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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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nützlich sein könnten. Ein dritter mahnt seine Landsleute (Jntelligenzbl. zu
den N. Feuerbr., Bd. 2. Ur. 1 u. 2), daß sie allen Ueberfluß zum Besten
des Staats opfern, die letzte Ursache alles Unglücks, den Egoismus in sich
bekämpfen und an ihrer inneren Größe arbeiten möchten, damit sie sich zu
einem freien, kräftigen und glücklichen Volke erheben könnten. Beachtenswerth
ist auch im sechsten Theile der "Vertrauten Briefe (S. 112--244) der sorg¬
fältig geschriebene Aufsatz: "Deutschland in seiner Verwandlung oder Betrach¬
tungen eines deutschen Patrioten über die gegenwärtige Veränderung seines
Vaterlandes" von G. In diesem Aufsatz ist die Darstellung der Unnatur
der deutschen Zersplitterung und ihrer schädlichen Folgen vorzüglich gelungen.

Die "Vertrauten Briefe" und "Neuen Feuerbrände" riefen zahlreiche
Gegenschriften hervor. Unter dem Namen "Feuerschirme" und "Löscheimer"
erschienen zwei Zeitschriften, deren erstere (auch "Vaterland" betitelt) F. W.
Gubitz auf Anregung von Königsberg aus herausgab. Von besonderem In¬
teresse ist jedoch nur der Streit, welcher zwischen Cölln und Hans von Held,
jenem durch patriotischen Eifer und Talent merkwürdigen Manne, dessen Er¬
lebnisse Varnhagen von Ense erzählt, schwebte. Derselbe war veranlaßt durch
den Abdruck des "Schwarzen Registers", einer Beilage von einer gerichtlichen
Vertheidigungsschrift Helds (welches übrigens bereits 1803 in den "Annalen
der leidenden Menschheit" zum Abdruck gekommen war) in dem zweiten Heft
der "Feuerbrände".

Durch die "Warnungsanzeige gegen literarischen Unfug," welche Held in
den Hände-Spenerschen Berlinischen Nachrichten (1807. Ur. 103) veröffent¬
lichte, und durch sein Buch: "Ueber und wider die vertrauten Briefe und
neuen Feuerbrände des preußischen Kriegsrathes von Cölln" (1808) erfuhr
'man zuerst mit Sicherheit, daß Cölln der Verfasser der "Vertrauten Briefe"
und Herausgeber der "Feuerbrände" war. Bis, dahin hatte man auf den
Kriegsrath Ribbentropp oder Julius von Voß gerathen. Letzterer protestirte
jedoch gegen diesen Verdacht als "unbillig" und erklärte: "Mich riß wohl
Drang der Vaterlandsliebe bisweilen hin der gefährlichen Wahrheit zu hul¬
digen, doch die Sprache des Anstandes verletzte ich nicht" (Hände-Sy. Berl.
Nachr. 1807. Ur. 74). Die genannte Schrift Helds ist ein interessantes Denk¬
mal seiner politischen Gesinnungen und zeigt trotz mancher Schwächen seiner
Polemik, wie er durch Geist und sittlichen Ernst Cölln weit überlegen war.
Wir gehen auf ihren Inhalt nur ein, um Helds politische Ansichten kennen
zu lernen.

Er sagt: "die bisher unter dem Namen des preußischen Staats bekannt
gewesenen Gegenden können nie wieder allein, sondern nur als Theil eines
neuen Deutschlandes und nur insofern, als Deutschland sich zur Einheit er¬
hebt, zu einer neuen commerciellen, finanziellen und militärischen Kraft, über-


nützlich sein könnten. Ein dritter mahnt seine Landsleute (Jntelligenzbl. zu
den N. Feuerbr., Bd. 2. Ur. 1 u. 2), daß sie allen Ueberfluß zum Besten
des Staats opfern, die letzte Ursache alles Unglücks, den Egoismus in sich
bekämpfen und an ihrer inneren Größe arbeiten möchten, damit sie sich zu
einem freien, kräftigen und glücklichen Volke erheben könnten. Beachtenswerth
ist auch im sechsten Theile der „Vertrauten Briefe (S. 112—244) der sorg¬
fältig geschriebene Aufsatz: „Deutschland in seiner Verwandlung oder Betrach¬
tungen eines deutschen Patrioten über die gegenwärtige Veränderung seines
Vaterlandes" von G. In diesem Aufsatz ist die Darstellung der Unnatur
der deutschen Zersplitterung und ihrer schädlichen Folgen vorzüglich gelungen.

Die „Vertrauten Briefe" und „Neuen Feuerbrände" riefen zahlreiche
Gegenschriften hervor. Unter dem Namen „Feuerschirme" und „Löscheimer"
erschienen zwei Zeitschriften, deren erstere (auch „Vaterland" betitelt) F. W.
Gubitz auf Anregung von Königsberg aus herausgab. Von besonderem In¬
teresse ist jedoch nur der Streit, welcher zwischen Cölln und Hans von Held,
jenem durch patriotischen Eifer und Talent merkwürdigen Manne, dessen Er¬
lebnisse Varnhagen von Ense erzählt, schwebte. Derselbe war veranlaßt durch
den Abdruck des „Schwarzen Registers", einer Beilage von einer gerichtlichen
Vertheidigungsschrift Helds (welches übrigens bereits 1803 in den „Annalen
der leidenden Menschheit" zum Abdruck gekommen war) in dem zweiten Heft
der „Feuerbrände".

Durch die „Warnungsanzeige gegen literarischen Unfug," welche Held in
den Hände-Spenerschen Berlinischen Nachrichten (1807. Ur. 103) veröffent¬
lichte, und durch sein Buch: „Ueber und wider die vertrauten Briefe und
neuen Feuerbrände des preußischen Kriegsrathes von Cölln" (1808) erfuhr
'man zuerst mit Sicherheit, daß Cölln der Verfasser der „Vertrauten Briefe"
und Herausgeber der „Feuerbrände" war. Bis, dahin hatte man auf den
Kriegsrath Ribbentropp oder Julius von Voß gerathen. Letzterer protestirte
jedoch gegen diesen Verdacht als „unbillig" und erklärte: „Mich riß wohl
Drang der Vaterlandsliebe bisweilen hin der gefährlichen Wahrheit zu hul¬
digen, doch die Sprache des Anstandes verletzte ich nicht" (Hände-Sy. Berl.
Nachr. 1807. Ur. 74). Die genannte Schrift Helds ist ein interessantes Denk¬
mal seiner politischen Gesinnungen und zeigt trotz mancher Schwächen seiner
Polemik, wie er durch Geist und sittlichen Ernst Cölln weit überlegen war.
Wir gehen auf ihren Inhalt nur ein, um Helds politische Ansichten kennen
zu lernen.

Er sagt: „die bisher unter dem Namen des preußischen Staats bekannt
gewesenen Gegenden können nie wieder allein, sondern nur als Theil eines
neuen Deutschlandes und nur insofern, als Deutschland sich zur Einheit er¬
hebt, zu einer neuen commerciellen, finanziellen und militärischen Kraft, über-


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[0432] nützlich sein könnten. Ein dritter mahnt seine Landsleute (Jntelligenzbl. zu den N. Feuerbr., Bd. 2. Ur. 1 u. 2), daß sie allen Ueberfluß zum Besten des Staats opfern, die letzte Ursache alles Unglücks, den Egoismus in sich bekämpfen und an ihrer inneren Größe arbeiten möchten, damit sie sich zu einem freien, kräftigen und glücklichen Volke erheben könnten. Beachtenswerth ist auch im sechsten Theile der „Vertrauten Briefe (S. 112—244) der sorg¬ fältig geschriebene Aufsatz: „Deutschland in seiner Verwandlung oder Betrach¬ tungen eines deutschen Patrioten über die gegenwärtige Veränderung seines Vaterlandes" von G. In diesem Aufsatz ist die Darstellung der Unnatur der deutschen Zersplitterung und ihrer schädlichen Folgen vorzüglich gelungen. Die „Vertrauten Briefe" und „Neuen Feuerbrände" riefen zahlreiche Gegenschriften hervor. Unter dem Namen „Feuerschirme" und „Löscheimer" erschienen zwei Zeitschriften, deren erstere (auch „Vaterland" betitelt) F. W. Gubitz auf Anregung von Königsberg aus herausgab. Von besonderem In¬ teresse ist jedoch nur der Streit, welcher zwischen Cölln und Hans von Held, jenem durch patriotischen Eifer und Talent merkwürdigen Manne, dessen Er¬ lebnisse Varnhagen von Ense erzählt, schwebte. Derselbe war veranlaßt durch den Abdruck des „Schwarzen Registers", einer Beilage von einer gerichtlichen Vertheidigungsschrift Helds (welches übrigens bereits 1803 in den „Annalen der leidenden Menschheit" zum Abdruck gekommen war) in dem zweiten Heft der „Feuerbrände". Durch die „Warnungsanzeige gegen literarischen Unfug," welche Held in den Hände-Spenerschen Berlinischen Nachrichten (1807. Ur. 103) veröffent¬ lichte, und durch sein Buch: „Ueber und wider die vertrauten Briefe und neuen Feuerbrände des preußischen Kriegsrathes von Cölln" (1808) erfuhr 'man zuerst mit Sicherheit, daß Cölln der Verfasser der „Vertrauten Briefe" und Herausgeber der „Feuerbrände" war. Bis, dahin hatte man auf den Kriegsrath Ribbentropp oder Julius von Voß gerathen. Letzterer protestirte jedoch gegen diesen Verdacht als „unbillig" und erklärte: „Mich riß wohl Drang der Vaterlandsliebe bisweilen hin der gefährlichen Wahrheit zu hul¬ digen, doch die Sprache des Anstandes verletzte ich nicht" (Hände-Sy. Berl. Nachr. 1807. Ur. 74). Die genannte Schrift Helds ist ein interessantes Denk¬ mal seiner politischen Gesinnungen und zeigt trotz mancher Schwächen seiner Polemik, wie er durch Geist und sittlichen Ernst Cölln weit überlegen war. Wir gehen auf ihren Inhalt nur ein, um Helds politische Ansichten kennen zu lernen. Er sagt: „die bisher unter dem Namen des preußischen Staats bekannt gewesenen Gegenden können nie wieder allein, sondern nur als Theil eines neuen Deutschlandes und nur insofern, als Deutschland sich zur Einheit er¬ hebt, zu einer neuen commerciellen, finanziellen und militärischen Kraft, über-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/432>, abgerufen am 24.07.2024.