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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Unter den spätern Mitarbeitern sind die Frau v. Scharbe und die Frau
v. Werthern zu nennen, die besonders Knebel anregte, indem er seinen "bei
den kleinen Engländerinnen" Materialien aus den neuesten fremden Zeitungen
zuwies. Jedenfalls leistete die erstere Mitarbeiterin Bedeutenderes. Sie über¬
setzte, ihren theilweis auf uns gekommenen Arbeiten nach zu urtheilen" aus
Dante, Petrarch, Voltaire, englischen Dichtern, später namentlich aus Byron
(Corsar, Lara, Gjaur) und bewies in eignen Aufsätzen und Gedichten ein
vorzügliches Talent, so daß selbst Goethe ihr Gedicht an die Erinnerung
außerordentlich lobte, dessen Verfasserin ihm noch Ende 1783 nicht bekannt
geworden war.

Kräfte waren mithin genug vorhanden, das Journal zu halten, dem
Prinz August auch noch eine andere Richtung zu geben gesucht hatte.*)
Aber bereits am 13. October 1782 machte Carl August gegen Merck die Bemer¬
kung, daß die amateurs, Kenner und Mus lZöletrres in Tiefurt so karg würden,
"daß sie auf 30 Meilen weit einen Geruch von sich gäben." Im ersten
Vierteljahre 1783, nachdem vorzüglich noch Einsiedel einige Kraftanstrengungen
bewiesen, ging das Journal ein.

Somit bliebe uns noch die Lösung der Hauptaufgabe, die literarische
Bedeutung des Journals nachzuweisen, übrig. In erster Reihe ist
dasselbe eine Fundgrube Goethe'scher Werke. Auf Grund des aufgefundenen
Originalconceptes kann nunmehr die im VI. und IX. Stück sich findende Er¬
zählung "Der Hausball" ganz unbedenklich in Goethe's Werke aufgenommen
werden. Denn wir sehen aus dem Concepte, daß Goethe diese Arbeit seinem
Schreiber in die Feder dictirte, schließlich sie eigenhändig durchcorrigirte und
nicht allein mit wesentlichen Aenderungen versah, sondern auch Bemerkungen
für die Abschreiber des Journals einfließen ließ.

Auch die im IX. Stück **) auftauchenden Gedichte Goethe's sind von der
Hand seines Schreibers. Die Gedichte "An die Heuschrecke" und "Aus dem
Griechischen" sind sammt ihren dem Journal entnommenen Abweichungen
(Strehlke II, 462 u. 1,179) bekannt; jedoch ist der Forschung bisher entgangen (vgl.
Biedermann x. 23), daß die ursprüngliche Fassung des zweiten Gedichtes nur aus
dem Journal zu ersehen ist, welches in der ersten Strophe die Stelle: "Gram
und Sorg' auf einmal zu vertrinken" nicht aufzuweisen hat. An einen Fehler
des Abschreibers, sowohl des Goethe'schen als der Abschreiber des Journals
ist nicht zu denken, da alle Exemplare übereinstimmen. Ueberdies bietet das
Gedicht auch andere kleinere Abweichungen.***)





1782, 20. MÄrz: ^<z Woiriüs, Mo Is Journal av 1°. ssrsit UII vliÄmp et'of tÄvor-Me-
pour ^ "Sliuzr nos voi'nus nouvvllss.
-) Nicht im 6., wie I 17g bei Strehlke.
"") Es heißt ursprünglich: Da er Lida, Dich mit sanfter Leitung und Wenn ich Deine
lieben Hüften halte.

Unter den spätern Mitarbeitern sind die Frau v. Scharbe und die Frau
v. Werthern zu nennen, die besonders Knebel anregte, indem er seinen „bei
den kleinen Engländerinnen" Materialien aus den neuesten fremden Zeitungen
zuwies. Jedenfalls leistete die erstere Mitarbeiterin Bedeutenderes. Sie über¬
setzte, ihren theilweis auf uns gekommenen Arbeiten nach zu urtheilen» aus
Dante, Petrarch, Voltaire, englischen Dichtern, später namentlich aus Byron
(Corsar, Lara, Gjaur) und bewies in eignen Aufsätzen und Gedichten ein
vorzügliches Talent, so daß selbst Goethe ihr Gedicht an die Erinnerung
außerordentlich lobte, dessen Verfasserin ihm noch Ende 1783 nicht bekannt
geworden war.

Kräfte waren mithin genug vorhanden, das Journal zu halten, dem
Prinz August auch noch eine andere Richtung zu geben gesucht hatte.*)
Aber bereits am 13. October 1782 machte Carl August gegen Merck die Bemer¬
kung, daß die amateurs, Kenner und Mus lZöletrres in Tiefurt so karg würden,
„daß sie auf 30 Meilen weit einen Geruch von sich gäben." Im ersten
Vierteljahre 1783, nachdem vorzüglich noch Einsiedel einige Kraftanstrengungen
bewiesen, ging das Journal ein.

Somit bliebe uns noch die Lösung der Hauptaufgabe, die literarische
Bedeutung des Journals nachzuweisen, übrig. In erster Reihe ist
dasselbe eine Fundgrube Goethe'scher Werke. Auf Grund des aufgefundenen
Originalconceptes kann nunmehr die im VI. und IX. Stück sich findende Er¬
zählung „Der Hausball" ganz unbedenklich in Goethe's Werke aufgenommen
werden. Denn wir sehen aus dem Concepte, daß Goethe diese Arbeit seinem
Schreiber in die Feder dictirte, schließlich sie eigenhändig durchcorrigirte und
nicht allein mit wesentlichen Aenderungen versah, sondern auch Bemerkungen
für die Abschreiber des Journals einfließen ließ.

Auch die im IX. Stück **) auftauchenden Gedichte Goethe's sind von der
Hand seines Schreibers. Die Gedichte „An die Heuschrecke" und „Aus dem
Griechischen" sind sammt ihren dem Journal entnommenen Abweichungen
(Strehlke II, 462 u. 1,179) bekannt; jedoch ist der Forschung bisher entgangen (vgl.
Biedermann x. 23), daß die ursprüngliche Fassung des zweiten Gedichtes nur aus
dem Journal zu ersehen ist, welches in der ersten Strophe die Stelle: „Gram
und Sorg' auf einmal zu vertrinken" nicht aufzuweisen hat. An einen Fehler
des Abschreibers, sowohl des Goethe'schen als der Abschreiber des Journals
ist nicht zu denken, da alle Exemplare übereinstimmen. Ueberdies bietet das
Gedicht auch andere kleinere Abweichungen.***)





1782, 20. MÄrz: ^<z Woiriüs, Mo Is Journal av 1°. ssrsit UII vliÄmp et'of tÄvor-Me-
pour ^ «Sliuzr nos voi'nus nouvvllss.
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"") Es heißt ursprünglich: Da er Lida, Dich mit sanfter Leitung und Wenn ich Deine
lieben Hüften halte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/296>, abgerufen am 25.07.2024.