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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Werkzeug ihrer Herrschaft technisch besser und zahlreicher als bisher ein und
plänkelt, als die ersten Besieger der Revolution zu neuem Ansehn gelangt,
große Dinge in Europa. Im Inneren sah man in der während der Revo¬
lution erwachten Feindseligkeit des Nacegegenfatzes eine Gefahr. Man be¬
schloß, kurzer Hand von oben herab zu germanisiren. Von dem Geist sämmt¬
licher Nationalitäten schien der deutsche am gefügigsten. Das war die Zeit
der sogenannten Bachhusaren.

Diese Zeit ist im heutigen Oestreich schwer in Verruf gethan. Aber
eben so schwer ist es für den Nichtöstreicher, den Grund und Ungrund der
Anklagen zu unterscheiden. Das System Bach wurde verlassen, als die Ca-
valiere mit ihrer auswärtigen Politik gescheitert waren. Man hatte sich
Nußland verfeindet, aber Frankreich, den Bundesgenossen eines Winters,
nicht zugleich in unschädliche Bahnen gelenkt. Man mußte gegen diesen Bun¬
desgenossen kämpfen und wurde besiegt. Da entließen die Cavaliere den bür¬
gerlichen Minister, den sie mit der Niederhaltung der Nationalitäten be¬
traut hatten.

Es war sehr schlimm gewesen, daß mit dem Deutschthum der Jesuitis¬
mus und die Melregiererei einer nichts weniger als durchweg erleuchteten und
gerechten Bureaukratie hatten ausgebreitet werden sollen. Aber wenn die
Deutschen, unter den größeren Nationalitäten Oestreichs die begabteste aber
auch die mindest zahlreiche, in Gesammtöstreich herrschen sollen, so kann es
nur auf dem Wege der Dictatur geschehen. In dieser Beziehung ist jede
Illusion eine Thorheit. Die Dictatur Bach's hätte einen reinern Inhalt
und bessere Methoden haben sollen, aber daß sie eine Dictatur war, können
ihr die deutschen Oestreicher nicht zum Vorwurf machen, ohne eine bedenk¬
liche Kurzsichtigkeit zu verrathen.

Weshalb wurde das System Bach aufgegeben? Weil das herrschende
Cavalierregiment einsah, daß man ein großes Reich nicht allen seinen Völker¬
schaften zum Trotz verwalten könne, nachdem man den Nimbus der Stärke
und des Erfolgs verloren. Denn keine Völkerschaft war mit der absolutistischen
Centralisation zufrieden gewesen, auch die deutsche nicht, zu deren Gunsten die
Centralisation unternommen zu werden schien. Das deutsche Element in
Oestreich konnte sich nicht wohl fühlen in der Rolle des verhaßten Werk¬
zeuges eines jesuitischen Absolutismus.

Die Cavaliere gaben also den Minister Bach auf. Die Diplome vom
October 1860 erschienen. Es war der Versuch, die Völkerschaften des Reiches
vom Druck einer uniformirenden Bureaukratie zu erlösen und dadurch zu ge¬
winnen. Den Völkerschaften sollte behaglicher werden unter dem patriarchali¬
schen Regiment einheimischer nationaler Aristokratien. Eine Anzahl Landtage
sollten geschaffen werden, ausreichend, um den Provinzialbedürfnissen Luft zu


Werkzeug ihrer Herrschaft technisch besser und zahlreicher als bisher ein und
plänkelt, als die ersten Besieger der Revolution zu neuem Ansehn gelangt,
große Dinge in Europa. Im Inneren sah man in der während der Revo¬
lution erwachten Feindseligkeit des Nacegegenfatzes eine Gefahr. Man be¬
schloß, kurzer Hand von oben herab zu germanisiren. Von dem Geist sämmt¬
licher Nationalitäten schien der deutsche am gefügigsten. Das war die Zeit
der sogenannten Bachhusaren.

Diese Zeit ist im heutigen Oestreich schwer in Verruf gethan. Aber
eben so schwer ist es für den Nichtöstreicher, den Grund und Ungrund der
Anklagen zu unterscheiden. Das System Bach wurde verlassen, als die Ca-
valiere mit ihrer auswärtigen Politik gescheitert waren. Man hatte sich
Nußland verfeindet, aber Frankreich, den Bundesgenossen eines Winters,
nicht zugleich in unschädliche Bahnen gelenkt. Man mußte gegen diesen Bun¬
desgenossen kämpfen und wurde besiegt. Da entließen die Cavaliere den bür¬
gerlichen Minister, den sie mit der Niederhaltung der Nationalitäten be¬
traut hatten.

Es war sehr schlimm gewesen, daß mit dem Deutschthum der Jesuitis¬
mus und die Melregiererei einer nichts weniger als durchweg erleuchteten und
gerechten Bureaukratie hatten ausgebreitet werden sollen. Aber wenn die
Deutschen, unter den größeren Nationalitäten Oestreichs die begabteste aber
auch die mindest zahlreiche, in Gesammtöstreich herrschen sollen, so kann es
nur auf dem Wege der Dictatur geschehen. In dieser Beziehung ist jede
Illusion eine Thorheit. Die Dictatur Bach's hätte einen reinern Inhalt
und bessere Methoden haben sollen, aber daß sie eine Dictatur war, können
ihr die deutschen Oestreicher nicht zum Vorwurf machen, ohne eine bedenk¬
liche Kurzsichtigkeit zu verrathen.

Weshalb wurde das System Bach aufgegeben? Weil das herrschende
Cavalierregiment einsah, daß man ein großes Reich nicht allen seinen Völker¬
schaften zum Trotz verwalten könne, nachdem man den Nimbus der Stärke
und des Erfolgs verloren. Denn keine Völkerschaft war mit der absolutistischen
Centralisation zufrieden gewesen, auch die deutsche nicht, zu deren Gunsten die
Centralisation unternommen zu werden schien. Das deutsche Element in
Oestreich konnte sich nicht wohl fühlen in der Rolle des verhaßten Werk¬
zeuges eines jesuitischen Absolutismus.

Die Cavaliere gaben also den Minister Bach auf. Die Diplome vom
October 1860 erschienen. Es war der Versuch, die Völkerschaften des Reiches
vom Druck einer uniformirenden Bureaukratie zu erlösen und dadurch zu ge¬
winnen. Den Völkerschaften sollte behaglicher werden unter dem patriarchali¬
schen Regiment einheimischer nationaler Aristokratien. Eine Anzahl Landtage
sollten geschaffen werden, ausreichend, um den Provinzialbedürfnissen Luft zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/560>, abgerufen am 24.07.2024.