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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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garde aufzurufen als die hauptsächlichste Vertreterin der Ordnung und als
zusammengesetzt aus den würdigsten Bürgern Roms. Die Nationalgarde wird
ohne allen Zweifel die beste Bürgschaft für die Freiheit und die öffentliche
R Gabba." uhe sein.

Ich glaube, daß von diesen siebentausend Nationalgardisten nicht zehn
diese Ansprache unbeachtet gelassen haben. Man sieht nicht einen von ihnen
ausgegangen, sie sind alle in ihren verschiedenen Quartieren und werden fünf
Tage unter den Waffen bleiben, bis alle Gefahr vorüber ist. Wenn man
bedenkt, daß diese Nationalgarten gerade die Römer sind, welche von den
jetzt unter ihren Schutz gestellten Ultramontanen Jahre lang unterdrückt
worden sind, so kann man nicht umhin, den großmüthigen Geist tiefer
Freiheit zu bewundern, der diese Bürgersoldaten beseelt. Das ist's aber ge¬
rade, was die Jesuiten und ihre Verbündeten am meisten zu verdrießen scheint.
Ich bin selbst bei verschiedenen Gelegenheiten Zeuge von Aeußerungen des
grimmigen Hasses gegen die nationalen Bestrebungen der Italiener gewesen,
welchen diese ultramontanen Pilgrime im Herzen tragen. Gestern Abend saß
ich mit einem Freunde vor einem Kaffeehause und discutirte mit demselben
die neuesten telegraphischen Nachrichten aus Frankreich. Ein Priester, welcher
vorbeiging, blieb plötzlich stehen und schrie, indem er seinen Stock erhob:
"Was haben Sie hier gegen die Priester zu raisonniren, Sie" -- ich lasse den
Schluß der Frage weg. "Mein lieber Herr," erwiderte ich, "das Wort Prie¬
ster ist uns nicht entfernt in den Kopf gekommen, aber wenn wir auch von
Priestern gesprochen hätten, so denke ich, daß wir volle Freiheit dazu hätten."
Der ehrwürdige Herr geriet!) in Wuth, und nur mit der größten Schwierig¬
keit gelang den Leuten, die sich um uns sammelten, ihm einigermaßen
begreiflich zu machen, daß nicht einer von der ganzen Versammlung es der
Mühe werth halten könne, von Priestern zu reden.

Als ich über die Piazza Colonna ging, lenkte eine andere Episode meine
Aufmerksamkeit auf sich. Sechs oder sieben fremde Priester mit einigen Da¬
men besahen sich die Säule. Zwei von den Knaben, die hier auf öffentlicher
Straße den Leuten die Schuhe putzen, machten sich an die fromme Touristen¬
gesellschaft, lüfteten ihre Mützen und boten ihre Dienste an. Einer der geist¬
lichen Herren zog darauf ein Kupferstück aus der Tasche, gab es dem einen
der Jungen und sagte mit lauter Stimme: "Hier, mein Bürschlein, nimm
dieß und sprich dafür ein Ave Maria für die Wiederherstellung der weltlichen
.Herrschaft des heiligen Vaters." Der Junge sah sich um, lehnte das Geld
ab und rief ebenso laut: "Nein, nein, das wäre verlorene Zeit!" Natürlich
rief diese patriotische Antwort bei aller Welt ein kräftiges ..Bravo!" hervor,
und zum großen Staunen der armen Priester hatte der Knabe in wenigen
Augenblicken beide Hände voll Kupferstücke.


garde aufzurufen als die hauptsächlichste Vertreterin der Ordnung und als
zusammengesetzt aus den würdigsten Bürgern Roms. Die Nationalgarde wird
ohne allen Zweifel die beste Bürgschaft für die Freiheit und die öffentliche
R Gabba." uhe sein.

Ich glaube, daß von diesen siebentausend Nationalgardisten nicht zehn
diese Ansprache unbeachtet gelassen haben. Man sieht nicht einen von ihnen
ausgegangen, sie sind alle in ihren verschiedenen Quartieren und werden fünf
Tage unter den Waffen bleiben, bis alle Gefahr vorüber ist. Wenn man
bedenkt, daß diese Nationalgarten gerade die Römer sind, welche von den
jetzt unter ihren Schutz gestellten Ultramontanen Jahre lang unterdrückt
worden sind, so kann man nicht umhin, den großmüthigen Geist tiefer
Freiheit zu bewundern, der diese Bürgersoldaten beseelt. Das ist's aber ge¬
rade, was die Jesuiten und ihre Verbündeten am meisten zu verdrießen scheint.
Ich bin selbst bei verschiedenen Gelegenheiten Zeuge von Aeußerungen des
grimmigen Hasses gegen die nationalen Bestrebungen der Italiener gewesen,
welchen diese ultramontanen Pilgrime im Herzen tragen. Gestern Abend saß
ich mit einem Freunde vor einem Kaffeehause und discutirte mit demselben
die neuesten telegraphischen Nachrichten aus Frankreich. Ein Priester, welcher
vorbeiging, blieb plötzlich stehen und schrie, indem er seinen Stock erhob:
„Was haben Sie hier gegen die Priester zu raisonniren, Sie" — ich lasse den
Schluß der Frage weg. „Mein lieber Herr," erwiderte ich, „das Wort Prie¬
ster ist uns nicht entfernt in den Kopf gekommen, aber wenn wir auch von
Priestern gesprochen hätten, so denke ich, daß wir volle Freiheit dazu hätten."
Der ehrwürdige Herr geriet!) in Wuth, und nur mit der größten Schwierig¬
keit gelang den Leuten, die sich um uns sammelten, ihm einigermaßen
begreiflich zu machen, daß nicht einer von der ganzen Versammlung es der
Mühe werth halten könne, von Priestern zu reden.

Als ich über die Piazza Colonna ging, lenkte eine andere Episode meine
Aufmerksamkeit auf sich. Sechs oder sieben fremde Priester mit einigen Da¬
men besahen sich die Säule. Zwei von den Knaben, die hier auf öffentlicher
Straße den Leuten die Schuhe putzen, machten sich an die fromme Touristen¬
gesellschaft, lüfteten ihre Mützen und boten ihre Dienste an. Einer der geist¬
lichen Herren zog darauf ein Kupferstück aus der Tasche, gab es dem einen
der Jungen und sagte mit lauter Stimme: „Hier, mein Bürschlein, nimm
dieß und sprich dafür ein Ave Maria für die Wiederherstellung der weltlichen
.Herrschaft des heiligen Vaters." Der Junge sah sich um, lehnte das Geld
ab und rief ebenso laut: „Nein, nein, das wäre verlorene Zeit!" Natürlich
rief diese patriotische Antwort bei aller Welt ein kräftiges ..Bravo!" hervor,
und zum großen Staunen der armen Priester hatte der Knabe in wenigen
Augenblicken beide Hände voll Kupferstücke.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/71>, abgerufen am 24.07.2024.