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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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ist mehrfach angegriffen worden. Widerspruch erfahren haben nicht die stati¬
stischen Zusammenstellungen und die aus denselben gezogene Nutzanwendung,
daß die Bücherfonds unserer Universitätsbibliotheken einer sehr erheblichen
Aufbesserung bedürfen, wenn nicht die Universitäten selbst allmälig aufhören
sollen, wissenschaftliche Anstalten ersten Ranges zu sein, sondern ein Neben¬
punct. Ich hatte eine Organisation des Büchereinkaufs vorgeschlagen, bei
welcher das unmittelbar entgegentretende Bedürfniß nicht bloß im Innern
als einziger Regulator für Vermehrung und Ergänzung der Bibliothek dienen,
sondern zugleich nach außen mit einem fast zwingenden Charakter ausgestattet
werden sollte. Der Grundgedanke war, den ganzen Docentenkörper der Uni¬
versität in den Dienst der Bibliothek zu nehmen und unter der Autorität
und Verantwortlichkeit einer solchen Körperschaft die drückenden finanziellen
Fesseln zu sprengen, in welche alle oder fast alle deutschen Universitätsbiblio¬
theken geschmiedet sind. Dabei mußte u. a. die Frage aufgeworfen werden,
ob es gerathener sei, an die Spitze der Universitätsbibliotheken einen Gelehr¬
ten zu stellen, der zugleich Docent, oder einen solchen, der nur Bibliothekar
ist. Ich gab der erstgenannten Einrichtung den Vorzug. Gegen diese Ent¬
scheidung nun sind gerichtet ein Aufsatz "Mittel und Aufgaben unserer Uni¬
versitätsbibliotheken" in der Augsb. Allg. Zeit. 1871, Ur. 21, Beilage S.
342 ff., eine selbständige Streitschrift*) und ein Artikel "Zur Reform der
Verwaltung unserer Universitätsbibliotheken" in Ur. 22 der "Grenzboten"
von 1871. Alle drei Entgegnungen, deren letzte mich nur bekämpft, nicht
nennt, sind anonym erschienen und stimmen in Standpunct, Ziel und Mitteln
so genau überein, daß ich berechtigt bin, meine Gegner, wenn sie wirklich in
der Mehrzahl vorhanden sind, als solidarisch mit einander verbunden zu be¬
handeln. Die Brochüre macht den Hauptangriff; der Artikel in der Augsb.
Allg- Zeitung war ein vorläufiger Protest. Der Grenzbotenaufsatz ist ein
Referat aus der Brochüre mit einzelnen wenigen Ausführungen in völlig
gleicher Manier.

Die Brochüre beginnt mit der unmittelbar praktischen Frage, in welcher
Weise bei Schöpfung einer deutschen Universität in Straßburg für Einrich¬
tung und Leitung der Universitätsbibliothek zu sorgen sei. Hätte sie sich
darauf beschränkt, für die Bibliothek dieser neuen KmlielininÄ die Anstellung
von Gelehrten zu verlangen, die nichts als Bibliothekmänner sein sollen, so
würde ich mich ohne Weiteres einverstanden erklären. Herstellung, Katalogi-
sirung, Nutzbarmachung einer Bibliothek von der dort erläßlichen Reichhaltig¬
keit ist eine Aufgabe, welche ihre Werkzeuge vollauf in Anspruch nehmen
wird. Ich kann einen Schritt weitergehen. Ist eine bereits bestehende Bi-



") Die Selbständigkeit des bibliothekarischen Berufes mit Rücksicht auf die deutschen Uni¬
versitätsbibliotheken. Geschrieben am 24. Februar 1871. Leipzig, B. G- Teubner.

ist mehrfach angegriffen worden. Widerspruch erfahren haben nicht die stati¬
stischen Zusammenstellungen und die aus denselben gezogene Nutzanwendung,
daß die Bücherfonds unserer Universitätsbibliotheken einer sehr erheblichen
Aufbesserung bedürfen, wenn nicht die Universitäten selbst allmälig aufhören
sollen, wissenschaftliche Anstalten ersten Ranges zu sein, sondern ein Neben¬
punct. Ich hatte eine Organisation des Büchereinkaufs vorgeschlagen, bei
welcher das unmittelbar entgegentretende Bedürfniß nicht bloß im Innern
als einziger Regulator für Vermehrung und Ergänzung der Bibliothek dienen,
sondern zugleich nach außen mit einem fast zwingenden Charakter ausgestattet
werden sollte. Der Grundgedanke war, den ganzen Docentenkörper der Uni¬
versität in den Dienst der Bibliothek zu nehmen und unter der Autorität
und Verantwortlichkeit einer solchen Körperschaft die drückenden finanziellen
Fesseln zu sprengen, in welche alle oder fast alle deutschen Universitätsbiblio¬
theken geschmiedet sind. Dabei mußte u. a. die Frage aufgeworfen werden,
ob es gerathener sei, an die Spitze der Universitätsbibliotheken einen Gelehr¬
ten zu stellen, der zugleich Docent, oder einen solchen, der nur Bibliothekar
ist. Ich gab der erstgenannten Einrichtung den Vorzug. Gegen diese Ent¬
scheidung nun sind gerichtet ein Aufsatz „Mittel und Aufgaben unserer Uni¬
versitätsbibliotheken" in der Augsb. Allg. Zeit. 1871, Ur. 21, Beilage S.
342 ff., eine selbständige Streitschrift*) und ein Artikel „Zur Reform der
Verwaltung unserer Universitätsbibliotheken" in Ur. 22 der „Grenzboten"
von 1871. Alle drei Entgegnungen, deren letzte mich nur bekämpft, nicht
nennt, sind anonym erschienen und stimmen in Standpunct, Ziel und Mitteln
so genau überein, daß ich berechtigt bin, meine Gegner, wenn sie wirklich in
der Mehrzahl vorhanden sind, als solidarisch mit einander verbunden zu be¬
handeln. Die Brochüre macht den Hauptangriff; der Artikel in der Augsb.
Allg- Zeitung war ein vorläufiger Protest. Der Grenzbotenaufsatz ist ein
Referat aus der Brochüre mit einzelnen wenigen Ausführungen in völlig
gleicher Manier.

Die Brochüre beginnt mit der unmittelbar praktischen Frage, in welcher
Weise bei Schöpfung einer deutschen Universität in Straßburg für Einrich¬
tung und Leitung der Universitätsbibliothek zu sorgen sei. Hätte sie sich
darauf beschränkt, für die Bibliothek dieser neuen KmlielininÄ die Anstellung
von Gelehrten zu verlangen, die nichts als Bibliothekmänner sein sollen, so
würde ich mich ohne Weiteres einverstanden erklären. Herstellung, Katalogi-
sirung, Nutzbarmachung einer Bibliothek von der dort erläßlichen Reichhaltig¬
keit ist eine Aufgabe, welche ihre Werkzeuge vollauf in Anspruch nehmen
wird. Ich kann einen Schritt weitergehen. Ist eine bereits bestehende Bi-



") Die Selbständigkeit des bibliothekarischen Berufes mit Rücksicht auf die deutschen Uni¬
versitätsbibliotheken. Geschrieben am 24. Februar 1871. Leipzig, B. G- Teubner.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/357>, abgerufen am 24.07.2024.