Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.herbeizurufen. Die jungen Herzöge fühlten sich immer unbehaglicher in der Endlich gaben die Vormünder: der Oheim Herzog Johann Friedrich von Die helle Sonne des 3. Mai 1S63 lacht fröhlich und lockend durch herbeizurufen. Die jungen Herzöge fühlten sich immer unbehaglicher in der Endlich gaben die Vormünder: der Oheim Herzog Johann Friedrich von Die helle Sonne des 3. Mai 1S63 lacht fröhlich und lockend durch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0012" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192312"/> <p xml:id="ID_16" prev="#ID_15"> herbeizurufen. Die jungen Herzöge fühlten sich immer unbehaglicher in der<lb/> verödeten kleinen Universitätsstadt — die stille Heimat ward ihnen zu eng —<lb/> sie sehnten sich hinaus in die weite, bunte, lockende Welt! Dabei ging ihnen<lb/> alle Lust am Arbeiten verloren, sie verbrachten die Zeit damit, an Mutter<lb/> und Schwestern, Bruder und Vormünder Briefe zu schreiben — voll immer<lb/> wiederkehrender Bitten, eine andere Universität beziehen zu dürfen. Der Lec-<lb/> tionövlan Meister Philipp's kam fast ganz in Vergessenheit.</p><lb/> <p xml:id="ID_17"> Endlich gaben die Vormünder: der Oheim Herzog Johann Friedrich von<lb/> Sachsen — „die Königliche Würde zu Polen" — und Fürst Wolfgang zu<lb/> Anhalt den jugendlich ungestümen Bitten der fürstlichen Studenten nach.<lb/> Ernstlich wurde die Wahl einer geeigneten Universität in's Auge gefaßt, aus<lb/> der die jungen Herzöge mit Erfolg weiter studiren konnten. Herzog Johann<lb/> Friedrich von Sachsen stimmte für die Hochschule Jena, an deren Gründung er<lb/> so innigen Antheil hatte und wo das akademische Leben und die Wissenschaften<lb/> jetzt grade in voller Frühlingsblüthe standen. Aber die Herzogin-Witwe Maria,<lb/> die besorgte Mutter, wollte von Jena nichts wissen — die Rauflust der<lb/> Jenenser Studenten war schon damals bei allen Völkern übel berüchtigt. . .<lb/> und grade in Pommern flössen ja noch reichlich die Mutterthränen um den<lb/> jungen pommerschen Edlen Christian von Podevils. der vor kaum einem<lb/> Jahr als Jenenser Student bei einer abendlichen Studentenrauferei auf offe¬<lb/> ner Gasse erstochen ward. Die fromme Tochter Johann Friedrich des Gro߬<lb/> müthigen stimmte lebhaft für ihr heimatliches Wittenberg, das sie so oft in Be¬<lb/> gleitung ihres Vaters besucht hatte — in dessen Kirche sie ihrem seligen<lb/> Gatten durch Luther's Hand verbunden war. Wie oft hatte Johann<lb/> Friedrich doch seine Kinder zu Luther und Melanchthon in's Haus geführt,<lb/> um sie mit einem frommen Kernworte aus dem Munde der verehrten Män¬<lb/> ner und — mit einem schäumenden Becher Eindecker Biers zu erquicken. Die<lb/> treue Mutter sah ihr Wittenberg noch immer in dem reinen Glänze leuchten,<lb/> den Luther und Melanchthon zu ihrer Mädchenzeit darüber ausgossen.<lb/> Sie war glücklich, als sie die Vormünder überredet hatte — als es für ihre<lb/> Söhne Ernst Ludwig und Barnim hieß: Auf! nach Wittenberg! —</p><lb/> <p xml:id="ID_18" next="#ID_19"> Die helle Sonne des 3. Mai 1S63 lacht fröhlich und lockend durch<lb/> die kleinen bunten Scheiben des alten herzoglichen Residenzschlosses zu Wol¬<lb/> gast. In der weiten Halle, deren Wände im Schmuck von stattlichen Hirsch¬<lb/> geweihen, blanken Waffen und den großen Bildnissen alter todter Herzoge<lb/> von Pommern und Rügen und ihrer Gemahlinnen prangen, herrscht ein reges<lb/> buntes Leben. Der ganze Hof ist versammelt — alte ehrwürdige Räthe in<lb/> langen ernsten Gewändern und der glänzend geschmückte hohe Adel von Vor¬<lb/> pommern und Rügen. Auf hochlehnigen Stühlen, aus dem heimatlichen der¬<lb/> ben Eichenholze wunderlich geschnitzt, die rothen Sammetkissen von den fiel-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
herbeizurufen. Die jungen Herzöge fühlten sich immer unbehaglicher in der
verödeten kleinen Universitätsstadt — die stille Heimat ward ihnen zu eng —
sie sehnten sich hinaus in die weite, bunte, lockende Welt! Dabei ging ihnen
alle Lust am Arbeiten verloren, sie verbrachten die Zeit damit, an Mutter
und Schwestern, Bruder und Vormünder Briefe zu schreiben — voll immer
wiederkehrender Bitten, eine andere Universität beziehen zu dürfen. Der Lec-
tionövlan Meister Philipp's kam fast ganz in Vergessenheit.
Endlich gaben die Vormünder: der Oheim Herzog Johann Friedrich von
Sachsen — „die Königliche Würde zu Polen" — und Fürst Wolfgang zu
Anhalt den jugendlich ungestümen Bitten der fürstlichen Studenten nach.
Ernstlich wurde die Wahl einer geeigneten Universität in's Auge gefaßt, aus
der die jungen Herzöge mit Erfolg weiter studiren konnten. Herzog Johann
Friedrich von Sachsen stimmte für die Hochschule Jena, an deren Gründung er
so innigen Antheil hatte und wo das akademische Leben und die Wissenschaften
jetzt grade in voller Frühlingsblüthe standen. Aber die Herzogin-Witwe Maria,
die besorgte Mutter, wollte von Jena nichts wissen — die Rauflust der
Jenenser Studenten war schon damals bei allen Völkern übel berüchtigt. . .
und grade in Pommern flössen ja noch reichlich die Mutterthränen um den
jungen pommerschen Edlen Christian von Podevils. der vor kaum einem
Jahr als Jenenser Student bei einer abendlichen Studentenrauferei auf offe¬
ner Gasse erstochen ward. Die fromme Tochter Johann Friedrich des Gro߬
müthigen stimmte lebhaft für ihr heimatliches Wittenberg, das sie so oft in Be¬
gleitung ihres Vaters besucht hatte — in dessen Kirche sie ihrem seligen
Gatten durch Luther's Hand verbunden war. Wie oft hatte Johann
Friedrich doch seine Kinder zu Luther und Melanchthon in's Haus geführt,
um sie mit einem frommen Kernworte aus dem Munde der verehrten Män¬
ner und — mit einem schäumenden Becher Eindecker Biers zu erquicken. Die
treue Mutter sah ihr Wittenberg noch immer in dem reinen Glänze leuchten,
den Luther und Melanchthon zu ihrer Mädchenzeit darüber ausgossen.
Sie war glücklich, als sie die Vormünder überredet hatte — als es für ihre
Söhne Ernst Ludwig und Barnim hieß: Auf! nach Wittenberg! —
Die helle Sonne des 3. Mai 1S63 lacht fröhlich und lockend durch
die kleinen bunten Scheiben des alten herzoglichen Residenzschlosses zu Wol¬
gast. In der weiten Halle, deren Wände im Schmuck von stattlichen Hirsch¬
geweihen, blanken Waffen und den großen Bildnissen alter todter Herzoge
von Pommern und Rügen und ihrer Gemahlinnen prangen, herrscht ein reges
buntes Leben. Der ganze Hof ist versammelt — alte ehrwürdige Räthe in
langen ernsten Gewändern und der glänzend geschmückte hohe Adel von Vor¬
pommern und Rügen. Auf hochlehnigen Stühlen, aus dem heimatlichen der¬
ben Eichenholze wunderlich geschnitzt, die rothen Sammetkissen von den fiel-
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