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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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die Nothwendigkeit einer durchgreifenden Reform der Verfassung und Ver¬
waltung an sich nicht in Abrede gezogen, sondern nur mit Rücksicht auf den
raschen Fluß der Reichsgesetzgebung vorerst noch einen Aufschub für geboten
erachtet.

Sehen wir von diesen Problemen ab, so haben die beiden brennenden
Fragen des letztversammelten Landtags, die provisorische Steuererhöhung und
die Bankfrage, schließlich ihre Erledigung durch ein Compromiß gefunden, in¬
dem die Stände, was den erstem Punkt anbelangt, statt der angesonnenen
Steuererhöhung von 40 resp. 25 °/<> in eine solche von nur 20 beziehungs¬
weise von 10 "/<> als nachweisbar genügend einwilligten.

In der Banksrage bot die Regierung und das alte Gründerconsortium,
nachdem sich die demokratischen Angriffe als bloße Concurenzbestrebungen er¬
wiesen hatten, alle Mittel auf, um das Bankproject zu retten , und es kam
schließlich ein Vergleich zu Stande, nach welchem der Staat für das der Bank
vorläufig eingeräumte Monopol der Notenausgabe bis zum Belauf von 13
Millionen Gulden '/z des reinen jährlichen Bankgewinns über 5 "/<, des ein¬
gezahlten Actiencapitals erhalten sollte, ohne übrigens der Bank und ihren
Noten gegenüber irgend eine Verbindlichkeit einzugehen, und außerdem dem
Publicum gewisse Zugeständnisse bei der Zeichung der Actien gemacht wurden.
Auffallend war hiebei, wie nachdrücklich gerade von Seiten des Ministeriums
die Nothwendigkeit premirt wurde, noch vor dem 1. Januar 1872 eine
württembergische Notenbank zu gründen, da von dort an die preußische Bank
oder eine zu gründende Reichsbank ihre Wirksamkeit auch auf Württemberg
ausdehnen würde. Man fürchtete somit offenbar, auch in commercieller Be¬
ziehung vom Reich abhängig zu werden, und daß namentlich Stuttgart in
seiner Eigenschaft als schwäbisches Verkehrscentrum beeinträchtigt werden
könnte. Dabei ließen sich Regierung und Stände, indem sie die Creirung
von weiteren 3 Millionen Gulden Papiergeld und die Emission von 15 Mil¬
lionen in Banknoten beschlossen, gleichmäßig von dem Gedanken beherrschen,
daß bei der bereits vorhandenen Verwirrung der Zustand der Papiergeld-
Wirthschaft in Deutschland nicht wesentlich verschlimmert werden könne, wenn
auch Württemberg im letzten Augenblicke noch sich den bestehenden gesetzlichen
Zustand zu Nutzen mache, um sich bei der bevorstehenden reichsgesetzlichen
Normirung der Papiergeld- und Notenfrage in ein möglichst gleiches Niveau
mit den übrigen Kleinstaaten zu setzen. Nur Mo si, der gegenüber seinem
bisherigen großdeutschen Fanatismus wie umgewandelt erschien, blieb seinen
alten volkswirtschaftlichen Grundsätzen getreu und wies zur Abwendung der
überhandnehmenden Papierwirthschaft auf die soliden Grundlagen der preußi¬
schen und Hamburgischen Handels- und Geld-Politik hin.

Ein erheiterndes Intermezzo bildete die Anfrage des groß-deutschen De-


die Nothwendigkeit einer durchgreifenden Reform der Verfassung und Ver¬
waltung an sich nicht in Abrede gezogen, sondern nur mit Rücksicht auf den
raschen Fluß der Reichsgesetzgebung vorerst noch einen Aufschub für geboten
erachtet.

Sehen wir von diesen Problemen ab, so haben die beiden brennenden
Fragen des letztversammelten Landtags, die provisorische Steuererhöhung und
die Bankfrage, schließlich ihre Erledigung durch ein Compromiß gefunden, in¬
dem die Stände, was den erstem Punkt anbelangt, statt der angesonnenen
Steuererhöhung von 40 resp. 25 °/<> in eine solche von nur 20 beziehungs¬
weise von 10 "/<> als nachweisbar genügend einwilligten.

In der Banksrage bot die Regierung und das alte Gründerconsortium,
nachdem sich die demokratischen Angriffe als bloße Concurenzbestrebungen er¬
wiesen hatten, alle Mittel auf, um das Bankproject zu retten , und es kam
schließlich ein Vergleich zu Stande, nach welchem der Staat für das der Bank
vorläufig eingeräumte Monopol der Notenausgabe bis zum Belauf von 13
Millionen Gulden '/z des reinen jährlichen Bankgewinns über 5 "/<, des ein¬
gezahlten Actiencapitals erhalten sollte, ohne übrigens der Bank und ihren
Noten gegenüber irgend eine Verbindlichkeit einzugehen, und außerdem dem
Publicum gewisse Zugeständnisse bei der Zeichung der Actien gemacht wurden.
Auffallend war hiebei, wie nachdrücklich gerade von Seiten des Ministeriums
die Nothwendigkeit premirt wurde, noch vor dem 1. Januar 1872 eine
württembergische Notenbank zu gründen, da von dort an die preußische Bank
oder eine zu gründende Reichsbank ihre Wirksamkeit auch auf Württemberg
ausdehnen würde. Man fürchtete somit offenbar, auch in commercieller Be¬
ziehung vom Reich abhängig zu werden, und daß namentlich Stuttgart in
seiner Eigenschaft als schwäbisches Verkehrscentrum beeinträchtigt werden
könnte. Dabei ließen sich Regierung und Stände, indem sie die Creirung
von weiteren 3 Millionen Gulden Papiergeld und die Emission von 15 Mil¬
lionen in Banknoten beschlossen, gleichmäßig von dem Gedanken beherrschen,
daß bei der bereits vorhandenen Verwirrung der Zustand der Papiergeld-
Wirthschaft in Deutschland nicht wesentlich verschlimmert werden könne, wenn
auch Württemberg im letzten Augenblicke noch sich den bestehenden gesetzlichen
Zustand zu Nutzen mache, um sich bei der bevorstehenden reichsgesetzlichen
Normirung der Papiergeld- und Notenfrage in ein möglichst gleiches Niveau
mit den übrigen Kleinstaaten zu setzen. Nur Mo si, der gegenüber seinem
bisherigen großdeutschen Fanatismus wie umgewandelt erschien, blieb seinen
alten volkswirtschaftlichen Grundsätzen getreu und wies zur Abwendung der
überhandnehmenden Papierwirthschaft auf die soliden Grundlagen der preußi¬
schen und Hamburgischen Handels- und Geld-Politik hin.

Ein erheiterndes Intermezzo bildete die Anfrage des groß-deutschen De-


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[0237] die Nothwendigkeit einer durchgreifenden Reform der Verfassung und Ver¬ waltung an sich nicht in Abrede gezogen, sondern nur mit Rücksicht auf den raschen Fluß der Reichsgesetzgebung vorerst noch einen Aufschub für geboten erachtet. Sehen wir von diesen Problemen ab, so haben die beiden brennenden Fragen des letztversammelten Landtags, die provisorische Steuererhöhung und die Bankfrage, schließlich ihre Erledigung durch ein Compromiß gefunden, in¬ dem die Stände, was den erstem Punkt anbelangt, statt der angesonnenen Steuererhöhung von 40 resp. 25 °/<> in eine solche von nur 20 beziehungs¬ weise von 10 "/<> als nachweisbar genügend einwilligten. In der Banksrage bot die Regierung und das alte Gründerconsortium, nachdem sich die demokratischen Angriffe als bloße Concurenzbestrebungen er¬ wiesen hatten, alle Mittel auf, um das Bankproject zu retten , und es kam schließlich ein Vergleich zu Stande, nach welchem der Staat für das der Bank vorläufig eingeräumte Monopol der Notenausgabe bis zum Belauf von 13 Millionen Gulden '/z des reinen jährlichen Bankgewinns über 5 "/<, des ein¬ gezahlten Actiencapitals erhalten sollte, ohne übrigens der Bank und ihren Noten gegenüber irgend eine Verbindlichkeit einzugehen, und außerdem dem Publicum gewisse Zugeständnisse bei der Zeichung der Actien gemacht wurden. Auffallend war hiebei, wie nachdrücklich gerade von Seiten des Ministeriums die Nothwendigkeit premirt wurde, noch vor dem 1. Januar 1872 eine württembergische Notenbank zu gründen, da von dort an die preußische Bank oder eine zu gründende Reichsbank ihre Wirksamkeit auch auf Württemberg ausdehnen würde. Man fürchtete somit offenbar, auch in commercieller Be¬ ziehung vom Reich abhängig zu werden, und daß namentlich Stuttgart in seiner Eigenschaft als schwäbisches Verkehrscentrum beeinträchtigt werden könnte. Dabei ließen sich Regierung und Stände, indem sie die Creirung von weiteren 3 Millionen Gulden Papiergeld und die Emission von 15 Mil¬ lionen in Banknoten beschlossen, gleichmäßig von dem Gedanken beherrschen, daß bei der bereits vorhandenen Verwirrung der Zustand der Papiergeld- Wirthschaft in Deutschland nicht wesentlich verschlimmert werden könne, wenn auch Württemberg im letzten Augenblicke noch sich den bestehenden gesetzlichen Zustand zu Nutzen mache, um sich bei der bevorstehenden reichsgesetzlichen Normirung der Papiergeld- und Notenfrage in ein möglichst gleiches Niveau mit den übrigen Kleinstaaten zu setzen. Nur Mo si, der gegenüber seinem bisherigen großdeutschen Fanatismus wie umgewandelt erschien, blieb seinen alten volkswirtschaftlichen Grundsätzen getreu und wies zur Abwendung der überhandnehmenden Papierwirthschaft auf die soliden Grundlagen der preußi¬ schen und Hamburgischen Handels- und Geld-Politik hin. Ein erheiterndes Intermezzo bildete die Anfrage des groß-deutschen De-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/237>, abgerufen am 24.07.2024.