Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.der Meinung, ein durch Familienbündnisse gestärktes Verhältniß Spaniens zu Und nun erfolgte im Herbst 1494 Karl VIII. epochemachender Kriegszug Ein verdecktes Spiel von Unterhandlungen allerwärts, eine stets offen der Meinung, ein durch Familienbündnisse gestärktes Verhältniß Spaniens zu Und nun erfolgte im Herbst 1494 Karl VIII. epochemachender Kriegszug Ein verdecktes Spiel von Unterhandlungen allerwärts, eine stets offen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0172" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192473"/> <p xml:id="ID_672" prev="#ID_671"> der Meinung, ein durch Familienbündnisse gestärktes Verhältniß Spaniens zu<lb/> den Habsburgern und zu der in Neapel regierenden Familie zu hindern.<lb/> Lange hatte sich Ferdinand gegen diese Fessel gesträubt; endlich, um jene<lb/> Grenzlande zu erhalten, hatte er sie mit einer Modification annehmen zu<lb/> sollen geglaubt. Sonst aber hatte er in dem Allianztractate alle Unterstützung<lb/> den Franzosen zugesagt und einzig jedes Auftreten Spaniens gegen den Papst<lb/> ausgeschlossen: dem katholischen König stand wohl an, ausdrücklich festzu¬<lb/> setzen, daß er niemals gegen den heiligen Vater in Rom Feindseligkeiten zu¬<lb/> lassen würde. Man nahm das als eine Phrase, eine diplomatische Floskel<lb/> ohne Bedeutung: sür Ferdinand aber war es die Pforte, durch die er der<lb/> erdrückenden französischen Freundschaft wieder entgehen konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_673"> Und nun erfolgte im Herbst 1494 Karl VIII. epochemachender Kriegszug<lb/> durch Italien auf Neapel, der alle Verhältnisse Italiens über den Haufen<lb/> warf und das ganze politische Europa verwirrte und entsetzte. Wir erinnern<lb/> ganz kurz an die alte noch unausgetragene Controverse. Den Anjous hatte<lb/> Neapel im 14. Jahrhundert gehört; nachher aber war es in die Hand ge¬<lb/> kommen jener aragonesischen Fürsten, welche Sicilien besaßen. Die Anjous<lb/> hatten ihre Ansprüche keineswegs fallen gelassen: als 1438 von der Haupt¬<lb/> linie des Hauses Aragon eine unebenbürtige Seitenlinie in Neapel und Sici¬<lb/> lien sich abzweigte, waren die Versuche der angiovinischen Partei in Neapel<lb/> neu ausgelebt, und ihre Ansprüche vertrat jetzt König Karl mit der ganzen<lb/> Macht seines französischen Staates. Ferdinand von Aragon hatte sich mit<lb/> seinen neapolitanischen Vettern nicht besonders freundlich gestellt, dagegen<lb/> wiederholt zu erkennen gegeben, daß er sich als den eventuellen Erben in<lb/> Neapel ansehen wollte. Er erfuhr von den Kriegsplänen Frankreichs; er<lb/> unterhandelte nach allen Seiten mit allen betheiligten Parteien. Karl hat<lb/> lange Zeit die Idee gehabt, Ferdinand werde, eben durch jene Abtretung<lb/> 1493 befriedigt, ihm nicht in den Weg treten und die neapolitanischen Vettern<lb/> nicht schützen: in Rom zeigte Karl dem Papste sogar an, daß Ferdinand sein<lb/> Unternehmen gebilligt habe. Einer so offenen Erklärung widersprach Ferdi¬<lb/> nand sofort: er läugnete, sich gebunden zu haben. Andererseits aberwünschte<lb/> er unter dem Drucke der französischen Kriegsgefahr von Neapel wichtige Rechte<lb/> zu erlangen, sei es Abtretung eines Landstriches, sei es Einräumung des<lb/> Besatzungsrechtes der Festungen und Häfen. Den Papst — es war Alexan¬<lb/> der VI., eine Creatur der spanischen Partei — warnte er, sich mit Karl ein¬<lb/> zulassen: auf's lebhafteste suchte er die Anlehnung an die Habsburgische Macht<lb/> zu gewinnen, durch die er schon in dem bretagnischen Kriege vorwärts ge¬<lb/> kommen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_674" next="#ID_675"> Ein verdecktes Spiel von Unterhandlungen allerwärts, eine stets offen<lb/> gehaltene Auswahl der verschiedensten Auswege — diese Merkmale charakteri-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0172]
der Meinung, ein durch Familienbündnisse gestärktes Verhältniß Spaniens zu
den Habsburgern und zu der in Neapel regierenden Familie zu hindern.
Lange hatte sich Ferdinand gegen diese Fessel gesträubt; endlich, um jene
Grenzlande zu erhalten, hatte er sie mit einer Modification annehmen zu
sollen geglaubt. Sonst aber hatte er in dem Allianztractate alle Unterstützung
den Franzosen zugesagt und einzig jedes Auftreten Spaniens gegen den Papst
ausgeschlossen: dem katholischen König stand wohl an, ausdrücklich festzu¬
setzen, daß er niemals gegen den heiligen Vater in Rom Feindseligkeiten zu¬
lassen würde. Man nahm das als eine Phrase, eine diplomatische Floskel
ohne Bedeutung: sür Ferdinand aber war es die Pforte, durch die er der
erdrückenden französischen Freundschaft wieder entgehen konnte.
Und nun erfolgte im Herbst 1494 Karl VIII. epochemachender Kriegszug
durch Italien auf Neapel, der alle Verhältnisse Italiens über den Haufen
warf und das ganze politische Europa verwirrte und entsetzte. Wir erinnern
ganz kurz an die alte noch unausgetragene Controverse. Den Anjous hatte
Neapel im 14. Jahrhundert gehört; nachher aber war es in die Hand ge¬
kommen jener aragonesischen Fürsten, welche Sicilien besaßen. Die Anjous
hatten ihre Ansprüche keineswegs fallen gelassen: als 1438 von der Haupt¬
linie des Hauses Aragon eine unebenbürtige Seitenlinie in Neapel und Sici¬
lien sich abzweigte, waren die Versuche der angiovinischen Partei in Neapel
neu ausgelebt, und ihre Ansprüche vertrat jetzt König Karl mit der ganzen
Macht seines französischen Staates. Ferdinand von Aragon hatte sich mit
seinen neapolitanischen Vettern nicht besonders freundlich gestellt, dagegen
wiederholt zu erkennen gegeben, daß er sich als den eventuellen Erben in
Neapel ansehen wollte. Er erfuhr von den Kriegsplänen Frankreichs; er
unterhandelte nach allen Seiten mit allen betheiligten Parteien. Karl hat
lange Zeit die Idee gehabt, Ferdinand werde, eben durch jene Abtretung
1493 befriedigt, ihm nicht in den Weg treten und die neapolitanischen Vettern
nicht schützen: in Rom zeigte Karl dem Papste sogar an, daß Ferdinand sein
Unternehmen gebilligt habe. Einer so offenen Erklärung widersprach Ferdi¬
nand sofort: er läugnete, sich gebunden zu haben. Andererseits aberwünschte
er unter dem Drucke der französischen Kriegsgefahr von Neapel wichtige Rechte
zu erlangen, sei es Abtretung eines Landstriches, sei es Einräumung des
Besatzungsrechtes der Festungen und Häfen. Den Papst — es war Alexan¬
der VI., eine Creatur der spanischen Partei — warnte er, sich mit Karl ein¬
zulassen: auf's lebhafteste suchte er die Anlehnung an die Habsburgische Macht
zu gewinnen, durch die er schon in dem bretagnischen Kriege vorwärts ge¬
kommen war.
Ein verdecktes Spiel von Unterhandlungen allerwärts, eine stets offen
gehaltene Auswahl der verschiedensten Auswege — diese Merkmale charakteri-
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