino selbst versetzt, dem wir entgegengingen. Aus einem
Felsenschlunde sprudelte auf unerklärliche Weise mit großer Kraft ein mäch¬
tiger Wasserstrahl empor und schoß wie Pfeile oder Schlangen seine wei߬
schimmernden Fluthen über mächtige, abschüssig glatte Felsblöcke in das sich¬
rere Bett hinab. Wir klommen die steilen Tufffelsen dem Falle gegenüber hinan
und plötzlich enthüllte uns ein Vorsprung, der den Fall bis dahin verdeckt,
dessen ganze Majestät, indem uns gleichzeitig jedoch ein feiner und dichter
Sprühregen verhinderte, allzuschnell und vorwitzig unser Auge in die Reize
des erhabenen Naturschauspiels dringen zu lassen. Wir setzten uns an den
äußersten Rand des Felsens und staunten lange Zeit in völligem Selbst¬
vergessen in das unermüdliche, donnernde und schäumende, kühle und erregte
Leben der Natur hinein. Das Wasser stürzte mit toller Lust von der hohen
Wand hinab, zerstäubte in weißen feinen Staub, erregte unten im Kessel,
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