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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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bliothek längere Zeit verkehrt geleitet oder nachlässig verwaltet worden, oder
handelt es sich um Ausführung besonders zeitraubender Arbeiten, z. B. um
Anfertigung umfassender Kataloge, so wird man gleichfalls wohl daran thun,
die ganze Arbeitskraft des Personals für die bibliothekarischen Aufgaben zu
verwenden. Ich will absichtlich an dieser Stelle ununtersucht lassen, ob nicht
wenigstens bei der einen oder der andern der drei Universitätsbibliotheken,
welche mit der bisherigen Aemtercumulirung neuerdings gebrochen haben, und
auf welche meine Gegner sich beziehen, eine ähnliche Veranlassung vorgelegen
hat.

Aber die Maßregeln, welche für außerordentliche und vorübergehende
Fälle am Platz sind, können darum noch keineswegs Gemeingiltigkeit für
normale Verhältnisse und dauernde Aufgaben beanspruchen. Auf diesem Ge¬
biet, wo der Streit in der That erst beginnt, machen es sich meine Wider¬
sacher ungemein leicht; ohne Weiteres nämlich unterstellen sie, der akademische
Docent, der zugleich als Bibliothek-Beamter fungire, entbehre aller Befähig¬
ung und Neigung für den bibliothekarischen Beruf. Der professorliche Biblio¬
thekar, den die Herren mit Recht aus dem Amte treiben wollen, "braucht
nichts zu verstehen von der von ihm zu überwachenden Beamtenthätigkeit,"
vielmehr vermeint er ganz "ohne eine speciell bibliothekarische Vorbildung ge¬
nossen zu haben, die Aufgabe des Bibliothekdirectors nebenbei vollständig
ausfüllen zu können;" "er beschränkt sich im Allgemeinen darauf einige Stun¬
den des Tages, die von Vorlesungen nicht gerade in Beschlag genommen
waren, auf der Bibliothek zuzubringen, innerhalb derselben in erster Linie
privatim für sich zu arbeiten, daneben auch einige laufende Bibliotheksgeschäfte
zu absolviren, dieses Treiben aber so lange fortzusetzen, bis das günstige Ge¬
schick ihn in den Hafen einer gutdotirten akademischen Fachprofessur einlaufen
läßt." Die Brochüre ergeht sich augenscheinlich mit Vorliebe in solchen Schil¬
derungen. Begreiflich hält sich der als abschreckendes Beispiel hingestellte
Bibliothekmann auch nicht für verpflichtet, "die vorgeschriebenen Dienststunden
ausschließlich im Interesse der Bibliothek zu verwenden," vielmehr "bereitet er
sich während der gedachten Stunden ganz gemüthlich auf seine Vorlesungen
vor; ängstlich zählt er die Minuten bis zum Schluß der lästigen Dienststunden"
und sorgfältig vermeidet er "auch wohl einmal aus freiem Antrieb eine Vier¬
telstunde länger in seinem Berufe zu arbeiten." Doch genug an dieser Blumen¬
lese. Es ist, soviel mir bekannt, noch von Niemandem bezweifelt worden, daß
der Bock sich nicht sonderlich zum Gärtner eignet. Etwas schwieriger aber
soll der Beweis sein, daß alle Vierfüßler Böcke sind oder, auf unsern Gegen¬
stand übertragen, daß alle Professoren jene Sammlung mit dem bibliotheka¬
rischen Beruf unvereinbarer Eigenschaften und Neigungen in sich vereinigen.
Wer in aller Welt will denn einen Docenten, dem es so an jeder Brauch-


bliothek längere Zeit verkehrt geleitet oder nachlässig verwaltet worden, oder
handelt es sich um Ausführung besonders zeitraubender Arbeiten, z. B. um
Anfertigung umfassender Kataloge, so wird man gleichfalls wohl daran thun,
die ganze Arbeitskraft des Personals für die bibliothekarischen Aufgaben zu
verwenden. Ich will absichtlich an dieser Stelle ununtersucht lassen, ob nicht
wenigstens bei der einen oder der andern der drei Universitätsbibliotheken,
welche mit der bisherigen Aemtercumulirung neuerdings gebrochen haben, und
auf welche meine Gegner sich beziehen, eine ähnliche Veranlassung vorgelegen
hat.

Aber die Maßregeln, welche für außerordentliche und vorübergehende
Fälle am Platz sind, können darum noch keineswegs Gemeingiltigkeit für
normale Verhältnisse und dauernde Aufgaben beanspruchen. Auf diesem Ge¬
biet, wo der Streit in der That erst beginnt, machen es sich meine Wider¬
sacher ungemein leicht; ohne Weiteres nämlich unterstellen sie, der akademische
Docent, der zugleich als Bibliothek-Beamter fungire, entbehre aller Befähig¬
ung und Neigung für den bibliothekarischen Beruf. Der professorliche Biblio¬
thekar, den die Herren mit Recht aus dem Amte treiben wollen, „braucht
nichts zu verstehen von der von ihm zu überwachenden Beamtenthätigkeit,"
vielmehr vermeint er ganz „ohne eine speciell bibliothekarische Vorbildung ge¬
nossen zu haben, die Aufgabe des Bibliothekdirectors nebenbei vollständig
ausfüllen zu können;" „er beschränkt sich im Allgemeinen darauf einige Stun¬
den des Tages, die von Vorlesungen nicht gerade in Beschlag genommen
waren, auf der Bibliothek zuzubringen, innerhalb derselben in erster Linie
privatim für sich zu arbeiten, daneben auch einige laufende Bibliotheksgeschäfte
zu absolviren, dieses Treiben aber so lange fortzusetzen, bis das günstige Ge¬
schick ihn in den Hafen einer gutdotirten akademischen Fachprofessur einlaufen
läßt." Die Brochüre ergeht sich augenscheinlich mit Vorliebe in solchen Schil¬
derungen. Begreiflich hält sich der als abschreckendes Beispiel hingestellte
Bibliothekmann auch nicht für verpflichtet, „die vorgeschriebenen Dienststunden
ausschließlich im Interesse der Bibliothek zu verwenden," vielmehr „bereitet er
sich während der gedachten Stunden ganz gemüthlich auf seine Vorlesungen
vor; ängstlich zählt er die Minuten bis zum Schluß der lästigen Dienststunden"
und sorgfältig vermeidet er „auch wohl einmal aus freiem Antrieb eine Vier¬
telstunde länger in seinem Berufe zu arbeiten." Doch genug an dieser Blumen¬
lese. Es ist, soviel mir bekannt, noch von Niemandem bezweifelt worden, daß
der Bock sich nicht sonderlich zum Gärtner eignet. Etwas schwieriger aber
soll der Beweis sein, daß alle Vierfüßler Böcke sind oder, auf unsern Gegen¬
stand übertragen, daß alle Professoren jene Sammlung mit dem bibliotheka¬
rischen Beruf unvereinbarer Eigenschaften und Neigungen in sich vereinigen.
Wer in aller Welt will denn einen Docenten, dem es so an jeder Brauch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/358>, abgerufen am 24.07.2024.