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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Octcivian und Antonius die Gastfreundlichkeit erwiedert hatren, kehrten sie
nach Rom zurück.

Auch Sextus segelte wieder nach Sicilien, ohne Rom wieder gesehen zu
haben. Es war ihm einmal vom Schicksal bestimmt, daß dieser schon vor
Jahren von ihm so sehnlich geäußerte Wunsch nie in Erfüllung gehen sollte.
Uebrigens war er von den drei Unterzeichnern des Vertrags von Puteoli der
einzige, der es dabei ehrlich meinte, wie denn überhaupt sich die Insinuation
des Vellejus in Bezug auf seine Wortbrüchigkeit nicht beweisen läßt und schon
durch sein festes und uneigennütziges Eintreten zu Gunsten der auf seinen
Schutz angewiesenen Exulanten widerlegt wird. Sein Hauptfehler war ein
anderer. Er hegte zwar ehrgeizige und hochfliegende Pläne; aber außer dem
politischen Scharfblick ging ihm -- und diese Eigenschaft hatte er mit seinem
Vater gemein -- die Energie des entscheidenden Handelns ab. Er ließ sich
mehr von den Verhältnissen und Personen schieben, als daß er. activ und
offensiv vorging und dem Krieg eine entscheidende Wendung zu geben ver¬
suchte. Der Geschichtsschreiber Appian sagt, daß mehrere der von ihm be¬
nutzten früheren Schriftsteller als einen Hauptfehler des Sextus bezeichnet
hätten, daß er nicht während des perusinischen Kriegs, wo seine Macht am
stärksten war und in dem von politischer Parteiung zerrissenen Italien die
Masse des Volks seine Augen auf den Sohn des großen Pompejus gerichtet
hielt, sich der Halbinsel bemächtigte; "aber Pompejus", schreibt er, "wollte
aus Kurzsichtigkeit nicht angreifen, sondern sich nur vertheidigen, bis er auch
hierbei den Kürzeren zog." Appian hätte auch hinzufügen können, wie fehler¬
haft es war, daß Sextus nicht Brutus und Cassius unterstützte.

Bald sollte er's bereuen, sich zu einem Bunde hergegeben zu haben, den
der schlaue Octavian und der leichtsinnige Antonius nur von der Noth des
Augenblicks sich hatten dictiren lassen. Zunächst machte ihm Antonius mit
der Abtretung Achaja's Schwierigkeiten und zog die Provinz, wie es schien,
ganz absichtlich aus. In Folge dessen hielt Sextus mehrere Punkte der ita¬
lienischen Küste besetzt, nahm wieder Flüchtlinge auf und sah dem Piraten¬
wesen durch die Finger. Einen Hauptanstoß zum Wiederausbruch der Feind¬
seligkeiten gab aber der Uebertritt des Menodorus zu Octavian. Dieser treu¬
lose Freigelassene commandirte noch auf Sardinien und Corsica und stand in
hoher Gunst bei seinem Gebieter. Desto mehr strengten sich seine Feinde,
besonders Menekrates an, ihn zu stürzen. Die schon erwähnte Losgebung
des Helenus und sein sonstiges zweideutiges Benehmen gegen Octavian wurde
in das"' ungünstigste Licht gesetzt, und als endlich Pompejus ihn nach Sicilien
beschied, um wegen der Verwaltung des Getreidewesens mit ihm Abrechnung
zu halten, ließ Menas, dem die Entfremdung des Pompejus nicht entgangen
war, dessen Abgesandte todten und lieferte Sardinien und Corsika, 60 Kriegs-


Octcivian und Antonius die Gastfreundlichkeit erwiedert hatren, kehrten sie
nach Rom zurück.

Auch Sextus segelte wieder nach Sicilien, ohne Rom wieder gesehen zu
haben. Es war ihm einmal vom Schicksal bestimmt, daß dieser schon vor
Jahren von ihm so sehnlich geäußerte Wunsch nie in Erfüllung gehen sollte.
Uebrigens war er von den drei Unterzeichnern des Vertrags von Puteoli der
einzige, der es dabei ehrlich meinte, wie denn überhaupt sich die Insinuation
des Vellejus in Bezug auf seine Wortbrüchigkeit nicht beweisen läßt und schon
durch sein festes und uneigennütziges Eintreten zu Gunsten der auf seinen
Schutz angewiesenen Exulanten widerlegt wird. Sein Hauptfehler war ein
anderer. Er hegte zwar ehrgeizige und hochfliegende Pläne; aber außer dem
politischen Scharfblick ging ihm — und diese Eigenschaft hatte er mit seinem
Vater gemein — die Energie des entscheidenden Handelns ab. Er ließ sich
mehr von den Verhältnissen und Personen schieben, als daß er. activ und
offensiv vorging und dem Krieg eine entscheidende Wendung zu geben ver¬
suchte. Der Geschichtsschreiber Appian sagt, daß mehrere der von ihm be¬
nutzten früheren Schriftsteller als einen Hauptfehler des Sextus bezeichnet
hätten, daß er nicht während des perusinischen Kriegs, wo seine Macht am
stärksten war und in dem von politischer Parteiung zerrissenen Italien die
Masse des Volks seine Augen auf den Sohn des großen Pompejus gerichtet
hielt, sich der Halbinsel bemächtigte; „aber Pompejus", schreibt er, „wollte
aus Kurzsichtigkeit nicht angreifen, sondern sich nur vertheidigen, bis er auch
hierbei den Kürzeren zog." Appian hätte auch hinzufügen können, wie fehler¬
haft es war, daß Sextus nicht Brutus und Cassius unterstützte.

Bald sollte er's bereuen, sich zu einem Bunde hergegeben zu haben, den
der schlaue Octavian und der leichtsinnige Antonius nur von der Noth des
Augenblicks sich hatten dictiren lassen. Zunächst machte ihm Antonius mit
der Abtretung Achaja's Schwierigkeiten und zog die Provinz, wie es schien,
ganz absichtlich aus. In Folge dessen hielt Sextus mehrere Punkte der ita¬
lienischen Küste besetzt, nahm wieder Flüchtlinge auf und sah dem Piraten¬
wesen durch die Finger. Einen Hauptanstoß zum Wiederausbruch der Feind¬
seligkeiten gab aber der Uebertritt des Menodorus zu Octavian. Dieser treu¬
lose Freigelassene commandirte noch auf Sardinien und Corsica und stand in
hoher Gunst bei seinem Gebieter. Desto mehr strengten sich seine Feinde,
besonders Menekrates an, ihn zu stürzen. Die schon erwähnte Losgebung
des Helenus und sein sonstiges zweideutiges Benehmen gegen Octavian wurde
in das«' ungünstigste Licht gesetzt, und als endlich Pompejus ihn nach Sicilien
beschied, um wegen der Verwaltung des Getreidewesens mit ihm Abrechnung
zu halten, ließ Menas, dem die Entfremdung des Pompejus nicht entgangen
war, dessen Abgesandte todten und lieferte Sardinien und Corsika, 60 Kriegs-


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[0021] Octcivian und Antonius die Gastfreundlichkeit erwiedert hatren, kehrten sie nach Rom zurück. Auch Sextus segelte wieder nach Sicilien, ohne Rom wieder gesehen zu haben. Es war ihm einmal vom Schicksal bestimmt, daß dieser schon vor Jahren von ihm so sehnlich geäußerte Wunsch nie in Erfüllung gehen sollte. Uebrigens war er von den drei Unterzeichnern des Vertrags von Puteoli der einzige, der es dabei ehrlich meinte, wie denn überhaupt sich die Insinuation des Vellejus in Bezug auf seine Wortbrüchigkeit nicht beweisen läßt und schon durch sein festes und uneigennütziges Eintreten zu Gunsten der auf seinen Schutz angewiesenen Exulanten widerlegt wird. Sein Hauptfehler war ein anderer. Er hegte zwar ehrgeizige und hochfliegende Pläne; aber außer dem politischen Scharfblick ging ihm — und diese Eigenschaft hatte er mit seinem Vater gemein — die Energie des entscheidenden Handelns ab. Er ließ sich mehr von den Verhältnissen und Personen schieben, als daß er. activ und offensiv vorging und dem Krieg eine entscheidende Wendung zu geben ver¬ suchte. Der Geschichtsschreiber Appian sagt, daß mehrere der von ihm be¬ nutzten früheren Schriftsteller als einen Hauptfehler des Sextus bezeichnet hätten, daß er nicht während des perusinischen Kriegs, wo seine Macht am stärksten war und in dem von politischer Parteiung zerrissenen Italien die Masse des Volks seine Augen auf den Sohn des großen Pompejus gerichtet hielt, sich der Halbinsel bemächtigte; „aber Pompejus", schreibt er, „wollte aus Kurzsichtigkeit nicht angreifen, sondern sich nur vertheidigen, bis er auch hierbei den Kürzeren zog." Appian hätte auch hinzufügen können, wie fehler¬ haft es war, daß Sextus nicht Brutus und Cassius unterstützte. Bald sollte er's bereuen, sich zu einem Bunde hergegeben zu haben, den der schlaue Octavian und der leichtsinnige Antonius nur von der Noth des Augenblicks sich hatten dictiren lassen. Zunächst machte ihm Antonius mit der Abtretung Achaja's Schwierigkeiten und zog die Provinz, wie es schien, ganz absichtlich aus. In Folge dessen hielt Sextus mehrere Punkte der ita¬ lienischen Küste besetzt, nahm wieder Flüchtlinge auf und sah dem Piraten¬ wesen durch die Finger. Einen Hauptanstoß zum Wiederausbruch der Feind¬ seligkeiten gab aber der Uebertritt des Menodorus zu Octavian. Dieser treu¬ lose Freigelassene commandirte noch auf Sardinien und Corsica und stand in hoher Gunst bei seinem Gebieter. Desto mehr strengten sich seine Feinde, besonders Menekrates an, ihn zu stürzen. Die schon erwähnte Losgebung des Helenus und sein sonstiges zweideutiges Benehmen gegen Octavian wurde in das«' ungünstigste Licht gesetzt, und als endlich Pompejus ihn nach Sicilien beschied, um wegen der Verwaltung des Getreidewesens mit ihm Abrechnung zu halten, ließ Menas, dem die Entfremdung des Pompejus nicht entgangen war, dessen Abgesandte todten und lieferte Sardinien und Corsika, 60 Kriegs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/21>, abgerufen am 24.07.2024.