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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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bemerkt haben. Sie machten gegenüber von Sanct Peters Standbild Halt
und assistirten der Enthüllung einer Inschrift, welche den fünfundzwanzigsten
Jahrestag der Thronbesteigung Pius des Neunten verewigen sollte. Ein paar
Minuten nachher ging die Procession auseinander, und die verschiedenen
Theilnehmer an derselben gingen herum, um die Kirche auf eigne Rechnung
zu besichtigen. Fürwahr, die Jesuiten, die soviel Zeit und Mühe darauf
verwandt und soviel Geld dafür ausgegeben haben, um diese imponiren sollende
katholische Kundgebung zu Stande zu bringen, müssen sich höchlich enttäuscht
fühlen von dem geringen Erfolg, den sie erlangt haben. Wie ich in meinem
letzten Briefe bemerkte, war der Hauptzweck dieser katholischen Demonstration,
die öffentliche Entrüstung herauszufordern, vielleicht einen Aufruhr zu veran¬
lassen, durch den Cardinal Antonelli mit Belegstücken zu einer großen diplo¬
matischen Klagschrift versehen, und der Beweis geführt würde, daß der Papst
im neuen Rom nicht frei sei, die Kirche nicht unabhängig regieren, nicht
einmal ein unschuldiges Jubiläum mehr ruhig feiern könne. Aber die ita¬
lienischen Behörden verloren keine Zeit, die nothwendigen Borsichtsmaßregeln
zu treffen, so daß diese fanatischen Ultramontanen aus Belgien, Bayern,
Oestreich, Frankreich und unserm eignen England, unter denen der kaum aus
den Kinderschuhen getretene achtzehnjährige Lord Gainsborough die große
Geige spielte, in der Hauptstadt des Königreichs der reichlichsten Freiheit zur
Abspielung ihrer Rolle begegneten. Der Commendatore Gabba, der königliche
Commissarius, richtete an den Fürsten Pallavicini folgenden Brief:

"Rom, 14. Juni. Bei der Gelegenheit der religiösen Festlichkeiten, welche für
den fünfundzwanzigsten Jahrestag des Pontificats Sr. Heiligkeit Pius des Neun¬
ten angekündigt sind, vertraue ich der Nationalgarde, die sich um das Baterland
und die Regierung so wohl verdient gemacht hat, die öffentliche Ordnung und
Ruhe an, und deshalb würden Sie mich verpflichten, wenn Sie die nöthigen
Befehle ertheilen wollten, so daß das Commando der Nationalgarde, nach der
bereits getroffenen Uebereinkunft zwischen Ihnen, dem General und den Behör¬
den der öffentlichen Sicherheit einen besonderen Dienst, vorzüglich am 16. d. M.
anordne, an welchem Tage die feierlichsten unter den religiösen Handlungen
dieser Tage vorgenommen werden sollen. Nichts berechtigt zu der Vermu¬
thung, daß Unordnungen stattfinden könnten. Im Gegentheil, wir haben
Ursache, zu glauben, daß. Dank der Mäßigung, welche die römische Bevöl¬
kerung bereits an den Tag gelegt hat. die Feier des päpstlichen Jubiläums
glänzend darthun wird, wie groß die Freiheit ist, welcher die Religion und
ihre Diener sich stets in Rom erfreut haben und sich in diesem Augenblicke
noch erfreuen. Indeß habe ich doch für zweckmäßig gehalten, die National-


bemerkt haben. Sie machten gegenüber von Sanct Peters Standbild Halt
und assistirten der Enthüllung einer Inschrift, welche den fünfundzwanzigsten
Jahrestag der Thronbesteigung Pius des Neunten verewigen sollte. Ein paar
Minuten nachher ging die Procession auseinander, und die verschiedenen
Theilnehmer an derselben gingen herum, um die Kirche auf eigne Rechnung
zu besichtigen. Fürwahr, die Jesuiten, die soviel Zeit und Mühe darauf
verwandt und soviel Geld dafür ausgegeben haben, um diese imponiren sollende
katholische Kundgebung zu Stande zu bringen, müssen sich höchlich enttäuscht
fühlen von dem geringen Erfolg, den sie erlangt haben. Wie ich in meinem
letzten Briefe bemerkte, war der Hauptzweck dieser katholischen Demonstration,
die öffentliche Entrüstung herauszufordern, vielleicht einen Aufruhr zu veran¬
lassen, durch den Cardinal Antonelli mit Belegstücken zu einer großen diplo¬
matischen Klagschrift versehen, und der Beweis geführt würde, daß der Papst
im neuen Rom nicht frei sei, die Kirche nicht unabhängig regieren, nicht
einmal ein unschuldiges Jubiläum mehr ruhig feiern könne. Aber die ita¬
lienischen Behörden verloren keine Zeit, die nothwendigen Borsichtsmaßregeln
zu treffen, so daß diese fanatischen Ultramontanen aus Belgien, Bayern,
Oestreich, Frankreich und unserm eignen England, unter denen der kaum aus
den Kinderschuhen getretene achtzehnjährige Lord Gainsborough die große
Geige spielte, in der Hauptstadt des Königreichs der reichlichsten Freiheit zur
Abspielung ihrer Rolle begegneten. Der Commendatore Gabba, der königliche
Commissarius, richtete an den Fürsten Pallavicini folgenden Brief:

„Rom, 14. Juni. Bei der Gelegenheit der religiösen Festlichkeiten, welche für
den fünfundzwanzigsten Jahrestag des Pontificats Sr. Heiligkeit Pius des Neun¬
ten angekündigt sind, vertraue ich der Nationalgarde, die sich um das Baterland
und die Regierung so wohl verdient gemacht hat, die öffentliche Ordnung und
Ruhe an, und deshalb würden Sie mich verpflichten, wenn Sie die nöthigen
Befehle ertheilen wollten, so daß das Commando der Nationalgarde, nach der
bereits getroffenen Uebereinkunft zwischen Ihnen, dem General und den Behör¬
den der öffentlichen Sicherheit einen besonderen Dienst, vorzüglich am 16. d. M.
anordne, an welchem Tage die feierlichsten unter den religiösen Handlungen
dieser Tage vorgenommen werden sollen. Nichts berechtigt zu der Vermu¬
thung, daß Unordnungen stattfinden könnten. Im Gegentheil, wir haben
Ursache, zu glauben, daß. Dank der Mäßigung, welche die römische Bevöl¬
kerung bereits an den Tag gelegt hat. die Feier des päpstlichen Jubiläums
glänzend darthun wird, wie groß die Freiheit ist, welcher die Religion und
ihre Diener sich stets in Rom erfreut haben und sich in diesem Augenblicke
noch erfreuen. Indeß habe ich doch für zweckmäßig gehalten, die National-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/70>, abgerufen am 24.07.2024.