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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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"inneren Wache." Erstere sind jetzt, nachdem das finländische Corps mit der
Reichsarmee vereinigt ist, nur noch im Kaukasus vorhanden. Es bedarf blos
der Bestimmung, daß sie nicht blos in diesen Gebirgsgebieten, sondern auch
außerhalb der Reichsgrenzen verwendet werden dürfen, um aus ihnen 3 Di¬
visionen Auszugsinfanterie zu machen. Die 13 Festungsbataillone,
welche, wie erwähnt, im Kriege durch die Volksmiliz ersetzt werden sollen,
geben eine weitere Division. Die Gouvernementsbataillone, welche
blos die Bestimmung haben, nach Abmarsch der Linientruppen die Wachen
in den Städten zu beziehen, sollen ebenfalls durch Abtheilungen der Volks¬
miliz ersetzt werden. Sie liefern, 63 an der Zahl, das Material zu 4 Divi¬
sionen Feldtruppen. Nur der Ersparniß wegen empfiehlt Fadejew vom mili¬
tärischen Standpunct aus die Auflösung der Inneren Wache, welche aus
Invaliden besteht und früher 130,000 Mann stark war, jetzt noch immer
deren gegen 100,000 zählt. Zum Polizeidienst, für den sie gehalten werden,
taugen sie nicht, und sollen daher durch 30,000 rüstige Gensdarmen ersetzt
werden. Zum Felddienst können sie allerdings auch nicht verwendet werden.

Außer den 8 Divisionen Feldtruppen, welche aus den kaukasischen, Fest-
ungs- und Gouvernementsbataillonen gebildet werden sollen, fehlen noch
deren 3, um die schon vorhandenen 47 auf 60 zu erhöhen. Wenn diese neu
gebildet werden, so soll die dadurch und durch die allen 13 neuen Felddivi¬
sionen beizugebenden technischen Truppen bewirkte Mehrausgabe durch ver¬
schiedene Einschränkungen, hauptsächlich aber durch Herabsetzung der Frie¬
densstärke auf 320 Mann beim Bataillon, wieder erspart werden. Wenn
dann die Präsenzzeit von 8 auf 3^ Jahre, die Dienstzeit überhaupt von 15
auf 12 Jahre abgekürzt würde, so besäße man für das Bataillon immer noch
reichlich 1000 Mann gut geschulte Soldaten.

Mit großer Entschiedenheit tritt Fadejew gegen den Gebrauch auf, die
Urlauber bei der Verstärkung des Truppenstandes in beliebige andere Re¬
gimenter einzustellen, als in welchen sie vordem gestanden haben. Er stellt
den Grundsatz auf: "Man kann sich nur dann im Kriege auf einen Trup¬
pentheil verlassen, wenn er aus Leuten besteht, welche ein sittliches Band um¬
schlossen hält, welche eine Kameradschaft bilden." Von der Schädlichkeit des
bestehenden Systems giebt er u. a. durch den Hinweis auf Waterloo einen
Beweis. Die erst kurz vor dem Feldzug formirte französische Armee bestand
beinahe Mann sür Mann aus alten kampfbewährten Soldaten, welche von
allen Enden Europas, aus der Gefangenschaft und aus fernen Garnisonen
heimgekehrt waren; diese Leute wurden aber zu neuen Regimentern gruppirt
und kannten weder ihre Anführer noch einer den anderen. Napoleon sagte:
"1s. terre yui xorte cetto g,rin6<z en est Lörs", und er hatte Recht in Bezug
auf jeden einzelnen Mann. Aber was geschah? Diese alten Soldaten schlugen


„inneren Wache." Erstere sind jetzt, nachdem das finländische Corps mit der
Reichsarmee vereinigt ist, nur noch im Kaukasus vorhanden. Es bedarf blos
der Bestimmung, daß sie nicht blos in diesen Gebirgsgebieten, sondern auch
außerhalb der Reichsgrenzen verwendet werden dürfen, um aus ihnen 3 Di¬
visionen Auszugsinfanterie zu machen. Die 13 Festungsbataillone,
welche, wie erwähnt, im Kriege durch die Volksmiliz ersetzt werden sollen,
geben eine weitere Division. Die Gouvernementsbataillone, welche
blos die Bestimmung haben, nach Abmarsch der Linientruppen die Wachen
in den Städten zu beziehen, sollen ebenfalls durch Abtheilungen der Volks¬
miliz ersetzt werden. Sie liefern, 63 an der Zahl, das Material zu 4 Divi¬
sionen Feldtruppen. Nur der Ersparniß wegen empfiehlt Fadejew vom mili¬
tärischen Standpunct aus die Auflösung der Inneren Wache, welche aus
Invaliden besteht und früher 130,000 Mann stark war, jetzt noch immer
deren gegen 100,000 zählt. Zum Polizeidienst, für den sie gehalten werden,
taugen sie nicht, und sollen daher durch 30,000 rüstige Gensdarmen ersetzt
werden. Zum Felddienst können sie allerdings auch nicht verwendet werden.

Außer den 8 Divisionen Feldtruppen, welche aus den kaukasischen, Fest-
ungs- und Gouvernementsbataillonen gebildet werden sollen, fehlen noch
deren 3, um die schon vorhandenen 47 auf 60 zu erhöhen. Wenn diese neu
gebildet werden, so soll die dadurch und durch die allen 13 neuen Felddivi¬
sionen beizugebenden technischen Truppen bewirkte Mehrausgabe durch ver¬
schiedene Einschränkungen, hauptsächlich aber durch Herabsetzung der Frie¬
densstärke auf 320 Mann beim Bataillon, wieder erspart werden. Wenn
dann die Präsenzzeit von 8 auf 3^ Jahre, die Dienstzeit überhaupt von 15
auf 12 Jahre abgekürzt würde, so besäße man für das Bataillon immer noch
reichlich 1000 Mann gut geschulte Soldaten.

Mit großer Entschiedenheit tritt Fadejew gegen den Gebrauch auf, die
Urlauber bei der Verstärkung des Truppenstandes in beliebige andere Re¬
gimenter einzustellen, als in welchen sie vordem gestanden haben. Er stellt
den Grundsatz auf: „Man kann sich nur dann im Kriege auf einen Trup¬
pentheil verlassen, wenn er aus Leuten besteht, welche ein sittliches Band um¬
schlossen hält, welche eine Kameradschaft bilden." Von der Schädlichkeit des
bestehenden Systems giebt er u. a. durch den Hinweis auf Waterloo einen
Beweis. Die erst kurz vor dem Feldzug formirte französische Armee bestand
beinahe Mann sür Mann aus alten kampfbewährten Soldaten, welche von
allen Enden Europas, aus der Gefangenschaft und aus fernen Garnisonen
heimgekehrt waren; diese Leute wurden aber zu neuen Regimentern gruppirt
und kannten weder ihre Anführer noch einer den anderen. Napoleon sagte:
„1s. terre yui xorte cetto g,rin6<z en est Lörs", und er hatte Recht in Bezug
auf jeden einzelnen Mann. Aber was geschah? Diese alten Soldaten schlugen


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[0258] „inneren Wache." Erstere sind jetzt, nachdem das finländische Corps mit der Reichsarmee vereinigt ist, nur noch im Kaukasus vorhanden. Es bedarf blos der Bestimmung, daß sie nicht blos in diesen Gebirgsgebieten, sondern auch außerhalb der Reichsgrenzen verwendet werden dürfen, um aus ihnen 3 Di¬ visionen Auszugsinfanterie zu machen. Die 13 Festungsbataillone, welche, wie erwähnt, im Kriege durch die Volksmiliz ersetzt werden sollen, geben eine weitere Division. Die Gouvernementsbataillone, welche blos die Bestimmung haben, nach Abmarsch der Linientruppen die Wachen in den Städten zu beziehen, sollen ebenfalls durch Abtheilungen der Volks¬ miliz ersetzt werden. Sie liefern, 63 an der Zahl, das Material zu 4 Divi¬ sionen Feldtruppen. Nur der Ersparniß wegen empfiehlt Fadejew vom mili¬ tärischen Standpunct aus die Auflösung der Inneren Wache, welche aus Invaliden besteht und früher 130,000 Mann stark war, jetzt noch immer deren gegen 100,000 zählt. Zum Polizeidienst, für den sie gehalten werden, taugen sie nicht, und sollen daher durch 30,000 rüstige Gensdarmen ersetzt werden. Zum Felddienst können sie allerdings auch nicht verwendet werden. Außer den 8 Divisionen Feldtruppen, welche aus den kaukasischen, Fest- ungs- und Gouvernementsbataillonen gebildet werden sollen, fehlen noch deren 3, um die schon vorhandenen 47 auf 60 zu erhöhen. Wenn diese neu gebildet werden, so soll die dadurch und durch die allen 13 neuen Felddivi¬ sionen beizugebenden technischen Truppen bewirkte Mehrausgabe durch ver¬ schiedene Einschränkungen, hauptsächlich aber durch Herabsetzung der Frie¬ densstärke auf 320 Mann beim Bataillon, wieder erspart werden. Wenn dann die Präsenzzeit von 8 auf 3^ Jahre, die Dienstzeit überhaupt von 15 auf 12 Jahre abgekürzt würde, so besäße man für das Bataillon immer noch reichlich 1000 Mann gut geschulte Soldaten. Mit großer Entschiedenheit tritt Fadejew gegen den Gebrauch auf, die Urlauber bei der Verstärkung des Truppenstandes in beliebige andere Re¬ gimenter einzustellen, als in welchen sie vordem gestanden haben. Er stellt den Grundsatz auf: „Man kann sich nur dann im Kriege auf einen Trup¬ pentheil verlassen, wenn er aus Leuten besteht, welche ein sittliches Band um¬ schlossen hält, welche eine Kameradschaft bilden." Von der Schädlichkeit des bestehenden Systems giebt er u. a. durch den Hinweis auf Waterloo einen Beweis. Die erst kurz vor dem Feldzug formirte französische Armee bestand beinahe Mann sür Mann aus alten kampfbewährten Soldaten, welche von allen Enden Europas, aus der Gefangenschaft und aus fernen Garnisonen heimgekehrt waren; diese Leute wurden aber zu neuen Regimentern gruppirt und kannten weder ihre Anführer noch einer den anderen. Napoleon sagte: „1s. terre yui xorte cetto g,rin6<z en est Lörs", und er hatte Recht in Bezug auf jeden einzelnen Mann. Aber was geschah? Diese alten Soldaten schlugen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/258>, abgerufen am 25.07.2024.