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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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oder Höflichkeit loosten die drei Häupter, wer zuerst die Pflichten des Wirthes
übernehmen sollte. Das Loos traf den Sextus und als nun Antonius fragte,
wo sie denn speisen würden, deutete der Schützling Neptuns auf sein Schiff
und setzte die beißenden Worte hinzu: "In meinen Carmen;" denn der Name
des Stadtviertels in Rom, welches sein väterliches Haus umfaßte, bedeutete
ursprünglich soviel wie "Schiffskiele." Er ließ hierauf das schöne Fahrzeug,
das gegen 400 Ruderknechte in sechs Reihen über einander barg und sonach
eine 62sache Pferdekraft besitzen mochte, an dem Hafendamme verankern und
eine bequeme Laufbrücke hinüberschlagen. Es gibt wenig historische Scenen
derselben Art im Alterthume, die an Interesse überhaupt und an dramatischer
Lebendigkeit insbesondere jenem Schmause auf dem Verdecke des Sextus Pom¬
pejus gleichkommen. Rings umher ankerten die hohen Schiffe der Kriegsflotte
mit ihren Thürmen und Wurfgeschützen innerhalb der mächtigen Molen, wo
in friedlichen Zeiten Mast an Mast die Kauffahrteischiffe aller Küstenländer
des Mittelmeeres zu stehen pflegten. Auf allen herrschte ausgelassene Lust,
wie in der mit Fremden überfüllten reichen Handelsstadt. Dazu landwärts
die Perlenkette marmorner Paläste und Villen mit den dahinter aufsteigenden
rebenumkränzten Bergen, nach dem Innern des Golfs die tiefblaue See, vergol¬
det vom Scheidegruß der sinkenden Sonne, überhaucht von der herrlich klaren,
südlichen Luft! Und aus dem Admiralschiffe selbst, welch reichen Stoff hätte
da der Pinsel des Malers gefunden! Da lagerte auf dem Speisesopha der
zierliche, blonde Octavian, mit seinen durchdringenden Augen die bunte Tisch¬
genossenschaft musternd, dann die männliche Gestalt des dunkelbärtigen An¬
tonius mit der breiten Stirn und dem halb sinnlichen, halb gutmüthigen Zug
um den Mund, dort endlich der nach den Münzen seinem Vater mehr als
seinem Bruder ähnelnde, mit starken Augenknochen, dichtem Kinnbarte, kur¬
zem Nacken und wahrscheinlich überhaupt untersetzter Statur begabte Sextus
Pompejus.

Und als der Abend angebrochen war und strahlende Candelaber das
prächtige Zelt erleuchteten, als der Wein die Gäste rückhaltloser gemacht hatte
und Octavian mit Pompejus vereint den Antonius mit der verführerischen
Nilkönigin neckte, da trat leise der trotzige Pirat Menas zu seinem Herrn
und flüsterte ihm die Worte zu: "Soll ich jetzt die Haltseile durchhauen und
Dich zum Gebieter des ganzen römischen Reichs machen?" Pompejus soll
nach kurzem Bedenken erwiedert haben: "Dies hättest Du thun sollen, ohne
mich zu fragen; jetzt ist es zu spät!" Im weiteren Verlauf des Gelages
wurde noch des Sextus kleine Tochter mit dem dreijährigen Marcellus, dem
Neffen und Adoptivsohn Octavian's verlobt und auf vier Jahre hinaus Ver¬
fügung über das Consulat getroffen. Nachdem dann an den folgenden Tagen


oder Höflichkeit loosten die drei Häupter, wer zuerst die Pflichten des Wirthes
übernehmen sollte. Das Loos traf den Sextus und als nun Antonius fragte,
wo sie denn speisen würden, deutete der Schützling Neptuns auf sein Schiff
und setzte die beißenden Worte hinzu: „In meinen Carmen;" denn der Name
des Stadtviertels in Rom, welches sein väterliches Haus umfaßte, bedeutete
ursprünglich soviel wie „Schiffskiele." Er ließ hierauf das schöne Fahrzeug,
das gegen 400 Ruderknechte in sechs Reihen über einander barg und sonach
eine 62sache Pferdekraft besitzen mochte, an dem Hafendamme verankern und
eine bequeme Laufbrücke hinüberschlagen. Es gibt wenig historische Scenen
derselben Art im Alterthume, die an Interesse überhaupt und an dramatischer
Lebendigkeit insbesondere jenem Schmause auf dem Verdecke des Sextus Pom¬
pejus gleichkommen. Rings umher ankerten die hohen Schiffe der Kriegsflotte
mit ihren Thürmen und Wurfgeschützen innerhalb der mächtigen Molen, wo
in friedlichen Zeiten Mast an Mast die Kauffahrteischiffe aller Küstenländer
des Mittelmeeres zu stehen pflegten. Auf allen herrschte ausgelassene Lust,
wie in der mit Fremden überfüllten reichen Handelsstadt. Dazu landwärts
die Perlenkette marmorner Paläste und Villen mit den dahinter aufsteigenden
rebenumkränzten Bergen, nach dem Innern des Golfs die tiefblaue See, vergol¬
det vom Scheidegruß der sinkenden Sonne, überhaucht von der herrlich klaren,
südlichen Luft! Und aus dem Admiralschiffe selbst, welch reichen Stoff hätte
da der Pinsel des Malers gefunden! Da lagerte auf dem Speisesopha der
zierliche, blonde Octavian, mit seinen durchdringenden Augen die bunte Tisch¬
genossenschaft musternd, dann die männliche Gestalt des dunkelbärtigen An¬
tonius mit der breiten Stirn und dem halb sinnlichen, halb gutmüthigen Zug
um den Mund, dort endlich der nach den Münzen seinem Vater mehr als
seinem Bruder ähnelnde, mit starken Augenknochen, dichtem Kinnbarte, kur¬
zem Nacken und wahrscheinlich überhaupt untersetzter Statur begabte Sextus
Pompejus.

Und als der Abend angebrochen war und strahlende Candelaber das
prächtige Zelt erleuchteten, als der Wein die Gäste rückhaltloser gemacht hatte
und Octavian mit Pompejus vereint den Antonius mit der verführerischen
Nilkönigin neckte, da trat leise der trotzige Pirat Menas zu seinem Herrn
und flüsterte ihm die Worte zu: „Soll ich jetzt die Haltseile durchhauen und
Dich zum Gebieter des ganzen römischen Reichs machen?" Pompejus soll
nach kurzem Bedenken erwiedert haben: „Dies hättest Du thun sollen, ohne
mich zu fragen; jetzt ist es zu spät!" Im weiteren Verlauf des Gelages
wurde noch des Sextus kleine Tochter mit dem dreijährigen Marcellus, dem
Neffen und Adoptivsohn Octavian's verlobt und auf vier Jahre hinaus Ver¬
fügung über das Consulat getroffen. Nachdem dann an den folgenden Tagen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/20>, abgerufen am 24.07.2024.