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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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ohne Sinn aufzugeben, ist längst das Wahrzeichen aller ächten gelehrten Ge¬
sellschaften gewesen. Daß Merck das Tiefurter Journal erhielt, bezeugt sein
Brief vom 20. October, in dem er der Herzogin für die Nahrung dankt,
welche ihm aus der Manufactur des Tiefurter Wochenblattes assignirt werde.
Auch er hielt dafür, daß das Jncognito der Autoren nicht einen geringen
Reiz für die Producte habe. Die schlankeste Taille des Orients muß eben,
äußerte er, unter dem dreifachen Schleier einen zehnfach tiefern Eindruck auf
den lüsternen Beobachter machen. Der Formen und Masken gäbe es im
Journal mancherlei von Giks von Gakelstein an bis zu den hohen Fabeln
der Empfindsamkeit. Wir andern Leute, die wir des Lebens satt sind, mögen
gern lachen und daher eigne ich mir, bemerkt er weiter, alle die komischen
Stücke insbesondere zu, sowie ich die ernsthaftere Composition der Morgen¬
röthe, die Rose u. s. w. meinem Mädchen aufbehalte, wenn sie 14 Jahre
haben wird.

Man sieht aus diesen zugleich kritischen Bemerkungen, daß das Journal
im October 1781 bis zum 6. Stück versandt war, und ein solcher Haltepunkt
ist gerade hier deßhalb wichtig, weil wir jetzt für den Goethe'schen Aufsatz,
"Der Hausball", auf den wir im zweiten Theil noch zurückkommen werden,
die Zeit seiner Entstehung bestimmen können, die also in den September, spä¬
testens Anfang October fallen wird. -- Leider ist die Ausgiebigkeit der Korre¬
spondenzen für die Geschichte des Journals sehr gering. Bis October 1781
hatte sich außer den bekannten Mitarbeitern nur Carl August durch
seinen Aufsatz *) "Ueber das Schattenspiel" (III, 2) als thätig erwiesen, wäh¬
rend der Prinz August von Gotha erst im Jahre 1782 für das Journal
gearbeitet zu haben scheint. Etwas Hervorragendes leistete er nicht, wie man
sich leicht aus den Stücken, die wir nach dem Journal-Inhalt ihm zuschrei¬
ben müssen, überzeugen kann. Er gab einige Reime und Charaden, die er
am 3. Februar nach dem halben Dutzend lieferte, außerdem Gedichtchen und
vorzüglich Uebersetzungen, aber auch ohne jeden Anspruch**) auf vorzügliche
Leistungen. Indessen kann ihm immerhin wegen seiner Thätigkeit für das
Journal eine bescheidene Stelle in unserer deutschen Literaturgeschichte gegeben
werden. Nächst ihm war auch einer der v. Dalberg'schen Brüder (Stück X, 3)
als Mitarbeiter aufgetreten, während neben den bekannten Mitarbeitern auch
Knebel Manches lieferte, und sogar die leidige Orthographie der Stücke an
vielen Stellen zu verbessern suchte (Europa 1840, S. 581 ff.).




*) Einsiedel schrieb ihn eigenhändig ab, wahrscheinlich um nicht einmal die Abschreiber
Mit der Theilnahme des Herzogs bekannt zu machen.
"
) 1782, 17. März: I^s rvponss üatsuss, <zus vous irvss cliuxnvn of kairs Zliläirmg
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ohne Sinn aufzugeben, ist längst das Wahrzeichen aller ächten gelehrten Ge¬
sellschaften gewesen. Daß Merck das Tiefurter Journal erhielt, bezeugt sein
Brief vom 20. October, in dem er der Herzogin für die Nahrung dankt,
welche ihm aus der Manufactur des Tiefurter Wochenblattes assignirt werde.
Auch er hielt dafür, daß das Jncognito der Autoren nicht einen geringen
Reiz für die Producte habe. Die schlankeste Taille des Orients muß eben,
äußerte er, unter dem dreifachen Schleier einen zehnfach tiefern Eindruck auf
den lüsternen Beobachter machen. Der Formen und Masken gäbe es im
Journal mancherlei von Giks von Gakelstein an bis zu den hohen Fabeln
der Empfindsamkeit. Wir andern Leute, die wir des Lebens satt sind, mögen
gern lachen und daher eigne ich mir, bemerkt er weiter, alle die komischen
Stücke insbesondere zu, sowie ich die ernsthaftere Composition der Morgen¬
röthe, die Rose u. s. w. meinem Mädchen aufbehalte, wenn sie 14 Jahre
haben wird.

Man sieht aus diesen zugleich kritischen Bemerkungen, daß das Journal
im October 1781 bis zum 6. Stück versandt war, und ein solcher Haltepunkt
ist gerade hier deßhalb wichtig, weil wir jetzt für den Goethe'schen Aufsatz,
„Der Hausball", auf den wir im zweiten Theil noch zurückkommen werden,
die Zeit seiner Entstehung bestimmen können, die also in den September, spä¬
testens Anfang October fallen wird. — Leider ist die Ausgiebigkeit der Korre¬
spondenzen für die Geschichte des Journals sehr gering. Bis October 1781
hatte sich außer den bekannten Mitarbeitern nur Carl August durch
seinen Aufsatz *) „Ueber das Schattenspiel" (III, 2) als thätig erwiesen, wäh¬
rend der Prinz August von Gotha erst im Jahre 1782 für das Journal
gearbeitet zu haben scheint. Etwas Hervorragendes leistete er nicht, wie man
sich leicht aus den Stücken, die wir nach dem Journal-Inhalt ihm zuschrei¬
ben müssen, überzeugen kann. Er gab einige Reime und Charaden, die er
am 3. Februar nach dem halben Dutzend lieferte, außerdem Gedichtchen und
vorzüglich Uebersetzungen, aber auch ohne jeden Anspruch**) auf vorzügliche
Leistungen. Indessen kann ihm immerhin wegen seiner Thätigkeit für das
Journal eine bescheidene Stelle in unserer deutschen Literaturgeschichte gegeben
werden. Nächst ihm war auch einer der v. Dalberg'schen Brüder (Stück X, 3)
als Mitarbeiter aufgetreten, während neben den bekannten Mitarbeitern auch
Knebel Manches lieferte, und sogar die leidige Orthographie der Stücke an
vielen Stellen zu verbessern suchte (Europa 1840, S. 581 ff.).




*) Einsiedel schrieb ihn eigenhändig ab, wahrscheinlich um nicht einmal die Abschreiber
Mit der Theilnahme des Herzogs bekannt zu machen.
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) 1782, 17. März: I^s rvponss üatsuss, <zus vous irvss cliuxnvn of kairs Zliläirmg
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[0295] ohne Sinn aufzugeben, ist längst das Wahrzeichen aller ächten gelehrten Ge¬ sellschaften gewesen. Daß Merck das Tiefurter Journal erhielt, bezeugt sein Brief vom 20. October, in dem er der Herzogin für die Nahrung dankt, welche ihm aus der Manufactur des Tiefurter Wochenblattes assignirt werde. Auch er hielt dafür, daß das Jncognito der Autoren nicht einen geringen Reiz für die Producte habe. Die schlankeste Taille des Orients muß eben, äußerte er, unter dem dreifachen Schleier einen zehnfach tiefern Eindruck auf den lüsternen Beobachter machen. Der Formen und Masken gäbe es im Journal mancherlei von Giks von Gakelstein an bis zu den hohen Fabeln der Empfindsamkeit. Wir andern Leute, die wir des Lebens satt sind, mögen gern lachen und daher eigne ich mir, bemerkt er weiter, alle die komischen Stücke insbesondere zu, sowie ich die ernsthaftere Composition der Morgen¬ röthe, die Rose u. s. w. meinem Mädchen aufbehalte, wenn sie 14 Jahre haben wird. Man sieht aus diesen zugleich kritischen Bemerkungen, daß das Journal im October 1781 bis zum 6. Stück versandt war, und ein solcher Haltepunkt ist gerade hier deßhalb wichtig, weil wir jetzt für den Goethe'schen Aufsatz, „Der Hausball", auf den wir im zweiten Theil noch zurückkommen werden, die Zeit seiner Entstehung bestimmen können, die also in den September, spä¬ testens Anfang October fallen wird. — Leider ist die Ausgiebigkeit der Korre¬ spondenzen für die Geschichte des Journals sehr gering. Bis October 1781 hatte sich außer den bekannten Mitarbeitern nur Carl August durch seinen Aufsatz *) „Ueber das Schattenspiel" (III, 2) als thätig erwiesen, wäh¬ rend der Prinz August von Gotha erst im Jahre 1782 für das Journal gearbeitet zu haben scheint. Etwas Hervorragendes leistete er nicht, wie man sich leicht aus den Stücken, die wir nach dem Journal-Inhalt ihm zuschrei¬ ben müssen, überzeugen kann. Er gab einige Reime und Charaden, die er am 3. Februar nach dem halben Dutzend lieferte, außerdem Gedichtchen und vorzüglich Uebersetzungen, aber auch ohne jeden Anspruch**) auf vorzügliche Leistungen. Indessen kann ihm immerhin wegen seiner Thätigkeit für das Journal eine bescheidene Stelle in unserer deutschen Literaturgeschichte gegeben werden. Nächst ihm war auch einer der v. Dalberg'schen Brüder (Stück X, 3) als Mitarbeiter aufgetreten, während neben den bekannten Mitarbeitern auch Knebel Manches lieferte, und sogar die leidige Orthographie der Stücke an vielen Stellen zu verbessern suchte (Europa 1840, S. 581 ff.). *) Einsiedel schrieb ihn eigenhändig ab, wahrscheinlich um nicht einmal die Abschreiber Mit der Theilnahme des Herzogs bekannt zu machen. " ) 1782, 17. März: I^s rvponss üatsuss, <zus vous irvss cliuxnvn of kairs Zliläirmg (^maul) irn nom als voopsiirtvurs an Journal 6<z 1'. in<z pönstro as roeonnaissiriiLö et leg rimsg xlirtss ize por U!trmoni>ziisiZ8, qne )'»i onvo^ör, us morit^iizut sssurvmsiit Ms une IN'vnvs ariösi maniköstv as hos tonlos.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/295>, abgerufen am 25.07.2024.