Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.dies doppelte Endziel hat Ferdinand durch mehr als dreißig Jahre hindurch Als Ferdinand die Negierung in Aragon überkam, fand er die Thatsache dies doppelte Endziel hat Ferdinand durch mehr als dreißig Jahre hindurch Als Ferdinand die Negierung in Aragon überkam, fand er die Thatsache <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0170" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192471"/> <p xml:id="ID_666" prev="#ID_665"> dies doppelte Endziel hat Ferdinand durch mehr als dreißig Jahre hindurch<lb/> mit zähester Consequenz festgehalten, im einzelnen Momente nach den momen¬<lb/> tanen Konstellationen der allgemeinen Lage es modificirend. Wesentliche Lücken<lb/> im Endresultate sind freilich geblieben: nicht aller Verhältnisse vermochte er<lb/> Herr zu werden oder zu bleiben, aber Großes und Fruchtbares hat er doch<lb/> erreicht und für Spanien sicher befestigt. Ein gerade den Politiker mit ge¬<lb/> waltigem Zauber festhaltendes Interesse haftet an seiner Erscheinung; und<lb/> mehr durch seine diplomatische Virtuosität als durch sein militärisches Glück<lb/> spannt er unsere Aufmerksamkeit und Bewunderung auf's höchste.</p><lb/> <p xml:id="ID_667" next="#ID_668"> Als Ferdinand die Negierung in Aragon überkam, fand er die Thatsache<lb/> einer sehr empfindlichen Einbuße an Macht, die in letzter Zeit seinem Vater¬<lb/> lande beigebracht war, vor. Die Grafschaften Roussillon und Cerdana hatte<lb/> man an Frankreich 1462 abtreten müssen, um nur des Besitzes von Catalo-<lb/> nien nicht verlustig zu gehen. Auch Navarra war der aragonischer Hand,<lb/> die sich nach ihm ausgestreckt und es eine Weile gehalten, entgangen: eine<lb/> offene Wunde im eigenen Körper der aragonischer Krone war also nicht zu<lb/> verbergen. Gerade an dieser Stelle mußte Ferdinand zu heilen und auszu¬<lb/> gleichen suchen; er mußte es unternehmen, den seit dem 13. Jahrhundert hier<lb/> an der Grenze von Spanien und Frankreich schwebenden Streit auf eine für<lb/> Aragon vortheilhafte Weise zu schlichten, die französischen Fortschritte, die in<lb/> den letzten Zeiten offenbar gemacht waren, definitiv zurückzutreiben und die<lb/> pyrenäische Halbinsel für immer wieder gegen den unruhigen Nachbar zu<lb/> schließen. Sehr bezeichnend war, daß Ferdinand diesen schweren Ring-<lb/> kampf sofort mit diplomatischen Mitteln begann. Und zwar sind es die Hei-<lb/> rathen oder Verlöbnisse seiner Kinder , mit denen er schon damals operirte:<lb/> sein ältestes Töchterchen bot er dem französischen Thronfolger, seinen kleinen<lb/> Sohn der Erbin von Navarra an. Mit beiden Offerten kam er nicht zum<lb/> Ziele; ja die Prinzessin von Navarra ging 1484 eine französische Ehe ein,<lb/> und für mehr als zwei Jahrzehnte war damit jede Aussicht auf die Annexion<lb/> von Navarra wieder versperrt. Desto bestimmter aber war sein Auge auf<lb/> die Grenzlande Roussillon und Cerdana, die sein Vater verloren, gerichtet.<lb/> Und seiner Beharrlichkeit ist gelungen, den ungünstigen Verhältnissen hier<lb/> eine Concession abzuringen. Gewissermaßen private Verhandlungen wurden<lb/> am französischen Hofe angeknüpft: welchen Werth Ferdinand auf diesen Er¬<lb/> werb legte, hatte er wiederholt angezeigt. Als er sich überzeugte, König<lb/> Karl VIll. werde den Besitz nicht fahren lassen, war er zu einer mäßigen<lb/> militärischen Demonstration bereit: in die Allianz mit England und den<lb/> Habsburgern trat er 148!) ein, welche den Anfall der Bretagne an die fran¬<lb/> zösische Krone zu verhindern geschlossen war. Er unterstützte die Operationen<lb/> der Engländer und Niederländer durch Absendung eines spanischen Hülff-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0170]
dies doppelte Endziel hat Ferdinand durch mehr als dreißig Jahre hindurch
mit zähester Consequenz festgehalten, im einzelnen Momente nach den momen¬
tanen Konstellationen der allgemeinen Lage es modificirend. Wesentliche Lücken
im Endresultate sind freilich geblieben: nicht aller Verhältnisse vermochte er
Herr zu werden oder zu bleiben, aber Großes und Fruchtbares hat er doch
erreicht und für Spanien sicher befestigt. Ein gerade den Politiker mit ge¬
waltigem Zauber festhaltendes Interesse haftet an seiner Erscheinung; und
mehr durch seine diplomatische Virtuosität als durch sein militärisches Glück
spannt er unsere Aufmerksamkeit und Bewunderung auf's höchste.
Als Ferdinand die Negierung in Aragon überkam, fand er die Thatsache
einer sehr empfindlichen Einbuße an Macht, die in letzter Zeit seinem Vater¬
lande beigebracht war, vor. Die Grafschaften Roussillon und Cerdana hatte
man an Frankreich 1462 abtreten müssen, um nur des Besitzes von Catalo-
nien nicht verlustig zu gehen. Auch Navarra war der aragonischer Hand,
die sich nach ihm ausgestreckt und es eine Weile gehalten, entgangen: eine
offene Wunde im eigenen Körper der aragonischer Krone war also nicht zu
verbergen. Gerade an dieser Stelle mußte Ferdinand zu heilen und auszu¬
gleichen suchen; er mußte es unternehmen, den seit dem 13. Jahrhundert hier
an der Grenze von Spanien und Frankreich schwebenden Streit auf eine für
Aragon vortheilhafte Weise zu schlichten, die französischen Fortschritte, die in
den letzten Zeiten offenbar gemacht waren, definitiv zurückzutreiben und die
pyrenäische Halbinsel für immer wieder gegen den unruhigen Nachbar zu
schließen. Sehr bezeichnend war, daß Ferdinand diesen schweren Ring-
kampf sofort mit diplomatischen Mitteln begann. Und zwar sind es die Hei-
rathen oder Verlöbnisse seiner Kinder , mit denen er schon damals operirte:
sein ältestes Töchterchen bot er dem französischen Thronfolger, seinen kleinen
Sohn der Erbin von Navarra an. Mit beiden Offerten kam er nicht zum
Ziele; ja die Prinzessin von Navarra ging 1484 eine französische Ehe ein,
und für mehr als zwei Jahrzehnte war damit jede Aussicht auf die Annexion
von Navarra wieder versperrt. Desto bestimmter aber war sein Auge auf
die Grenzlande Roussillon und Cerdana, die sein Vater verloren, gerichtet.
Und seiner Beharrlichkeit ist gelungen, den ungünstigen Verhältnissen hier
eine Concession abzuringen. Gewissermaßen private Verhandlungen wurden
am französischen Hofe angeknüpft: welchen Werth Ferdinand auf diesen Er¬
werb legte, hatte er wiederholt angezeigt. Als er sich überzeugte, König
Karl VIll. werde den Besitz nicht fahren lassen, war er zu einer mäßigen
militärischen Demonstration bereit: in die Allianz mit England und den
Habsburgern trat er 148!) ein, welche den Anfall der Bretagne an die fran¬
zösische Krone zu verhindern geschlossen war. Er unterstützte die Operationen
der Engländer und Niederländer durch Absendung eines spanischen Hülff-
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