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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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ist völlig frei. Pompejus verzichtet auf alle besetzten Punkte an Italiens
Küste, zieht seine Besatzungen zurück und versagt Ueberläufern die Aufnahme.
Er behält den Oberbefehl über Sardinien, Corsica, Sicilien und die übrigen
kleineren Inseln, welche sich in seiner Gewalt befinden. Außerdem bekommt
er Achaja (d. h, ganz Griechenland mit Ausnahme Thessaliens). Dafür ent¬
richtet er aber den Tribut an Getreide, der jenen Inseln seit alter Zeit auf¬
erlegt ist. Pompejus darf ferner abwesend Consul werden und dies Amt
durch einen Freund verwalten lassen, außerdem erhält er Aufnahme in die
höchsten Priestercollegien. Allen Flüchtlingen und Verbannten, nur mit Aus¬
nahme der Mörder Cäsar's, steht die Rückkehr in die Heimath frei; die Ge¬
ächteten erhalten den vierten Theil ihres Vermögens, die Uebrigen das ganze
zurück. Pompejus bekommt als Ersatz für feine Güter eine Summe von
17Vz Millionen Drachmen (nur etwas über 4 Millionen Thaler). Alle
Freien, welche unter Pompejus gedient haben, erhalten gleiche Belohnungen
mit den Soldaten der Triumvirn; die Sclaven werden mit ihrer Freiheit
belohnt."

Nachdem das Schriftstück unterzeichnet worden war, sandten sie es zur
Verwahrung an die vestalischen Jungfrauen nach Rom und beurkundeten
durch Handschlag und Kuß den Friedensschluß. Den Eindruck dieses Ereig¬
nisses auf die versammelte Volksmenge schildert Dio Kassius ungefähr mit
folgenden Worten: "Ein lauter, nicht enden wollender Jubel erhob sich
vom Lande und von den Schiffen; denn die ganze Masse von Soldaten und
Bürgern, welche den Krieg verwünschten und sich nach Frieden sehnten, erhob
plötzlich ihren Freudenruf. Die Berge hallten so furchtbar davon wieder, daß
vor Schrecken und Entsetzen Viele umsanken, Viele auch im Gedränge erdrückt
wurden. Wer auf den Schiffen war, konnte nicht erwarten, bis er an's
Land kam, und sprang in das Meer. Andere dagegen rannten vom Lande
in das Wasser hinein. Schwimmend umhalste und grüßte man sich. Und
die Einen sahen ihre Verwandten und Freunde unvermuthet noch am Leben
vor sich und wurden von unbeschreiblicher Freude ergriffen. Sprachlos und
betäubt schauten sie auf dieselben hin und überzeugten sich nicht eher von der
Wirklichkeit, als bis sie die wohlbekannten Stimmen vernahmen, die sie beim
Namen riefen. Andere, die vom Tode geliebter Angehöriger nichts wußten,
gingen umher, sie aufzusuchen, und fragten Jeden, der ihnen begegnete.
Wenn sie dann volle Gewißheit erhielten, so rauften sie sich die Haare, zer¬
rissen ihre Kleider, riefen die Todten bei ihren Namen, als ob sie eben jetzt
erst gestorben vor ihren Augen lägen. Auch die übrigen, welch nicht bethei¬
ligt waren, nahmen Theil an dem Schicksale ihrer Landsleute, freuten sich
mit den Fröhlichen und trauerten mit den Trauernden."

Dem Vertrage folgten, wie gewöhnlich, Gastereien und aus Mißtrauen


ist völlig frei. Pompejus verzichtet auf alle besetzten Punkte an Italiens
Küste, zieht seine Besatzungen zurück und versagt Ueberläufern die Aufnahme.
Er behält den Oberbefehl über Sardinien, Corsica, Sicilien und die übrigen
kleineren Inseln, welche sich in seiner Gewalt befinden. Außerdem bekommt
er Achaja (d. h, ganz Griechenland mit Ausnahme Thessaliens). Dafür ent¬
richtet er aber den Tribut an Getreide, der jenen Inseln seit alter Zeit auf¬
erlegt ist. Pompejus darf ferner abwesend Consul werden und dies Amt
durch einen Freund verwalten lassen, außerdem erhält er Aufnahme in die
höchsten Priestercollegien. Allen Flüchtlingen und Verbannten, nur mit Aus¬
nahme der Mörder Cäsar's, steht die Rückkehr in die Heimath frei; die Ge¬
ächteten erhalten den vierten Theil ihres Vermögens, die Uebrigen das ganze
zurück. Pompejus bekommt als Ersatz für feine Güter eine Summe von
17Vz Millionen Drachmen (nur etwas über 4 Millionen Thaler). Alle
Freien, welche unter Pompejus gedient haben, erhalten gleiche Belohnungen
mit den Soldaten der Triumvirn; die Sclaven werden mit ihrer Freiheit
belohnt."

Nachdem das Schriftstück unterzeichnet worden war, sandten sie es zur
Verwahrung an die vestalischen Jungfrauen nach Rom und beurkundeten
durch Handschlag und Kuß den Friedensschluß. Den Eindruck dieses Ereig¬
nisses auf die versammelte Volksmenge schildert Dio Kassius ungefähr mit
folgenden Worten: „Ein lauter, nicht enden wollender Jubel erhob sich
vom Lande und von den Schiffen; denn die ganze Masse von Soldaten und
Bürgern, welche den Krieg verwünschten und sich nach Frieden sehnten, erhob
plötzlich ihren Freudenruf. Die Berge hallten so furchtbar davon wieder, daß
vor Schrecken und Entsetzen Viele umsanken, Viele auch im Gedränge erdrückt
wurden. Wer auf den Schiffen war, konnte nicht erwarten, bis er an's
Land kam, und sprang in das Meer. Andere dagegen rannten vom Lande
in das Wasser hinein. Schwimmend umhalste und grüßte man sich. Und
die Einen sahen ihre Verwandten und Freunde unvermuthet noch am Leben
vor sich und wurden von unbeschreiblicher Freude ergriffen. Sprachlos und
betäubt schauten sie auf dieselben hin und überzeugten sich nicht eher von der
Wirklichkeit, als bis sie die wohlbekannten Stimmen vernahmen, die sie beim
Namen riefen. Andere, die vom Tode geliebter Angehöriger nichts wußten,
gingen umher, sie aufzusuchen, und fragten Jeden, der ihnen begegnete.
Wenn sie dann volle Gewißheit erhielten, so rauften sie sich die Haare, zer¬
rissen ihre Kleider, riefen die Todten bei ihren Namen, als ob sie eben jetzt
erst gestorben vor ihren Augen lägen. Auch die übrigen, welch nicht bethei¬
ligt waren, nahmen Theil an dem Schicksale ihrer Landsleute, freuten sich
mit den Fröhlichen und trauerten mit den Trauernden."

Dem Vertrage folgten, wie gewöhnlich, Gastereien und aus Mißtrauen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/19>, abgerufen am 24.07.2024.