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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Privathäuser könnten mit ihr ausgestattet werden? Zu zehntausend Dollars
das Haus könnte man damit fast dreihundert Häuser der feinsten Avenue,
vom Washington Square bis zur dreißigsten Straße auf's Beste und Voll¬
ständigste möbliren.

Noch ein anmuthiges Beispiel aus dieser Kette von riesigen Unterschleifen
einer republikanischen Verwaltung. Am 29. Juli 1869 erhielt ein Herr
I. W- Smith 23,553 Dollars für "g,>vllwg'K" (Sonnendächer) an den Fen¬
stern der County-Gerichtshöfe und Bureaux. Ein einfaches weißes Sonnen¬
dach von 6 Fuß, der erforderlichen Größe für das Gerichtshaus, kann für
10 Dollars hergestellt werden. In blaugestreiftem Drill, gleiche Größe, kostet
es 12; und das Beste, was der Markt zu bieten im Stande ist, kann für
18 geliefert werden. Die von Smith gelieferten Sonnendächer werden auf
12^/2 Dollars das Stück taxirt, zu diesem Preise würde aber das an den¬
selben gezahlte Geld zur Beschaffung von 1884 Exemplaren jener Schatten
spendenden Vorrichtung ausreichen. Das Geschäftshaus Stewards, unseres
größten Kaufmanns, hat 542 Fenster, es wurde somit für eine Anzahl Sonnen¬
dächer bezahlt, womit man Stewart's Gebäude drei und ein halb Mal hätte
ausstatten können. Am Gerichtshaus aber zählt man jetzt nicht mehr als
36 Sonnendächer.

"Wir wollen" -- so schließt die "Neuyork Times" den 12 lange Spalten
füllenden Bericht, dem wir diese Mittheilungen entnehmen -- "wollen denen, die
wir öffentlich bloßgestellt, ihr Recht und nur ihr Recht widerfahren lassen.
Wir mußten dieses Gebcchren als einen scheußlichen Betrug gegen das Publi¬
kum brandmarken. Haben wir den Herren Unrecht gethan, so bestehen
Gesetze, welche ihnen volle Gelegenheit geben, sich Genugthuung zu ver¬
schaffen. "

"Und nun noch ein Wort im Allgemeinen. Es ist ganz und gar außer
Zweifel gestellt, daß unsere Stadtverwaltung im Verlauf der Jahre 1869
und 1870 wenigstens 51 Millionen Dollars aus der Tasche des Volks ver¬
ausgabt hat. Im Budget des Norddeutschen Bundes für 1871 sind die
Einnahmen auf wenig mehr als diese Summe veranschlagt. Und kann nun
ein Deutscher glauben, daß die Stadt Neuyork, sei sie auch noch so reich, für
sich allein im Stande ist, jährlich soviel Geld auszugeben als aus dem Ein¬
kommen von Staaten mit 30 Millionen Einwohnern gezogen wird?"

Ferner, so rechnet das gedachte Blatt, in Deutschland müssen die ein¬
zelnen Regierungsdepartements dem Volke über jeden ausgegebenen Thaler
genaue Rechenschaft ablegen, und der Entdeckung selbst des unerheblichsten
Unterschleifs würde die strengste Strafe auf dem Fuße folgen. In Neuyork
aber ist, seit die jetzigen Machthaber am Ruder sind, noch kein vollständiges
Ausgabebudget veröffentlicht worden, und statt daß der Diebstahl am Puhu-


Privathäuser könnten mit ihr ausgestattet werden? Zu zehntausend Dollars
das Haus könnte man damit fast dreihundert Häuser der feinsten Avenue,
vom Washington Square bis zur dreißigsten Straße auf's Beste und Voll¬
ständigste möbliren.

Noch ein anmuthiges Beispiel aus dieser Kette von riesigen Unterschleifen
einer republikanischen Verwaltung. Am 29. Juli 1869 erhielt ein Herr
I. W- Smith 23,553 Dollars für „g,>vllwg'K" (Sonnendächer) an den Fen¬
stern der County-Gerichtshöfe und Bureaux. Ein einfaches weißes Sonnen¬
dach von 6 Fuß, der erforderlichen Größe für das Gerichtshaus, kann für
10 Dollars hergestellt werden. In blaugestreiftem Drill, gleiche Größe, kostet
es 12; und das Beste, was der Markt zu bieten im Stande ist, kann für
18 geliefert werden. Die von Smith gelieferten Sonnendächer werden auf
12^/2 Dollars das Stück taxirt, zu diesem Preise würde aber das an den¬
selben gezahlte Geld zur Beschaffung von 1884 Exemplaren jener Schatten
spendenden Vorrichtung ausreichen. Das Geschäftshaus Stewards, unseres
größten Kaufmanns, hat 542 Fenster, es wurde somit für eine Anzahl Sonnen¬
dächer bezahlt, womit man Stewart's Gebäude drei und ein halb Mal hätte
ausstatten können. Am Gerichtshaus aber zählt man jetzt nicht mehr als
36 Sonnendächer.

„Wir wollen" — so schließt die „Neuyork Times" den 12 lange Spalten
füllenden Bericht, dem wir diese Mittheilungen entnehmen — „wollen denen, die
wir öffentlich bloßgestellt, ihr Recht und nur ihr Recht widerfahren lassen.
Wir mußten dieses Gebcchren als einen scheußlichen Betrug gegen das Publi¬
kum brandmarken. Haben wir den Herren Unrecht gethan, so bestehen
Gesetze, welche ihnen volle Gelegenheit geben, sich Genugthuung zu ver¬
schaffen. "

„Und nun noch ein Wort im Allgemeinen. Es ist ganz und gar außer
Zweifel gestellt, daß unsere Stadtverwaltung im Verlauf der Jahre 1869
und 1870 wenigstens 51 Millionen Dollars aus der Tasche des Volks ver¬
ausgabt hat. Im Budget des Norddeutschen Bundes für 1871 sind die
Einnahmen auf wenig mehr als diese Summe veranschlagt. Und kann nun
ein Deutscher glauben, daß die Stadt Neuyork, sei sie auch noch so reich, für
sich allein im Stande ist, jährlich soviel Geld auszugeben als aus dem Ein¬
kommen von Staaten mit 30 Millionen Einwohnern gezogen wird?"

Ferner, so rechnet das gedachte Blatt, in Deutschland müssen die ein¬
zelnen Regierungsdepartements dem Volke über jeden ausgegebenen Thaler
genaue Rechenschaft ablegen, und der Entdeckung selbst des unerheblichsten
Unterschleifs würde die strengste Strafe auf dem Fuße folgen. In Neuyork
aber ist, seit die jetzigen Machthaber am Ruder sind, noch kein vollständiges
Ausgabebudget veröffentlicht worden, und statt daß der Diebstahl am Puhu-


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[0479] Privathäuser könnten mit ihr ausgestattet werden? Zu zehntausend Dollars das Haus könnte man damit fast dreihundert Häuser der feinsten Avenue, vom Washington Square bis zur dreißigsten Straße auf's Beste und Voll¬ ständigste möbliren. Noch ein anmuthiges Beispiel aus dieser Kette von riesigen Unterschleifen einer republikanischen Verwaltung. Am 29. Juli 1869 erhielt ein Herr I. W- Smith 23,553 Dollars für „g,>vllwg'K" (Sonnendächer) an den Fen¬ stern der County-Gerichtshöfe und Bureaux. Ein einfaches weißes Sonnen¬ dach von 6 Fuß, der erforderlichen Größe für das Gerichtshaus, kann für 10 Dollars hergestellt werden. In blaugestreiftem Drill, gleiche Größe, kostet es 12; und das Beste, was der Markt zu bieten im Stande ist, kann für 18 geliefert werden. Die von Smith gelieferten Sonnendächer werden auf 12^/2 Dollars das Stück taxirt, zu diesem Preise würde aber das an den¬ selben gezahlte Geld zur Beschaffung von 1884 Exemplaren jener Schatten spendenden Vorrichtung ausreichen. Das Geschäftshaus Stewards, unseres größten Kaufmanns, hat 542 Fenster, es wurde somit für eine Anzahl Sonnen¬ dächer bezahlt, womit man Stewart's Gebäude drei und ein halb Mal hätte ausstatten können. Am Gerichtshaus aber zählt man jetzt nicht mehr als 36 Sonnendächer. „Wir wollen" — so schließt die „Neuyork Times" den 12 lange Spalten füllenden Bericht, dem wir diese Mittheilungen entnehmen — „wollen denen, die wir öffentlich bloßgestellt, ihr Recht und nur ihr Recht widerfahren lassen. Wir mußten dieses Gebcchren als einen scheußlichen Betrug gegen das Publi¬ kum brandmarken. Haben wir den Herren Unrecht gethan, so bestehen Gesetze, welche ihnen volle Gelegenheit geben, sich Genugthuung zu ver¬ schaffen. " „Und nun noch ein Wort im Allgemeinen. Es ist ganz und gar außer Zweifel gestellt, daß unsere Stadtverwaltung im Verlauf der Jahre 1869 und 1870 wenigstens 51 Millionen Dollars aus der Tasche des Volks ver¬ ausgabt hat. Im Budget des Norddeutschen Bundes für 1871 sind die Einnahmen auf wenig mehr als diese Summe veranschlagt. Und kann nun ein Deutscher glauben, daß die Stadt Neuyork, sei sie auch noch so reich, für sich allein im Stande ist, jährlich soviel Geld auszugeben als aus dem Ein¬ kommen von Staaten mit 30 Millionen Einwohnern gezogen wird?" Ferner, so rechnet das gedachte Blatt, in Deutschland müssen die ein¬ zelnen Regierungsdepartements dem Volke über jeden ausgegebenen Thaler genaue Rechenschaft ablegen, und der Entdeckung selbst des unerheblichsten Unterschleifs würde die strengste Strafe auf dem Fuße folgen. In Neuyork aber ist, seit die jetzigen Machthaber am Ruder sind, noch kein vollständiges Ausgabebudget veröffentlicht worden, und statt daß der Diebstahl am Puhu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/479>, abgerufen am 24.07.2024.