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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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innern nur an die traurige pecuniäre Stellung dieser Vertreter und den Mangel
an aller Autorität, unter dem sie selbst an Plätzen wie Petersburg leiden
und welche in letzter Zeit wiederholt auch in öffentlichen Gerichtsverhandlun¬
gen zu Tage trat. Nicht ohne Grund haben sich daher neuerdings die besser
situirter Elemente unseres Adels von dieser Laufbahn zurückgezogen. So
kommt es denn, daß unsere diplomatischen Agenten bei der ihnen völlig ab¬
gehenden eigenen Geschäftskenntniß und Routine wie in Ermangelung einer
gesandtschaftlichen Kanzlei sich gar nicht in der Lage befinden, den Anforde¬
rungen des heutigen Verkehrs auch nur entfernt zu entsprechen, und daher
den Interessen der Landeskinder durch einen einfachen kaufmännischen Consul
weit besser gedient wäre als durch Männer, deren Hauptthätigkeit in persön¬
lichen Berichten über Hofklatsch, wenn nicht gar in Besorgung ganz profaner
Commissionen besteht. Auch der Umstand, daß der Minister der auswärtigen
Angelegenheiten, obgleich mit diesem neuen Zweig gänzlich unbekannt, das
Departement der Verkehrsanstalten zu leiten übernommen hat, dürfte die
Entbehrlichkeit seines Postens nicht ausschließen, sondern vielmehr nur einen
schlagenden Beweis dafür abgeben, wie noch heutzutage in unseren deutschen
Mittelstaaten selbst so gewichtige Interessen wie diejenigen der Verkehrsan¬
stalten rein persönlichen Motiven gegenüber in den Hintergrund treten müssen,
zugleich aber den Wunsch nahe legen, daß auch diese Sonderstellung Würt¬
tembergs, welche die Versailler Verträge geschaffen, in Bälde beseitigt und
damit die Leitung der Verkehrsanstalten in sachkundige Hände gelegt wer¬
den möchte.

Im Kriegsdepartement scheint diese Sonderstellung bereits ihrem Ende
entgegenzugehen. Schon bei Abschluß der Novemberverträge lag die absolute
Unmöglichkeit, unter Beibehaltung einer eigenen Militärverwaltung und gleich¬
zeitiger Erfüllung der dem Land auferlegten militärischen Leistungen mit der
bekannten Summe von 22S Thalern auszureichen, oder gar noch für das
Land Ersparnisse zu machen, für jeden Sachkundigen klar vor Augen, und
jene Vertragsbestimmung erschien uns von Anfang an nur als ein witziges
Mittel, um die Klagen unserer Demokraten über die Höhe jener Summe ins
Absurde zu demonstriren. Nach übereinstimmenden Mittheilungen ist nun
aber neuerdings die Verlegenheit und Rathlosigkeit unserer Kriegsverwaltung
in dieser und andern Richtungen so groß, daß man froh sein wird, wenn
das Reich die Reorganisation unserer Armee direct in die Hand nimmt und
dem Abschlüsse einer Militärconvention, ähnlich der badischen, in Bälde ent¬
gegensieht.

Angesichts des Umstandes, daß die Nothwendigkeit der angedeuteten Re¬
duktionen im allgemeinen Bewußtsein immer klarer hervortritt, hat denn auch
der Minister des Innern auf die neuliche Anfrage des Abgeordneten Hölder


innern nur an die traurige pecuniäre Stellung dieser Vertreter und den Mangel
an aller Autorität, unter dem sie selbst an Plätzen wie Petersburg leiden
und welche in letzter Zeit wiederholt auch in öffentlichen Gerichtsverhandlun¬
gen zu Tage trat. Nicht ohne Grund haben sich daher neuerdings die besser
situirter Elemente unseres Adels von dieser Laufbahn zurückgezogen. So
kommt es denn, daß unsere diplomatischen Agenten bei der ihnen völlig ab¬
gehenden eigenen Geschäftskenntniß und Routine wie in Ermangelung einer
gesandtschaftlichen Kanzlei sich gar nicht in der Lage befinden, den Anforde¬
rungen des heutigen Verkehrs auch nur entfernt zu entsprechen, und daher
den Interessen der Landeskinder durch einen einfachen kaufmännischen Consul
weit besser gedient wäre als durch Männer, deren Hauptthätigkeit in persön¬
lichen Berichten über Hofklatsch, wenn nicht gar in Besorgung ganz profaner
Commissionen besteht. Auch der Umstand, daß der Minister der auswärtigen
Angelegenheiten, obgleich mit diesem neuen Zweig gänzlich unbekannt, das
Departement der Verkehrsanstalten zu leiten übernommen hat, dürfte die
Entbehrlichkeit seines Postens nicht ausschließen, sondern vielmehr nur einen
schlagenden Beweis dafür abgeben, wie noch heutzutage in unseren deutschen
Mittelstaaten selbst so gewichtige Interessen wie diejenigen der Verkehrsan¬
stalten rein persönlichen Motiven gegenüber in den Hintergrund treten müssen,
zugleich aber den Wunsch nahe legen, daß auch diese Sonderstellung Würt¬
tembergs, welche die Versailler Verträge geschaffen, in Bälde beseitigt und
damit die Leitung der Verkehrsanstalten in sachkundige Hände gelegt wer¬
den möchte.

Im Kriegsdepartement scheint diese Sonderstellung bereits ihrem Ende
entgegenzugehen. Schon bei Abschluß der Novemberverträge lag die absolute
Unmöglichkeit, unter Beibehaltung einer eigenen Militärverwaltung und gleich¬
zeitiger Erfüllung der dem Land auferlegten militärischen Leistungen mit der
bekannten Summe von 22S Thalern auszureichen, oder gar noch für das
Land Ersparnisse zu machen, für jeden Sachkundigen klar vor Augen, und
jene Vertragsbestimmung erschien uns von Anfang an nur als ein witziges
Mittel, um die Klagen unserer Demokraten über die Höhe jener Summe ins
Absurde zu demonstriren. Nach übereinstimmenden Mittheilungen ist nun
aber neuerdings die Verlegenheit und Rathlosigkeit unserer Kriegsverwaltung
in dieser und andern Richtungen so groß, daß man froh sein wird, wenn
das Reich die Reorganisation unserer Armee direct in die Hand nimmt und
dem Abschlüsse einer Militärconvention, ähnlich der badischen, in Bälde ent¬
gegensieht.

Angesichts des Umstandes, daß die Nothwendigkeit der angedeuteten Re¬
duktionen im allgemeinen Bewußtsein immer klarer hervortritt, hat denn auch
der Minister des Innern auf die neuliche Anfrage des Abgeordneten Hölder


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[0236] innern nur an die traurige pecuniäre Stellung dieser Vertreter und den Mangel an aller Autorität, unter dem sie selbst an Plätzen wie Petersburg leiden und welche in letzter Zeit wiederholt auch in öffentlichen Gerichtsverhandlun¬ gen zu Tage trat. Nicht ohne Grund haben sich daher neuerdings die besser situirter Elemente unseres Adels von dieser Laufbahn zurückgezogen. So kommt es denn, daß unsere diplomatischen Agenten bei der ihnen völlig ab¬ gehenden eigenen Geschäftskenntniß und Routine wie in Ermangelung einer gesandtschaftlichen Kanzlei sich gar nicht in der Lage befinden, den Anforde¬ rungen des heutigen Verkehrs auch nur entfernt zu entsprechen, und daher den Interessen der Landeskinder durch einen einfachen kaufmännischen Consul weit besser gedient wäre als durch Männer, deren Hauptthätigkeit in persön¬ lichen Berichten über Hofklatsch, wenn nicht gar in Besorgung ganz profaner Commissionen besteht. Auch der Umstand, daß der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, obgleich mit diesem neuen Zweig gänzlich unbekannt, das Departement der Verkehrsanstalten zu leiten übernommen hat, dürfte die Entbehrlichkeit seines Postens nicht ausschließen, sondern vielmehr nur einen schlagenden Beweis dafür abgeben, wie noch heutzutage in unseren deutschen Mittelstaaten selbst so gewichtige Interessen wie diejenigen der Verkehrsan¬ stalten rein persönlichen Motiven gegenüber in den Hintergrund treten müssen, zugleich aber den Wunsch nahe legen, daß auch diese Sonderstellung Würt¬ tembergs, welche die Versailler Verträge geschaffen, in Bälde beseitigt und damit die Leitung der Verkehrsanstalten in sachkundige Hände gelegt wer¬ den möchte. Im Kriegsdepartement scheint diese Sonderstellung bereits ihrem Ende entgegenzugehen. Schon bei Abschluß der Novemberverträge lag die absolute Unmöglichkeit, unter Beibehaltung einer eigenen Militärverwaltung und gleich¬ zeitiger Erfüllung der dem Land auferlegten militärischen Leistungen mit der bekannten Summe von 22S Thalern auszureichen, oder gar noch für das Land Ersparnisse zu machen, für jeden Sachkundigen klar vor Augen, und jene Vertragsbestimmung erschien uns von Anfang an nur als ein witziges Mittel, um die Klagen unserer Demokraten über die Höhe jener Summe ins Absurde zu demonstriren. Nach übereinstimmenden Mittheilungen ist nun aber neuerdings die Verlegenheit und Rathlosigkeit unserer Kriegsverwaltung in dieser und andern Richtungen so groß, daß man froh sein wird, wenn das Reich die Reorganisation unserer Armee direct in die Hand nimmt und dem Abschlüsse einer Militärconvention, ähnlich der badischen, in Bälde ent¬ gegensieht. Angesichts des Umstandes, daß die Nothwendigkeit der angedeuteten Re¬ duktionen im allgemeinen Bewußtsein immer klarer hervortritt, hat denn auch der Minister des Innern auf die neuliche Anfrage des Abgeordneten Hölder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/236>, abgerufen am 24.07.2024.