Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Allerdings, nicht in formellem Acte hat man damals ausgesprochen, Ferdinand und Jsabella -- der Papst hat ihnen später den Ehrennamen Jsabella, am 22. April 1481 geboren, war ein Jahr älter als ihr Ge¬ Allerdings, nicht in formellem Acte hat man damals ausgesprochen, Ferdinand und Jsabella — der Papst hat ihnen später den Ehrennamen Jsabella, am 22. April 1481 geboren, war ein Jahr älter als ihr Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0133" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192434"/> <p xml:id="ID_505"> Allerdings, nicht in formellem Acte hat man damals ausgesprochen,<lb/> daß Castilien und Aragon aufgehört hätten zu existiren und daß ein neues<lb/> spanisches Reich ihre Stelle einnehmen solle. Nein, auf die Aeußerlichkeit<lb/> der Bezeichnung hat man keinen Werth gelegt. Man ließ Sonderverfassung<lb/> und Sonderregierung in beiden Reichen fortbestehen; man duldete, daß in<lb/> Castilien der Name Jsabellas. in Aragon der Ferdinands herrsche; man gab<lb/> den Cortes sogar nach, daß sie die besondere Nechtsverwahrung aussprachen,<lb/> der eine Gatte dürfe sich nicht in die Regierungsangelegenheiten des anderen<lb/> einmischen: die alten Formen blieben aufrecht. Die Vereinigung bestand<lb/> zunächst nur darin, daß die beiden Regenten ein fest verbundenes Paar bil¬<lb/> deten, von einem Willen beseelt, von einer Erkenntniß geleitet. Durch<lb/> das Zusammenleben, durch das Befolgen derselben gemeinsamen Politik konnte<lb/> sich die Einheit des Volkes und des Staates von Spanien weit leichter und<lb/> weit dauerhafter herausbilden, als durch einen Bruch in den Verfassungs-<lb/> formen der beiden Territorien. Und es war ja nicht zu besorgen, daß der<lb/> einheitliche Geist, der in Castilien in castilischen, in Aragon in aragonischer<lb/> Formen waltete, in sich selbst in Zwiespalt gerathe: dereinst, in der Zukunft<lb/> mußten dann auch die beiden Reiche in den Kindern der Könige auf dieselbe<lb/> Persönlichkeit vererben und somit zu dem einheitlichen Geiste der Negierung<lb/> später die einheitliche Form sich hinzusinden.</p><lb/> <p xml:id="ID_506"> Ferdinand und Jsabella — der Papst hat ihnen später den Ehrennamen<lb/> der Katholischen Könige verliehen — bilden ein Herrscherpaar, dem die Ge¬<lb/> schichte nichts gleiches an die Seite zu stellen hat. Ein politisches Genie<lb/> ersten Ranges, verbunden mit einer Frau, die selbständige Bedeutung hat und<lb/> die auch für sich allein zu den hervorragenderen fürstlichen Damen gezählt<lb/> werden müßte: — das ist ein Zusammentreffen, das sich in solcher Weise nicht<lb/> wiederholt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_507" next="#ID_508"> Jsabella, am 22. April 1481 geboren, war ein Jahr älter als ihr Ge¬<lb/> mahl: sie, eine mittelgroße Gestalt mit braunem, ins Röthliche spielenden<lb/> Haare, mit blauen Augen, mit gefälligen einnehmenden Zügen, eine Dame<lb/> von äußerst liebenswürdigem anmuthigem, fröhlichem Wesen, die ihre Umge¬<lb/> bung vollständig zu bezaubern pflegte: er, eine leichte, gewandte Erscheinung,<lb/> elegant und gewinnend in seinem Auftreten, mit großer natürlicher Bered¬<lb/> samkeit ausgestattet, ein leidenschaftlicher Reiter und Jäger, auch bisweilen<lb/> ein Liebhaber fremder Frauen. Das Verhältniß zwischen den Gatten war<lb/> ein gutes: die Königin blieb dem Gemahle zugethan und ergeben, auch wenn<lb/> seine eheliche Treue bisweilen ihr Anlaß zu Klagen und Verdrießlichkeiten<lb/> bot. Sie war eine sorgsame Gattin und aufmerksame Mutter; die Erziehung<lb/> der Töchter bewachte und leitete sie mit eifrigstem Fleiße. Und in ihrem<lb/> königlichen Berufe war sie unermüdlich; sie entsagte keiner Beschwerde und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0133]
Allerdings, nicht in formellem Acte hat man damals ausgesprochen,
daß Castilien und Aragon aufgehört hätten zu existiren und daß ein neues
spanisches Reich ihre Stelle einnehmen solle. Nein, auf die Aeußerlichkeit
der Bezeichnung hat man keinen Werth gelegt. Man ließ Sonderverfassung
und Sonderregierung in beiden Reichen fortbestehen; man duldete, daß in
Castilien der Name Jsabellas. in Aragon der Ferdinands herrsche; man gab
den Cortes sogar nach, daß sie die besondere Nechtsverwahrung aussprachen,
der eine Gatte dürfe sich nicht in die Regierungsangelegenheiten des anderen
einmischen: die alten Formen blieben aufrecht. Die Vereinigung bestand
zunächst nur darin, daß die beiden Regenten ein fest verbundenes Paar bil¬
deten, von einem Willen beseelt, von einer Erkenntniß geleitet. Durch
das Zusammenleben, durch das Befolgen derselben gemeinsamen Politik konnte
sich die Einheit des Volkes und des Staates von Spanien weit leichter und
weit dauerhafter herausbilden, als durch einen Bruch in den Verfassungs-
formen der beiden Territorien. Und es war ja nicht zu besorgen, daß der
einheitliche Geist, der in Castilien in castilischen, in Aragon in aragonischer
Formen waltete, in sich selbst in Zwiespalt gerathe: dereinst, in der Zukunft
mußten dann auch die beiden Reiche in den Kindern der Könige auf dieselbe
Persönlichkeit vererben und somit zu dem einheitlichen Geiste der Negierung
später die einheitliche Form sich hinzusinden.
Ferdinand und Jsabella — der Papst hat ihnen später den Ehrennamen
der Katholischen Könige verliehen — bilden ein Herrscherpaar, dem die Ge¬
schichte nichts gleiches an die Seite zu stellen hat. Ein politisches Genie
ersten Ranges, verbunden mit einer Frau, die selbständige Bedeutung hat und
die auch für sich allein zu den hervorragenderen fürstlichen Damen gezählt
werden müßte: — das ist ein Zusammentreffen, das sich in solcher Weise nicht
wiederholt hat.
Jsabella, am 22. April 1481 geboren, war ein Jahr älter als ihr Ge¬
mahl: sie, eine mittelgroße Gestalt mit braunem, ins Röthliche spielenden
Haare, mit blauen Augen, mit gefälligen einnehmenden Zügen, eine Dame
von äußerst liebenswürdigem anmuthigem, fröhlichem Wesen, die ihre Umge¬
bung vollständig zu bezaubern pflegte: er, eine leichte, gewandte Erscheinung,
elegant und gewinnend in seinem Auftreten, mit großer natürlicher Bered¬
samkeit ausgestattet, ein leidenschaftlicher Reiter und Jäger, auch bisweilen
ein Liebhaber fremder Frauen. Das Verhältniß zwischen den Gatten war
ein gutes: die Königin blieb dem Gemahle zugethan und ergeben, auch wenn
seine eheliche Treue bisweilen ihr Anlaß zu Klagen und Verdrießlichkeiten
bot. Sie war eine sorgsame Gattin und aufmerksame Mutter; die Erziehung
der Töchter bewachte und leitete sie mit eifrigstem Fleiße. Und in ihrem
königlichen Berufe war sie unermüdlich; sie entsagte keiner Beschwerde und
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