Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Mühsal, sie ging keiner Gefahr und keinem Hinderniß aus dem Wege. Selbst Und zu diesen Eigenschaften der Königin bildete der Charakter des Man hat vielfach die großen Resultate jener Doppelregierung den Ver¬ Mühsal, sie ging keiner Gefahr und keinem Hinderniß aus dem Wege. Selbst Und zu diesen Eigenschaften der Königin bildete der Charakter des Man hat vielfach die großen Resultate jener Doppelregierung den Ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0134" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192435"/> <p xml:id="ID_508" prev="#ID_507"> Mühsal, sie ging keiner Gefahr und keinem Hinderniß aus dem Wege. Selbst<lb/> voll Verständniß für die Bedürfnisse und die Geschäfte ihres Staates, war<lb/> sie stets willig und bereit, den Rath der verständigen Politiker zu hören, auf-<lb/> zufassen und durchzuführen. Ihr Sinn war erfüllt von der höchsten Fröm¬<lb/> migkeit und Demuth. Ihre Seele lag dem Beichtvater offen: von ihm er¬<lb/> trug sie nicht nur, nein sie erwartete von ihm den strengsten Tadel, die<lb/> herbste Zucht ihres Lebens, um kein kirchliches Gebot zu verletzen. Beson¬<lb/> ders eifrig bemühte sie sich, die kirchlichen Posten mit sittenstrengen Mönchen<lb/> zu besetzen: auf das Ganze der spanischen Kirche hielt sie ihr Auge gerichtet.</p><lb/> <p xml:id="ID_509"> Und zu diesen Eigenschaften der Königin bildete der Charakter des<lb/> Mannes die richtige Ergänzung. Durch und durch ein Verstandesmensch, ein<lb/> überlegter Rechner, ein Realpolitiker, war er ein entschiedener Vertreter des<lb/> Mittelstandes: die unteren Klassen schützte er überall gegen den Adel, auf<lb/> strenge unnachsichtige Gerechtigkeit drang er, sparsam hielt er mit den Finanzen<lb/> der Königreiche Haus: selbst den Vorwurf spröden Geizes hat er nicht ge¬<lb/> scheut. Er war nicht besonders wahrheitsliebend: seine Reden und seine<lb/> Thaten wurden von seinem Interesse bestimmt: von religiösen Motiven und<lb/> kirchlichen Rücksichten, so gottesfürchtig und heilig er auch bisweilen geredet,<lb/> ist gewiß nicht viel in ihm vorhanden gewesen. Wenn Jsabella aus wirk¬<lb/> lich kirchlichem Herzen geredet und gehandelt, so haben Ferdinand zu seiner<lb/> kirchlichen Politik doch nur seine politischen Zwecke bestimmt. Aber in diesen<lb/> kirchlichen Angelegenheiten wie in den politischen Fragen verstand er vor¬<lb/> trefflich, die bestehenden Verhältnisse zu benutzen, die Strömungen des spanischen<lb/> Geistes zu ergreifen und in meisterhafter Berechnung die Entwicklung in heil¬<lb/> same Bahnen zu lenken.</p><lb/> <p xml:id="ID_510" next="#ID_511"> Man hat vielfach die großen Resultate jener Doppelregierung den Ver¬<lb/> diensten Jsabella's in erster Linie zugeschrieben. Der spanische Akademiker<lb/> Clemencin hat in ausführlicher Erörterung das Lob der großen Königin<lb/> verkündet, und W. Prescott, der Historiker jener Epoche par exe<z11si>c:v,<lb/> hat in seiner unübertrefflichen und hinreißenden Erzählung dasselbe Thema<lb/> behandelt und zu allgemeiner Anerkennung jenen Vorzug Jsabellas erhoben.<lb/> Wir können uns dieser Auffassung nicht anschließen. Uns scheint von den<lb/> beiden Fürsten Ferdinand das größere politische Genie gewesen zu sein, der<lb/> eigentliche Kopf des Regimentes und zugleich der thätige Arm der Ausfüh¬<lb/> rung. Jsabellas Größe besteht darin, daß sie den Rath des Gemahles und<lb/> der anderen einsichtigen Minister hörte und befolgte, daß sie auf die noth¬<lb/> wendigen Maßregeln einging und ihre formelle Billigung zu den Regierungs¬<lb/> geschäften ertheilte. Im Innern der spanischen Halbinsel schloß Jsabella sich<lb/> der Einsicht Ferdinands an; nach außen war unstreitig die Leitung ganz aus¬<lb/> schließlich des Gemahles Sache. „Ferdinand hat, — s" urtheilt Macchia-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0134]
Mühsal, sie ging keiner Gefahr und keinem Hinderniß aus dem Wege. Selbst
voll Verständniß für die Bedürfnisse und die Geschäfte ihres Staates, war
sie stets willig und bereit, den Rath der verständigen Politiker zu hören, auf-
zufassen und durchzuführen. Ihr Sinn war erfüllt von der höchsten Fröm¬
migkeit und Demuth. Ihre Seele lag dem Beichtvater offen: von ihm er¬
trug sie nicht nur, nein sie erwartete von ihm den strengsten Tadel, die
herbste Zucht ihres Lebens, um kein kirchliches Gebot zu verletzen. Beson¬
ders eifrig bemühte sie sich, die kirchlichen Posten mit sittenstrengen Mönchen
zu besetzen: auf das Ganze der spanischen Kirche hielt sie ihr Auge gerichtet.
Und zu diesen Eigenschaften der Königin bildete der Charakter des
Mannes die richtige Ergänzung. Durch und durch ein Verstandesmensch, ein
überlegter Rechner, ein Realpolitiker, war er ein entschiedener Vertreter des
Mittelstandes: die unteren Klassen schützte er überall gegen den Adel, auf
strenge unnachsichtige Gerechtigkeit drang er, sparsam hielt er mit den Finanzen
der Königreiche Haus: selbst den Vorwurf spröden Geizes hat er nicht ge¬
scheut. Er war nicht besonders wahrheitsliebend: seine Reden und seine
Thaten wurden von seinem Interesse bestimmt: von religiösen Motiven und
kirchlichen Rücksichten, so gottesfürchtig und heilig er auch bisweilen geredet,
ist gewiß nicht viel in ihm vorhanden gewesen. Wenn Jsabella aus wirk¬
lich kirchlichem Herzen geredet und gehandelt, so haben Ferdinand zu seiner
kirchlichen Politik doch nur seine politischen Zwecke bestimmt. Aber in diesen
kirchlichen Angelegenheiten wie in den politischen Fragen verstand er vor¬
trefflich, die bestehenden Verhältnisse zu benutzen, die Strömungen des spanischen
Geistes zu ergreifen und in meisterhafter Berechnung die Entwicklung in heil¬
same Bahnen zu lenken.
Man hat vielfach die großen Resultate jener Doppelregierung den Ver¬
diensten Jsabella's in erster Linie zugeschrieben. Der spanische Akademiker
Clemencin hat in ausführlicher Erörterung das Lob der großen Königin
verkündet, und W. Prescott, der Historiker jener Epoche par exe<z11si>c:v,
hat in seiner unübertrefflichen und hinreißenden Erzählung dasselbe Thema
behandelt und zu allgemeiner Anerkennung jenen Vorzug Jsabellas erhoben.
Wir können uns dieser Auffassung nicht anschließen. Uns scheint von den
beiden Fürsten Ferdinand das größere politische Genie gewesen zu sein, der
eigentliche Kopf des Regimentes und zugleich der thätige Arm der Ausfüh¬
rung. Jsabellas Größe besteht darin, daß sie den Rath des Gemahles und
der anderen einsichtigen Minister hörte und befolgte, daß sie auf die noth¬
wendigen Maßregeln einging und ihre formelle Billigung zu den Regierungs¬
geschäften ertheilte. Im Innern der spanischen Halbinsel schloß Jsabella sich
der Einsicht Ferdinands an; nach außen war unstreitig die Leitung ganz aus¬
schließlich des Gemahles Sache. „Ferdinand hat, — s" urtheilt Macchia-
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