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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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wie Dietrich oder Eulogius Schneider u. A. den unauslöschlichen Ge¬
gensatz schildert, der zwischen deutsch und wälsch besteht, das tiefe Mißtrauen,
das die Franzosen gegen alle Elsässer hatten, das dann zu jenem Racenkampfe
führte, in dem die deutschen Republikaner, nur um als Republikaner zu gel¬
ten, allen Unsinn der Franzosen mit machten, nur um diesen als ebenbürtig
zu erscheinen, und trotzdem keinen Dank fanden. Denn hielten sie auch Schritt
im Gebiete des demokratischen Wahnsinns, "so waren sie doch immer
Stümper geblieben auf dem Felde französischer Grausamkeit."
Es paßt ganz zu dem, was wir in den letzten Tagen schaudernd miterlebt,
wenn wir da lesen, daß die Republikaner jener Tage im Ernste daran dach¬
ten, den Straßburger Münsterthurm abtragen zu lassen, "um den widerlichen
Anblick eines die andern überragenden Gebäudes zu beseitigen." Und neben
diesem Blödsinn kam auch der unverhüllte Haß gegen die Elsässer zum Aus¬
druck, man dachte daran, alle Elsässer, die nicht französisch verständen, zu
deportiren, oder wenigstens in das Innere von Frankreich zu verpflanzen, ja
Monet erklärte es sogar "als Aufgabe der Revolution, die Deut¬
schen in der "gefährlichen Grenzprovinz" zu vernichten(I). Der¬
selbe Monet sprach ausdrücklich von der eingewurzelten Antipathie der
Elsässer gegen die Franzosen und der offenbaren Neigung der¬
selben zum Deutsch thun." So weit hatte es vornehmlich die Antipathie
gegen die antireligiöse und anarchische Haltung der revolutionären Franzosen
gebracht; eben erst das geordnete Regime Napoleon's fand hier die meisten
Anhänger und konnte zur Französirung der Elsässer mit großem Erfolge
schreiten. -- Wir übergehen die interessante Darstellung dieses Processes, die
Aufzählung berühmter Elsässer -- nur die Straßburger Keil er manu und
Kleber wollen wir nennen -- die Schilderung der Möglichkeiten, Elsaß wie¬
der für Deutschland zu gewinnen, und die Darlegung, wie sich Preußen dazu
verhalten (S. 210). Auch unter all dem "assichtcn Treiben" der Gallomanen
und deren geistigen Zwitterleben, das nun anhub, sand durch eine Reihe
tüchtiger Männer, durch die Hirtz, Stöber, Reuß, Arnold u. A. das
specifische Elsässerthum Nahrung und Selbstbewußtsein, das Elsässerthum, das
nothwendig zur deutschen Gesinnung führen muß. Denn wie Fürst Bis-
marck erst kürzlich äußerte: je mehr die Elsässer Elsässer, werden, desto bessere
Deutsche werden sie sein. Und je mehr dort im Elsaß das Provincielle und
damit das Nationale betont ward, desto hoffender sahen auch wir wieder über
den Rhein. Görres, der so oft das Rechte getroffen, sprach denn auch da¬
mals ein prophetisches Wort: Daß diese Provinzen (Elsaß und Lothringen)
uns angehören, ist allem Volke klar und somit sind sie ein Gegenstand
künftigen Streites geworden, sie werden uns auch einmal zu Theil
werden, wenn wir erst dazu gekommen, uns von innen also auszuklä-


wie Dietrich oder Eulogius Schneider u. A. den unauslöschlichen Ge¬
gensatz schildert, der zwischen deutsch und wälsch besteht, das tiefe Mißtrauen,
das die Franzosen gegen alle Elsässer hatten, das dann zu jenem Racenkampfe
führte, in dem die deutschen Republikaner, nur um als Republikaner zu gel¬
ten, allen Unsinn der Franzosen mit machten, nur um diesen als ebenbürtig
zu erscheinen, und trotzdem keinen Dank fanden. Denn hielten sie auch Schritt
im Gebiete des demokratischen Wahnsinns, „so waren sie doch immer
Stümper geblieben auf dem Felde französischer Grausamkeit."
Es paßt ganz zu dem, was wir in den letzten Tagen schaudernd miterlebt,
wenn wir da lesen, daß die Republikaner jener Tage im Ernste daran dach¬
ten, den Straßburger Münsterthurm abtragen zu lassen, „um den widerlichen
Anblick eines die andern überragenden Gebäudes zu beseitigen." Und neben
diesem Blödsinn kam auch der unverhüllte Haß gegen die Elsässer zum Aus¬
druck, man dachte daran, alle Elsässer, die nicht französisch verständen, zu
deportiren, oder wenigstens in das Innere von Frankreich zu verpflanzen, ja
Monet erklärte es sogar „als Aufgabe der Revolution, die Deut¬
schen in der „gefährlichen Grenzprovinz" zu vernichten(I). Der¬
selbe Monet sprach ausdrücklich von der eingewurzelten Antipathie der
Elsässer gegen die Franzosen und der offenbaren Neigung der¬
selben zum Deutsch thun." So weit hatte es vornehmlich die Antipathie
gegen die antireligiöse und anarchische Haltung der revolutionären Franzosen
gebracht; eben erst das geordnete Regime Napoleon's fand hier die meisten
Anhänger und konnte zur Französirung der Elsässer mit großem Erfolge
schreiten. — Wir übergehen die interessante Darstellung dieses Processes, die
Aufzählung berühmter Elsässer — nur die Straßburger Keil er manu und
Kleber wollen wir nennen — die Schilderung der Möglichkeiten, Elsaß wie¬
der für Deutschland zu gewinnen, und die Darlegung, wie sich Preußen dazu
verhalten (S. 210). Auch unter all dem „assichtcn Treiben" der Gallomanen
und deren geistigen Zwitterleben, das nun anhub, sand durch eine Reihe
tüchtiger Männer, durch die Hirtz, Stöber, Reuß, Arnold u. A. das
specifische Elsässerthum Nahrung und Selbstbewußtsein, das Elsässerthum, das
nothwendig zur deutschen Gesinnung führen muß. Denn wie Fürst Bis-
marck erst kürzlich äußerte: je mehr die Elsässer Elsässer, werden, desto bessere
Deutsche werden sie sein. Und je mehr dort im Elsaß das Provincielle und
damit das Nationale betont ward, desto hoffender sahen auch wir wieder über
den Rhein. Görres, der so oft das Rechte getroffen, sprach denn auch da¬
mals ein prophetisches Wort: Daß diese Provinzen (Elsaß und Lothringen)
uns angehören, ist allem Volke klar und somit sind sie ein Gegenstand
künftigen Streites geworden, sie werden uns auch einmal zu Theil
werden, wenn wir erst dazu gekommen, uns von innen also auszuklä-


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[0286] wie Dietrich oder Eulogius Schneider u. A. den unauslöschlichen Ge¬ gensatz schildert, der zwischen deutsch und wälsch besteht, das tiefe Mißtrauen, das die Franzosen gegen alle Elsässer hatten, das dann zu jenem Racenkampfe führte, in dem die deutschen Republikaner, nur um als Republikaner zu gel¬ ten, allen Unsinn der Franzosen mit machten, nur um diesen als ebenbürtig zu erscheinen, und trotzdem keinen Dank fanden. Denn hielten sie auch Schritt im Gebiete des demokratischen Wahnsinns, „so waren sie doch immer Stümper geblieben auf dem Felde französischer Grausamkeit." Es paßt ganz zu dem, was wir in den letzten Tagen schaudernd miterlebt, wenn wir da lesen, daß die Republikaner jener Tage im Ernste daran dach¬ ten, den Straßburger Münsterthurm abtragen zu lassen, „um den widerlichen Anblick eines die andern überragenden Gebäudes zu beseitigen." Und neben diesem Blödsinn kam auch der unverhüllte Haß gegen die Elsässer zum Aus¬ druck, man dachte daran, alle Elsässer, die nicht französisch verständen, zu deportiren, oder wenigstens in das Innere von Frankreich zu verpflanzen, ja Monet erklärte es sogar „als Aufgabe der Revolution, die Deut¬ schen in der „gefährlichen Grenzprovinz" zu vernichten(I). Der¬ selbe Monet sprach ausdrücklich von der eingewurzelten Antipathie der Elsässer gegen die Franzosen und der offenbaren Neigung der¬ selben zum Deutsch thun." So weit hatte es vornehmlich die Antipathie gegen die antireligiöse und anarchische Haltung der revolutionären Franzosen gebracht; eben erst das geordnete Regime Napoleon's fand hier die meisten Anhänger und konnte zur Französirung der Elsässer mit großem Erfolge schreiten. — Wir übergehen die interessante Darstellung dieses Processes, die Aufzählung berühmter Elsässer — nur die Straßburger Keil er manu und Kleber wollen wir nennen — die Schilderung der Möglichkeiten, Elsaß wie¬ der für Deutschland zu gewinnen, und die Darlegung, wie sich Preußen dazu verhalten (S. 210). Auch unter all dem „assichtcn Treiben" der Gallomanen und deren geistigen Zwitterleben, das nun anhub, sand durch eine Reihe tüchtiger Männer, durch die Hirtz, Stöber, Reuß, Arnold u. A. das specifische Elsässerthum Nahrung und Selbstbewußtsein, das Elsässerthum, das nothwendig zur deutschen Gesinnung führen muß. Denn wie Fürst Bis- marck erst kürzlich äußerte: je mehr die Elsässer Elsässer, werden, desto bessere Deutsche werden sie sein. Und je mehr dort im Elsaß das Provincielle und damit das Nationale betont ward, desto hoffender sahen auch wir wieder über den Rhein. Görres, der so oft das Rechte getroffen, sprach denn auch da¬ mals ein prophetisches Wort: Daß diese Provinzen (Elsaß und Lothringen) uns angehören, ist allem Volke klar und somit sind sie ein Gegenstand künftigen Streites geworden, sie werden uns auch einmal zu Theil werden, wenn wir erst dazu gekommen, uns von innen also auszuklä-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/286>, abgerufen am 24.07.2024.