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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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ganze Stellung gesetzlich geregelt werde, was nur auf dem von Preußen und
den anderen deutschen Staaten längst eingeschlagenen Wege geschehen kann,
indem man die Lehrer an höheren Schulen unter das Staatsdiener¬
gesetz stellt.

Was die Wittwenpension anlangt, so können die Lehrer an höhe¬
ren Schulen allerdings ein Gesetz für sich geltend machen, nämlich das alle
Lehrer betreffende Gesetz über die Penfionskasfe für Wittwen und Waisen
der Lehrer an evangelischen Schulen von 1840 resp. 1888. Nach demselben
gehören die Lehrer, welche akademische Studien gemacht haben, der ersten
Pensionsklasse an, welche ohne allen Unterschied des Gehaltes jährlich 8 Tha¬
ler zu zahlen hat und dafür jeder Wittwe einen Anspruch von 75 Thlr.
und jeder Waise von 15 Thlr. jährlich zusichert. Warum gestattet man aber
nicht, wie dies in Preußen und anderwärts Gesetz ist, wenigstens den aka¬
demisch gebildeten Lehrern' sich an der allgemeinen Staatsdiener-Wittwenkasse
zu betheiligen, die doch in einer auskömmlicheren Weise für die Hinterlassenen
sorgt? Denn während ein solcher Lehrer, mag er als Anfänger 460 Thlr.
oder als Rector 1600 Thlr. Gehalt haben, beispielsweise für Wittwe und
drei Waisen ohne Unterschied zusammen nur 120 Thlr. erlangt (was bei den
jetzigen Preisen völlig ungenügend erscheinen muß), erhalten die Wittwe
und drei Waisen eines' Staatsdieners bei 800 Thlr. Gehalt bereits 160 Thlr.,
bei 1000 Thlr. Gehalt 200 Thlr., bei 1200 Thlr. Gehalt 240 Thlr., bei
1600 Thlr. Gehalt 320 Thlr. u. s. f.

Unser höheres Schulwesen hat in diesem Jahre schmerzlichen Verlust er¬
litten durch den Tod von zwei der gelehrtesten und tüchtigsten Gymnasial-
directoren, welche sich um das sächsische Schulwesen hohe Verdienste erworben
haben. Dieselben hatten außer freier Dienstwohnung einen Gehalt von 1700
resp. 1600 Thlr. Nach dem sächsischen Staatsdienergesetz würden deren Witt¬
wen wenigstens 200 Thlr. Pension erhalten. Und was steht denselben nach
dem Pensionsgesetz für Wittwen und Waisen der Lehrer an evangelischen
Schulen, das auch für sie gilt, gesetzlich zu? -- 75 Thlr., schreibe fünf-
undsiebenzig Thaler!!! Paßt dieser Betrag auch nur einigermaßen zu der
Stellung, welche die Familie eines Gymnasialdirectors auch nach dem Tode
des Ernährers im socialen Leben einnehmen soll? Und gibt diese Thatsache
nicht den schlagendsten Beweis ab für die Geringschätzung, unter welcher der
höhere Lehrerstand in Sachsen bis heute zu leiden hat? Ist etwa das Be¬
wußtsein, daß dieser gesetzliche Pensionsbetrag häufig im Gnadenwege, d. h-
durch ein Almosen aus der Staatskasse auf einen existenzfähigen Betrag ge¬
steigert wird, für den höheren Lehrer ein standesmäßiges, in seinem schweren
Beruf ermuthigendes?

VII. Die Gymnasien und Realschulen, Staats- oder


ganze Stellung gesetzlich geregelt werde, was nur auf dem von Preußen und
den anderen deutschen Staaten längst eingeschlagenen Wege geschehen kann,
indem man die Lehrer an höheren Schulen unter das Staatsdiener¬
gesetz stellt.

Was die Wittwenpension anlangt, so können die Lehrer an höhe¬
ren Schulen allerdings ein Gesetz für sich geltend machen, nämlich das alle
Lehrer betreffende Gesetz über die Penfionskasfe für Wittwen und Waisen
der Lehrer an evangelischen Schulen von 1840 resp. 1888. Nach demselben
gehören die Lehrer, welche akademische Studien gemacht haben, der ersten
Pensionsklasse an, welche ohne allen Unterschied des Gehaltes jährlich 8 Tha¬
ler zu zahlen hat und dafür jeder Wittwe einen Anspruch von 75 Thlr.
und jeder Waise von 15 Thlr. jährlich zusichert. Warum gestattet man aber
nicht, wie dies in Preußen und anderwärts Gesetz ist, wenigstens den aka¬
demisch gebildeten Lehrern' sich an der allgemeinen Staatsdiener-Wittwenkasse
zu betheiligen, die doch in einer auskömmlicheren Weise für die Hinterlassenen
sorgt? Denn während ein solcher Lehrer, mag er als Anfänger 460 Thlr.
oder als Rector 1600 Thlr. Gehalt haben, beispielsweise für Wittwe und
drei Waisen ohne Unterschied zusammen nur 120 Thlr. erlangt (was bei den
jetzigen Preisen völlig ungenügend erscheinen muß), erhalten die Wittwe
und drei Waisen eines' Staatsdieners bei 800 Thlr. Gehalt bereits 160 Thlr.,
bei 1000 Thlr. Gehalt 200 Thlr., bei 1200 Thlr. Gehalt 240 Thlr., bei
1600 Thlr. Gehalt 320 Thlr. u. s. f.

Unser höheres Schulwesen hat in diesem Jahre schmerzlichen Verlust er¬
litten durch den Tod von zwei der gelehrtesten und tüchtigsten Gymnasial-
directoren, welche sich um das sächsische Schulwesen hohe Verdienste erworben
haben. Dieselben hatten außer freier Dienstwohnung einen Gehalt von 1700
resp. 1600 Thlr. Nach dem sächsischen Staatsdienergesetz würden deren Witt¬
wen wenigstens 200 Thlr. Pension erhalten. Und was steht denselben nach
dem Pensionsgesetz für Wittwen und Waisen der Lehrer an evangelischen
Schulen, das auch für sie gilt, gesetzlich zu? — 75 Thlr., schreibe fünf-
undsiebenzig Thaler!!! Paßt dieser Betrag auch nur einigermaßen zu der
Stellung, welche die Familie eines Gymnasialdirectors auch nach dem Tode
des Ernährers im socialen Leben einnehmen soll? Und gibt diese Thatsache
nicht den schlagendsten Beweis ab für die Geringschätzung, unter welcher der
höhere Lehrerstand in Sachsen bis heute zu leiden hat? Ist etwa das Be¬
wußtsein, daß dieser gesetzliche Pensionsbetrag häufig im Gnadenwege, d. h-
durch ein Almosen aus der Staatskasse auf einen existenzfähigen Betrag ge¬
steigert wird, für den höheren Lehrer ein standesmäßiges, in seinem schweren
Beruf ermuthigendes?

VII. Die Gymnasien und Realschulen, Staats- oder


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[0150] ganze Stellung gesetzlich geregelt werde, was nur auf dem von Preußen und den anderen deutschen Staaten längst eingeschlagenen Wege geschehen kann, indem man die Lehrer an höheren Schulen unter das Staatsdiener¬ gesetz stellt. Was die Wittwenpension anlangt, so können die Lehrer an höhe¬ ren Schulen allerdings ein Gesetz für sich geltend machen, nämlich das alle Lehrer betreffende Gesetz über die Penfionskasfe für Wittwen und Waisen der Lehrer an evangelischen Schulen von 1840 resp. 1888. Nach demselben gehören die Lehrer, welche akademische Studien gemacht haben, der ersten Pensionsklasse an, welche ohne allen Unterschied des Gehaltes jährlich 8 Tha¬ ler zu zahlen hat und dafür jeder Wittwe einen Anspruch von 75 Thlr. und jeder Waise von 15 Thlr. jährlich zusichert. Warum gestattet man aber nicht, wie dies in Preußen und anderwärts Gesetz ist, wenigstens den aka¬ demisch gebildeten Lehrern' sich an der allgemeinen Staatsdiener-Wittwenkasse zu betheiligen, die doch in einer auskömmlicheren Weise für die Hinterlassenen sorgt? Denn während ein solcher Lehrer, mag er als Anfänger 460 Thlr. oder als Rector 1600 Thlr. Gehalt haben, beispielsweise für Wittwe und drei Waisen ohne Unterschied zusammen nur 120 Thlr. erlangt (was bei den jetzigen Preisen völlig ungenügend erscheinen muß), erhalten die Wittwe und drei Waisen eines' Staatsdieners bei 800 Thlr. Gehalt bereits 160 Thlr., bei 1000 Thlr. Gehalt 200 Thlr., bei 1200 Thlr. Gehalt 240 Thlr., bei 1600 Thlr. Gehalt 320 Thlr. u. s. f. Unser höheres Schulwesen hat in diesem Jahre schmerzlichen Verlust er¬ litten durch den Tod von zwei der gelehrtesten und tüchtigsten Gymnasial- directoren, welche sich um das sächsische Schulwesen hohe Verdienste erworben haben. Dieselben hatten außer freier Dienstwohnung einen Gehalt von 1700 resp. 1600 Thlr. Nach dem sächsischen Staatsdienergesetz würden deren Witt¬ wen wenigstens 200 Thlr. Pension erhalten. Und was steht denselben nach dem Pensionsgesetz für Wittwen und Waisen der Lehrer an evangelischen Schulen, das auch für sie gilt, gesetzlich zu? — 75 Thlr., schreibe fünf- undsiebenzig Thaler!!! Paßt dieser Betrag auch nur einigermaßen zu der Stellung, welche die Familie eines Gymnasialdirectors auch nach dem Tode des Ernährers im socialen Leben einnehmen soll? Und gibt diese Thatsache nicht den schlagendsten Beweis ab für die Geringschätzung, unter welcher der höhere Lehrerstand in Sachsen bis heute zu leiden hat? Ist etwa das Be¬ wußtsein, daß dieser gesetzliche Pensionsbetrag häufig im Gnadenwege, d. h- durch ein Almosen aus der Staatskasse auf einen existenzfähigen Betrag ge¬ steigert wird, für den höheren Lehrer ein standesmäßiges, in seinem schweren Beruf ermuthigendes? VII. Die Gymnasien und Realschulen, Staats- oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/150>, abgerufen am 11.02.2025.