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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Revision der Preßgesetzgebung ihrer Länder entschlossen selbst Hand anlegten.
Leichter dürfte ihnen werden, ihre überlebten und abgestandenen PreßgeseKe auf
den Altar des allgemeinen deutschen Vaterlandes niederzulegen, und sie von
den läuternden Flammen einer liberalen und zeitgemäßen deutschen Reichsge¬
setzgebung verzehren zu lassen, als ihren Einzelständen gegenüber einen uner¬
quicklichen Kampf um deren Beibehaltung, Aufgebung oder Abänderung
zu führen.

Vor allem vergesse man nicht, daß die eigentlich praktischen Wirkungen
der verschiedenen Arten von Preßgesetzgebung - -- so weit man nämlich sich
einbildet, dadurch die Presse in ihrer Entwicklung bestimmen, hemmen oder
lenken zu wollen -- nicht entfernt im Verhältniß stehen mit dem weitreichen¬
den Odium, welches jede recictionäre oder auch nur liberale Maßregel gegen
die Presse auf die Regierung wirft, welche sich darauf einläßt.

Je weniger Umstände man daher mit der Revision der Preßgesetzgebung
im ganzen deutschen Reiche macht, je weniger Staub man dabei aufwirbelt,
je weniger man sich anstellt, als ob Wohl und Wehe des ganzen Reichs oder eines
einzelnen Bundesstaates davon abhängen, daß ein Zeitungsartikel oder eine
Carricatur unterdrückt werde, desto besser wird es sein, denn desto offenkundiger
im In- und Auslande wird es werden, daß das deutsche Reich ein auf ge¬
sunden und festen Grundlagen ruhendes, die deutsche Reichsregierung eine
starke ist. eine solche, deren Kraft wesentlich auf dem Bewußtsein ihrer Ueber¬
ü. einstimmung mit dem Geiste der Nation beruht.




Die Katholische Bewegung in Aaiern.

Das einzige, aber auch das große Interesse, welches unsere inneren
Zustände gegenwärtig bieten, beruht noch immer auf der religiösen Frage.
In ihr wurzelt die Bedeutung, die Baiern in der kommenden Zeit für Deutsch¬
land hat, und wenn auch die Bewegung längst ihren localen Charakter ver¬
lor, so ist doch die süddeutsche Residenz noch stets ihr Hauptquartier.

Beim Beginne derselben mußten sich die Leiter sagen, daß etwas ange¬
fangen werde, was nicht mehr aufhören dürfe, ohne der guten Sache den
größten Schaden zu thun. Denn soviel war klar, daß jeder Stillstand der
begonnenen Agitation den vollen Triumph der Gegner besiegeln würde, zumal


Revision der Preßgesetzgebung ihrer Länder entschlossen selbst Hand anlegten.
Leichter dürfte ihnen werden, ihre überlebten und abgestandenen PreßgeseKe auf
den Altar des allgemeinen deutschen Vaterlandes niederzulegen, und sie von
den läuternden Flammen einer liberalen und zeitgemäßen deutschen Reichsge¬
setzgebung verzehren zu lassen, als ihren Einzelständen gegenüber einen uner¬
quicklichen Kampf um deren Beibehaltung, Aufgebung oder Abänderung
zu führen.

Vor allem vergesse man nicht, daß die eigentlich praktischen Wirkungen
der verschiedenen Arten von Preßgesetzgebung - — so weit man nämlich sich
einbildet, dadurch die Presse in ihrer Entwicklung bestimmen, hemmen oder
lenken zu wollen — nicht entfernt im Verhältniß stehen mit dem weitreichen¬
den Odium, welches jede recictionäre oder auch nur liberale Maßregel gegen
die Presse auf die Regierung wirft, welche sich darauf einläßt.

Je weniger Umstände man daher mit der Revision der Preßgesetzgebung
im ganzen deutschen Reiche macht, je weniger Staub man dabei aufwirbelt,
je weniger man sich anstellt, als ob Wohl und Wehe des ganzen Reichs oder eines
einzelnen Bundesstaates davon abhängen, daß ein Zeitungsartikel oder eine
Carricatur unterdrückt werde, desto besser wird es sein, denn desto offenkundiger
im In- und Auslande wird es werden, daß das deutsche Reich ein auf ge¬
sunden und festen Grundlagen ruhendes, die deutsche Reichsregierung eine
starke ist. eine solche, deren Kraft wesentlich auf dem Bewußtsein ihrer Ueber¬
ü. einstimmung mit dem Geiste der Nation beruht.




Die Katholische Bewegung in Aaiern.

Das einzige, aber auch das große Interesse, welches unsere inneren
Zustände gegenwärtig bieten, beruht noch immer auf der religiösen Frage.
In ihr wurzelt die Bedeutung, die Baiern in der kommenden Zeit für Deutsch¬
land hat, und wenn auch die Bewegung längst ihren localen Charakter ver¬
lor, so ist doch die süddeutsche Residenz noch stets ihr Hauptquartier.

Beim Beginne derselben mußten sich die Leiter sagen, daß etwas ange¬
fangen werde, was nicht mehr aufhören dürfe, ohne der guten Sache den
größten Schaden zu thun. Denn soviel war klar, daß jeder Stillstand der
begonnenen Agitation den vollen Triumph der Gegner besiegeln würde, zumal


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[0078] Revision der Preßgesetzgebung ihrer Länder entschlossen selbst Hand anlegten. Leichter dürfte ihnen werden, ihre überlebten und abgestandenen PreßgeseKe auf den Altar des allgemeinen deutschen Vaterlandes niederzulegen, und sie von den läuternden Flammen einer liberalen und zeitgemäßen deutschen Reichsge¬ setzgebung verzehren zu lassen, als ihren Einzelständen gegenüber einen uner¬ quicklichen Kampf um deren Beibehaltung, Aufgebung oder Abänderung zu führen. Vor allem vergesse man nicht, daß die eigentlich praktischen Wirkungen der verschiedenen Arten von Preßgesetzgebung - — so weit man nämlich sich einbildet, dadurch die Presse in ihrer Entwicklung bestimmen, hemmen oder lenken zu wollen — nicht entfernt im Verhältniß stehen mit dem weitreichen¬ den Odium, welches jede recictionäre oder auch nur liberale Maßregel gegen die Presse auf die Regierung wirft, welche sich darauf einläßt. Je weniger Umstände man daher mit der Revision der Preßgesetzgebung im ganzen deutschen Reiche macht, je weniger Staub man dabei aufwirbelt, je weniger man sich anstellt, als ob Wohl und Wehe des ganzen Reichs oder eines einzelnen Bundesstaates davon abhängen, daß ein Zeitungsartikel oder eine Carricatur unterdrückt werde, desto besser wird es sein, denn desto offenkundiger im In- und Auslande wird es werden, daß das deutsche Reich ein auf ge¬ sunden und festen Grundlagen ruhendes, die deutsche Reichsregierung eine starke ist. eine solche, deren Kraft wesentlich auf dem Bewußtsein ihrer Ueber¬ ü. einstimmung mit dem Geiste der Nation beruht. Die Katholische Bewegung in Aaiern. Das einzige, aber auch das große Interesse, welches unsere inneren Zustände gegenwärtig bieten, beruht noch immer auf der religiösen Frage. In ihr wurzelt die Bedeutung, die Baiern in der kommenden Zeit für Deutsch¬ land hat, und wenn auch die Bewegung längst ihren localen Charakter ver¬ lor, so ist doch die süddeutsche Residenz noch stets ihr Hauptquartier. Beim Beginne derselben mußten sich die Leiter sagen, daß etwas ange¬ fangen werde, was nicht mehr aufhören dürfe, ohne der guten Sache den größten Schaden zu thun. Denn soviel war klar, daß jeder Stillstand der begonnenen Agitation den vollen Triumph der Gegner besiegeln würde, zumal

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/78>, abgerufen am 24.07.2024.