Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.und Abschied ("Es schlug mein Herz: geschwind zu Pferde!"), Morgenständ¬ Goethe stellt in Wahrheit und Dichtung im 17ten Buch: "Herz, mein
1774 gab Bürger die erste Probe zu der von Herder geforderten neuen, "Der untreue Knabe" dürfte sich zu Bürgers Lenore verhalten wie das
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und Abschied („Es schlug mein Herz: geschwind zu Pferde!"), Morgenständ¬ Goethe stellt in Wahrheit und Dichtung im 17ten Buch: „Herz, mein
1774 gab Bürger die erste Probe zu der von Herder geforderten neuen, „Der untreue Knabe" dürfte sich zu Bürgers Lenore verhalten wie das
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<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0105" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192405"/> <p xml:id="ID_399" prev="#ID_398"> und Abschied („Es schlug mein Herz: geschwind zu Pferde!"), Morgenständ¬<lb/> chen („Erwache Friederike"), Mit einem gemalten Band („Kleine Blumen,<lb/> kleine Blätter"), Mit einem goldnen Halskettchen („Dir darf dies Blatt ein<lb/> Kettchen bringen"), Als ich in Saarbrücken war („Wo bist du itzt, mein un¬<lb/> vergeßlich Mädchen?"), Neue Liebe, neues Leben („Herz, mein Herz, was<lb/> soll das geben!"), Maillet („Wie herrlich leuchtet mir die Natur?"), An die<lb/> Erwählte („Hand in Hand! und Lipp' auf Lippe"), Entfernung von der Ge¬<lb/> liebten („Ach bist du fort?"), „Ein grauer, trüber Morgen/'</p><lb/> <p xml:id="ID_400"> Goethe stellt in Wahrheit und Dichtung im 17ten Buch: „Herz, mein<lb/> Herz, was soll das geben?" (auf Friederike), und: „Warum ziehst du mich<lb/> unwiderstehlich" (auf Lili) zusammen und bemerkt: „Hat man sich diese Lieder<lb/> aufmerksam vorgelesen, lieber noch mit Gefühl vorgesungen, so wird<lb/> ein Hauch jener glücklichen Stunden gewiß vorüberwehen!" „Ja allerdings!<lb/> jene „glücklichen Stunden" haben diese süßen, herzinnigen Lieder geboren; sie<lb/> strömten, wie es Herder wollte, aus dem Nothdrang der Leidenschaft; sie<lb/> führen, gesungen, die sympathisch gestimmte Seele „mit unendlicher Gewalt"<lb/> dorthin zurück:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_23" type="poem"> <l> Und an diesem Zauberfädcheu.<lb/> Das sich nicht zerreißen läßt,<lb/> Hält das liebe lose Mädchen<lb/> Mich so wider Willen fest;<lb/> Muß in ihrem Zauberkreise<lb/> Leben um auf ihre Weise.<lb/> Die Vereint'rung, ach! wie groß!<lb/> Liebe! Liebe, laß mich los. —</l> <l> Reizender ist mir des Frühlings Blüthe<lb/> Nun nicht auf der Flur;<lb/> Wo du, Engel, bist, ist Lieb' und Güte,<lb/> Wo du bist. Natur!--</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_401"> 1774 gab Bürger die erste Probe zu der von Herder geforderten neuen,<lb/> echten deutschen Nomanzenweise. Goethe trug die Lenore vielfach vor. Sollte<lb/> es nicht auch hier, wie beim Haidenröslein geschehen sein, daß es der Wecker<lb/> Ward für einen schlafenden Trieb seiner eigenen Seele? War nicht auch die¬<lb/> ser Ton natürlich, frisch, poetisch? schlug er nicht in dem unendlich reich be¬<lb/> saiteten Herzen gleichgestimmtes Singen und Klingen wach?</p><lb/> <p xml:id="ID_402"> „Der untreue Knabe" dürfte sich zu Bürgers Lenore verhalten wie das<lb/> "Veilchen" zum ursprünglichen „Röschen auf der Haide." Es zeigt sich in<lb/> diesem Beispiel, wie viel denn doch selbst dieser volle, große, geniale Mensch<lb/> Außenwelt verdankt.</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_24" type="poem"> <l> Es war ein Knabe frech genung,<lb/> War erst aus Frankreich kommen.</l> </lg> </quote><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenziwie» >>. >57>. 83</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0105]
und Abschied („Es schlug mein Herz: geschwind zu Pferde!"), Morgenständ¬
chen („Erwache Friederike"), Mit einem gemalten Band („Kleine Blumen,
kleine Blätter"), Mit einem goldnen Halskettchen („Dir darf dies Blatt ein
Kettchen bringen"), Als ich in Saarbrücken war („Wo bist du itzt, mein un¬
vergeßlich Mädchen?"), Neue Liebe, neues Leben („Herz, mein Herz, was
soll das geben!"), Maillet („Wie herrlich leuchtet mir die Natur?"), An die
Erwählte („Hand in Hand! und Lipp' auf Lippe"), Entfernung von der Ge¬
liebten („Ach bist du fort?"), „Ein grauer, trüber Morgen/'
Goethe stellt in Wahrheit und Dichtung im 17ten Buch: „Herz, mein
Herz, was soll das geben?" (auf Friederike), und: „Warum ziehst du mich
unwiderstehlich" (auf Lili) zusammen und bemerkt: „Hat man sich diese Lieder
aufmerksam vorgelesen, lieber noch mit Gefühl vorgesungen, so wird
ein Hauch jener glücklichen Stunden gewiß vorüberwehen!" „Ja allerdings!
jene „glücklichen Stunden" haben diese süßen, herzinnigen Lieder geboren; sie
strömten, wie es Herder wollte, aus dem Nothdrang der Leidenschaft; sie
führen, gesungen, die sympathisch gestimmte Seele „mit unendlicher Gewalt"
dorthin zurück:
Und an diesem Zauberfädcheu.
Das sich nicht zerreißen läßt,
Hält das liebe lose Mädchen
Mich so wider Willen fest;
Muß in ihrem Zauberkreise
Leben um auf ihre Weise.
Die Vereint'rung, ach! wie groß!
Liebe! Liebe, laß mich los. — Reizender ist mir des Frühlings Blüthe
Nun nicht auf der Flur;
Wo du, Engel, bist, ist Lieb' und Güte,
Wo du bist. Natur!--
1774 gab Bürger die erste Probe zu der von Herder geforderten neuen,
echten deutschen Nomanzenweise. Goethe trug die Lenore vielfach vor. Sollte
es nicht auch hier, wie beim Haidenröslein geschehen sein, daß es der Wecker
Ward für einen schlafenden Trieb seiner eigenen Seele? War nicht auch die¬
ser Ton natürlich, frisch, poetisch? schlug er nicht in dem unendlich reich be¬
saiteten Herzen gleichgestimmtes Singen und Klingen wach?
„Der untreue Knabe" dürfte sich zu Bürgers Lenore verhalten wie das
"Veilchen" zum ursprünglichen „Röschen auf der Haide." Es zeigt sich in
diesem Beispiel, wie viel denn doch selbst dieser volle, große, geniale Mensch
Außenwelt verdankt.
Es war ein Knabe frech genung,
War erst aus Frankreich kommen.
Grenziwie» >>. >57>. 83
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