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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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außer ihm zur Verantwortung gezogen werden, es sei denn, daß Umstände
vorlagen, welche die Mitwissenschaft Anderer um den strafbaren Inhalt des
Preßerzeugnisses außer Zweifel stellten. Vertriebsverbote von Zeitschriften ver¬
wirft der Verf. des Referats absolut, selbst nach einer mehrfachen gerichtlichen
Verurtheilung (wo das sächsische Preßgesetz solche in Bezug auf inländische
Zeitschriften noch zuläßt). Beschlagnahme will er allenfalls gelten lassen, da
er zweifelt, daß der Bundesrath sie ausgeben werde, aber er stellt ein ganzes
Bollwerk von Garantien auf gegen den möglichen Mißbrauch.

Am Schlüsse werden sodann "alle Gesetze und Verordnungen in den ein¬
zelnen Bundesstaaten" für "ungültig" erklärt, "welche den Bestimmungen
dieses Gesetzes widersprechen, oder welche der Presse und dem Preßgewerbe
Leistungen oder Verpflichtungen auferlegen, die in diesem Gesetze "keine Be¬
gründung finden". Ausdrücklich aufzuheben wären "die Zeitungseautionen" (in
Sachsen, Weimar, Baden u. s. w. bereits aufgehoben), der Zeitungsstempel
(über den schon so lange schwere Klage, namentlich in Preußen, geführt wird!),
so wie jede andere Art von Besteuerung oder Belastung einzelner Preßerzeug¬
nisse neben der allgemeinen Gewerbesteuer für die Preßgewerbe."

Was alles für Beschränkungen der Presse, die mehr oder minder in allen
oder doch vielen deutschen Staaten noch bestehen, dadurch in Wegfall kommen
würden, geht aus der Zusammenstellung hervor, die der Verf. des Referates
am Schlüsse der "Motive" gibt. Dort heißt es zu Z 10:

"Das heißt allerdings gründlich tabula räh", machen und ein auf solchen
Grundlagen errichtetes deutsches Preßgesetz würde ebenso ein Muster von Frei¬
sinnigkeit sein, wie die weiland Preßgesetze des alten Bundestags Muster von
Engherzigkeit, Furcht vor der Presse und Lust an der Knechtung und Ernie¬
drigung derselben darstellten."

Daß die Vertreter der Presse und namentlich der Tagespresse, die insbe¬
sondere von den noch immer nur zu sehr überwuchernden Resten des Präven¬
tivsystems und der Polizeiwillkür in unsern Specialpreßgesetzgebungen am mei¬
sten zu leiden hat, Borschlägen, wie die hier gemachten, ihre Zustimmung
nicht versagen werden, ist wohl anzunehmen. Auch die liberale Reichstags¬
majorität dürfte davor schwerlich zurückscheuen. Ob aber die im Bundesrathe
vereinigten Regierungen darauf eingehen werden, die damit ja freilich ihre
eigenen zum Theil sehr weit dagegen zurückstehender Preßgesetze (z. B. des
preußische von 1851) selbst verurtheilen müßten, das ist eine andere Frage.
Indeß verurtheilt sind jene völlig veralteten Preßgesetze von der öffentlichen
Meinung bereits entschieden und die betreffenden Regierungen können nichts
Besseres thun, als dem Beispiele derer unter ihnen zu folgen, welche,
wie die badische, die weimarische und die königlich sächsische an eine gründliche


außer ihm zur Verantwortung gezogen werden, es sei denn, daß Umstände
vorlagen, welche die Mitwissenschaft Anderer um den strafbaren Inhalt des
Preßerzeugnisses außer Zweifel stellten. Vertriebsverbote von Zeitschriften ver¬
wirft der Verf. des Referats absolut, selbst nach einer mehrfachen gerichtlichen
Verurtheilung (wo das sächsische Preßgesetz solche in Bezug auf inländische
Zeitschriften noch zuläßt). Beschlagnahme will er allenfalls gelten lassen, da
er zweifelt, daß der Bundesrath sie ausgeben werde, aber er stellt ein ganzes
Bollwerk von Garantien auf gegen den möglichen Mißbrauch.

Am Schlüsse werden sodann „alle Gesetze und Verordnungen in den ein¬
zelnen Bundesstaaten" für „ungültig" erklärt, „welche den Bestimmungen
dieses Gesetzes widersprechen, oder welche der Presse und dem Preßgewerbe
Leistungen oder Verpflichtungen auferlegen, die in diesem Gesetze „keine Be¬
gründung finden". Ausdrücklich aufzuheben wären „die Zeitungseautionen" (in
Sachsen, Weimar, Baden u. s. w. bereits aufgehoben), der Zeitungsstempel
(über den schon so lange schwere Klage, namentlich in Preußen, geführt wird!),
so wie jede andere Art von Besteuerung oder Belastung einzelner Preßerzeug¬
nisse neben der allgemeinen Gewerbesteuer für die Preßgewerbe."

Was alles für Beschränkungen der Presse, die mehr oder minder in allen
oder doch vielen deutschen Staaten noch bestehen, dadurch in Wegfall kommen
würden, geht aus der Zusammenstellung hervor, die der Verf. des Referates
am Schlüsse der „Motive" gibt. Dort heißt es zu Z 10:

„Das heißt allerdings gründlich tabula räh«, machen und ein auf solchen
Grundlagen errichtetes deutsches Preßgesetz würde ebenso ein Muster von Frei¬
sinnigkeit sein, wie die weiland Preßgesetze des alten Bundestags Muster von
Engherzigkeit, Furcht vor der Presse und Lust an der Knechtung und Ernie¬
drigung derselben darstellten."

Daß die Vertreter der Presse und namentlich der Tagespresse, die insbe¬
sondere von den noch immer nur zu sehr überwuchernden Resten des Präven¬
tivsystems und der Polizeiwillkür in unsern Specialpreßgesetzgebungen am mei¬
sten zu leiden hat, Borschlägen, wie die hier gemachten, ihre Zustimmung
nicht versagen werden, ist wohl anzunehmen. Auch die liberale Reichstags¬
majorität dürfte davor schwerlich zurückscheuen. Ob aber die im Bundesrathe
vereinigten Regierungen darauf eingehen werden, die damit ja freilich ihre
eigenen zum Theil sehr weit dagegen zurückstehender Preßgesetze (z. B. des
preußische von 1851) selbst verurtheilen müßten, das ist eine andere Frage.
Indeß verurtheilt sind jene völlig veralteten Preßgesetze von der öffentlichen
Meinung bereits entschieden und die betreffenden Regierungen können nichts
Besseres thun, als dem Beispiele derer unter ihnen zu folgen, welche,
wie die badische, die weimarische und die königlich sächsische an eine gründliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/77>, abgerufen am 24.07.2024.