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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Haupt zum socialen Blühen gelangen". Die Ursache, welche das Unglück
Preußens herbeigeführt und auch alle tiefeindringenden wahren Reformen im
Innern des Staats verhindert habe, erkennt er darin, daß es versäumte, sich
im Westen auszubreiten, worauf er schon 1801 in seiner unter dem Namen
Innocenz erschienenen Schrift: "Ueber Preußens Vergrößerung im Westen"
gedrungen hatte, daß es nicht ganz Norddeutschland in Besitz nehmen wollte
und keine dem Continental-Jnteresse förderlichen Ideen neben diejenigen Na¬
poleons stellte und hierdurch ihn zwang, für das Beste des Continents allein
zu sorgen. Einen diamantenem Schild und den Kern in Napoleons strahlen¬
dem Namen nennt er die "richtige, naturgemäße, höchst kosmopolitische, vom
Zeitgeiste gebotene Idee, daß das Industrie-, Commerz- und Cultur-Interesse
des Continents geschützt und zu dem Ende für dasselbe die Freiheit der Meere
erworben werden müsse".

Ein wie warmes Nationalgefühl Held besaß, beweist u. A. folgende
Aeußerung (S. 74): "Wird Deutschland sich einst ermannen und den ihm
gebührenden ersten Rang unter den Nationen Europas wieder einnehmen --
denn das celtisch-germanische Blut ist von Allen das edelste, wir sind im
Ganzen die tapferste, nerven- und knochenstärkste, fleißigste, gebildetste, mit
dem achtbarsten moralischen Charakter begabte Nation, reden die reichste
Sprache, besitzen die umfassendste Literatur und haben halb Europa coloni-
sirt -- so wird die Rettung nicht durch geputzte militärische Maschinen, son¬
dern durch Camisarden in grauen Kitteln mit schwarzen Blechkappen geschehen.
Diese werden, sei es auch erst in fünfzig Jahren, den Uebergang aus unsrer
Schmach zu einer deutschen Einheit einleiten, sowie den Grund zu dem, was
Frankreich jetzt ist, seine Sansculotten legten." Wiederholt spricht er von
"geographischem Takt und Natursinn", der eine deutsche Einheit fordere.
Mit der Einheit, sagt er, hätte alles Leiden in Deutschland von selbst ein
Ende.


Ansichten des Rheinbundes. Briefe zweier Staatsmänner.
Göttingen 1808.

Einsicht in die Lehren der Geschichte, scharfe Bildung des Verstandes,
warmes Gefühl für die Ehre der deutschen Nation und muthiges Bekennen
der Wahrheit, obwohl gepaart mit erlaubter oder sogar pflichtmäßiger Vor¬
sicht, begründen das Lob, welches dem Verfasser dieser Schrift gebührt, und
bezeichnen die Eigenschaften, welche die Schrift von so vielen gleichzeitigen
über denselben Gegenstand unterscheiden.

Der Herausgeber erklärt in der Vorrede, daß er zwar kaum nöthig habe,
über Zweck und Sinn der Schrift etwas vorauszuschicken; Alles liege darin
Aar vor Augen und sei "wiewohl mit Vorsicht, ohne Rückhalt" gesagt. Doch


Grenzboten II. 1871. 54

Haupt zum socialen Blühen gelangen". Die Ursache, welche das Unglück
Preußens herbeigeführt und auch alle tiefeindringenden wahren Reformen im
Innern des Staats verhindert habe, erkennt er darin, daß es versäumte, sich
im Westen auszubreiten, worauf er schon 1801 in seiner unter dem Namen
Innocenz erschienenen Schrift: „Ueber Preußens Vergrößerung im Westen"
gedrungen hatte, daß es nicht ganz Norddeutschland in Besitz nehmen wollte
und keine dem Continental-Jnteresse förderlichen Ideen neben diejenigen Na¬
poleons stellte und hierdurch ihn zwang, für das Beste des Continents allein
zu sorgen. Einen diamantenem Schild und den Kern in Napoleons strahlen¬
dem Namen nennt er die „richtige, naturgemäße, höchst kosmopolitische, vom
Zeitgeiste gebotene Idee, daß das Industrie-, Commerz- und Cultur-Interesse
des Continents geschützt und zu dem Ende für dasselbe die Freiheit der Meere
erworben werden müsse".

Ein wie warmes Nationalgefühl Held besaß, beweist u. A. folgende
Aeußerung (S. 74): „Wird Deutschland sich einst ermannen und den ihm
gebührenden ersten Rang unter den Nationen Europas wieder einnehmen —
denn das celtisch-germanische Blut ist von Allen das edelste, wir sind im
Ganzen die tapferste, nerven- und knochenstärkste, fleißigste, gebildetste, mit
dem achtbarsten moralischen Charakter begabte Nation, reden die reichste
Sprache, besitzen die umfassendste Literatur und haben halb Europa coloni-
sirt — so wird die Rettung nicht durch geputzte militärische Maschinen, son¬
dern durch Camisarden in grauen Kitteln mit schwarzen Blechkappen geschehen.
Diese werden, sei es auch erst in fünfzig Jahren, den Uebergang aus unsrer
Schmach zu einer deutschen Einheit einleiten, sowie den Grund zu dem, was
Frankreich jetzt ist, seine Sansculotten legten." Wiederholt spricht er von
„geographischem Takt und Natursinn", der eine deutsche Einheit fordere.
Mit der Einheit, sagt er, hätte alles Leiden in Deutschland von selbst ein
Ende.


Ansichten des Rheinbundes. Briefe zweier Staatsmänner.
Göttingen 1808.

Einsicht in die Lehren der Geschichte, scharfe Bildung des Verstandes,
warmes Gefühl für die Ehre der deutschen Nation und muthiges Bekennen
der Wahrheit, obwohl gepaart mit erlaubter oder sogar pflichtmäßiger Vor¬
sicht, begründen das Lob, welches dem Verfasser dieser Schrift gebührt, und
bezeichnen die Eigenschaften, welche die Schrift von so vielen gleichzeitigen
über denselben Gegenstand unterscheiden.

Der Herausgeber erklärt in der Vorrede, daß er zwar kaum nöthig habe,
über Zweck und Sinn der Schrift etwas vorauszuschicken; Alles liege darin
Aar vor Augen und sei „wiewohl mit Vorsicht, ohne Rückhalt" gesagt. Doch


Grenzboten II. 1871. 54
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[0433] Haupt zum socialen Blühen gelangen". Die Ursache, welche das Unglück Preußens herbeigeführt und auch alle tiefeindringenden wahren Reformen im Innern des Staats verhindert habe, erkennt er darin, daß es versäumte, sich im Westen auszubreiten, worauf er schon 1801 in seiner unter dem Namen Innocenz erschienenen Schrift: „Ueber Preußens Vergrößerung im Westen" gedrungen hatte, daß es nicht ganz Norddeutschland in Besitz nehmen wollte und keine dem Continental-Jnteresse förderlichen Ideen neben diejenigen Na¬ poleons stellte und hierdurch ihn zwang, für das Beste des Continents allein zu sorgen. Einen diamantenem Schild und den Kern in Napoleons strahlen¬ dem Namen nennt er die „richtige, naturgemäße, höchst kosmopolitische, vom Zeitgeiste gebotene Idee, daß das Industrie-, Commerz- und Cultur-Interesse des Continents geschützt und zu dem Ende für dasselbe die Freiheit der Meere erworben werden müsse". Ein wie warmes Nationalgefühl Held besaß, beweist u. A. folgende Aeußerung (S. 74): „Wird Deutschland sich einst ermannen und den ihm gebührenden ersten Rang unter den Nationen Europas wieder einnehmen — denn das celtisch-germanische Blut ist von Allen das edelste, wir sind im Ganzen die tapferste, nerven- und knochenstärkste, fleißigste, gebildetste, mit dem achtbarsten moralischen Charakter begabte Nation, reden die reichste Sprache, besitzen die umfassendste Literatur und haben halb Europa coloni- sirt — so wird die Rettung nicht durch geputzte militärische Maschinen, son¬ dern durch Camisarden in grauen Kitteln mit schwarzen Blechkappen geschehen. Diese werden, sei es auch erst in fünfzig Jahren, den Uebergang aus unsrer Schmach zu einer deutschen Einheit einleiten, sowie den Grund zu dem, was Frankreich jetzt ist, seine Sansculotten legten." Wiederholt spricht er von „geographischem Takt und Natursinn", der eine deutsche Einheit fordere. Mit der Einheit, sagt er, hätte alles Leiden in Deutschland von selbst ein Ende. Ansichten des Rheinbundes. Briefe zweier Staatsmänner. Göttingen 1808. Einsicht in die Lehren der Geschichte, scharfe Bildung des Verstandes, warmes Gefühl für die Ehre der deutschen Nation und muthiges Bekennen der Wahrheit, obwohl gepaart mit erlaubter oder sogar pflichtmäßiger Vor¬ sicht, begründen das Lob, welches dem Verfasser dieser Schrift gebührt, und bezeichnen die Eigenschaften, welche die Schrift von so vielen gleichzeitigen über denselben Gegenstand unterscheiden. Der Herausgeber erklärt in der Vorrede, daß er zwar kaum nöthig habe, über Zweck und Sinn der Schrift etwas vorauszuschicken; Alles liege darin Aar vor Augen und sei „wiewohl mit Vorsicht, ohne Rückhalt" gesagt. Doch Grenzboten II. 1871. 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/433>, abgerufen am 24.07.2024.