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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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vor den einziehenden falschen Freunden zugejauchzt hatte, begrüßte bei der
den Circusspielen vorangehenden Götterprocession das Bild Neptuns in Be¬
ziehung auf Pompejus mit rauschendem Applaus. Als dem Meeresgott aber
das nächste Mal sein Erscheinen polizeilich verboten wurde, stürzte der Pöbel
die Bildsäulen des Octavian und Antonius um und steinigte die Beamten
und Octavian selbst, bis endlich Antonius Militär in die Stadt rief und den
Tumult blutig unterdrückte. Trotzdem stieg die Gährung unter der Menge
zugleich mit der Hungersnoth und endlich sahen sich die beiden Beherrscher
Roms genöthigt, mit Sertus in Unterhandlungen zu treten. Den Vermitt¬
ler machte dessen Schwiegervater Lido, der durch Vermählung seiner Schwester
mit Octavian auch diesem näher getreten war und dem nun Antonius und,
vom Volke gezwungen, auch Octavian sicheres Geleit von Sicilien nach der
Hauptstadt gewährte. Der Pöbel wünschte aber auch, daß des Sertus Mut¬
ter, Mucia, die nach der Scheidung von Pompejus einen Aemilius Scaurus
geheirathet hatte, das Friedenswerk mit betriebe, und drohte, als sie sich
wahrscheinlich unschlüssig zeigte, Feuer an ihr Haus zu legen.

Pompejus ließ sich nach längerem Weigern, das von Menodorus unter¬
halten worden war, zu der von Lido vorgeschlagenen Zusammenkunft herbei.
Die herrliche Bai von Neapel ward zum Schauplatz dieses denkwürdigen Con-
gresses ausersehen. Im Frühling des Jahres 39 v. Chr. erschien Sertus
Pompejus mit einer stolzen Flotte vor^Puteoli, wo Antonius und Octavian
mit einem starken Landheere standen, und ging bei der Insel Aenaria, jetzt
Ischia, vor Anker. Das Vorgebirge Misenum, das in der Mitte zwischen
den beiden genannten Punkten in die Fluthen hinauslief und damals noch
nicht das gleichnamige Städtchen auf seinem Rücken trug, war der vorher
bezeichnete Ort der Besprechung, und am nächsten Morgen wurden im Meere
nahe am Lande zwei hölzerne Tribünen erbaut, die durch einen Wasserstreifen
getrennt waren. Auf der dem Lande zugekehrten nahmen dann Octavian
und Antonius Platz, während Pompejus mit seinem Schwiegervater die an¬
dere betraten. Hinter jenen standen die wohlgerüsteten Legionen, hinter diesen
die hochbordigen Galeeren. Die erste Zusammenkunft war erfolglos, denn
Pompejus forderte Aufnahme in das Triumvirat an Stelle des Lepidus,
während ihm die Gegner weiter nichts als straflose Heimkehr zugestehen woll¬
ten. Nun begann ein Markten und Feilschen zwischen den beiden Parteien,
während Mucia und die nach der Heimkehr verlangende Emigration den eigen¬
sinnigen Pompejus zum Nachgeben drängten, die Andern aber durch die Furcht
vor dem hungernden Volke sich versöhnlicher zeigten. Nachdem die Unter¬
handlungen zum Schlüsse gediehen waren, kam es zu einem zweiten Rendezvous
auf dem Hafendamm von Puteoli, wobei folgende Bestimmungen vereinbart
wurden: "Der Krieg zu Wasser und zu Lande hat ein Ende und der Handel


vor den einziehenden falschen Freunden zugejauchzt hatte, begrüßte bei der
den Circusspielen vorangehenden Götterprocession das Bild Neptuns in Be¬
ziehung auf Pompejus mit rauschendem Applaus. Als dem Meeresgott aber
das nächste Mal sein Erscheinen polizeilich verboten wurde, stürzte der Pöbel
die Bildsäulen des Octavian und Antonius um und steinigte die Beamten
und Octavian selbst, bis endlich Antonius Militär in die Stadt rief und den
Tumult blutig unterdrückte. Trotzdem stieg die Gährung unter der Menge
zugleich mit der Hungersnoth und endlich sahen sich die beiden Beherrscher
Roms genöthigt, mit Sertus in Unterhandlungen zu treten. Den Vermitt¬
ler machte dessen Schwiegervater Lido, der durch Vermählung seiner Schwester
mit Octavian auch diesem näher getreten war und dem nun Antonius und,
vom Volke gezwungen, auch Octavian sicheres Geleit von Sicilien nach der
Hauptstadt gewährte. Der Pöbel wünschte aber auch, daß des Sertus Mut¬
ter, Mucia, die nach der Scheidung von Pompejus einen Aemilius Scaurus
geheirathet hatte, das Friedenswerk mit betriebe, und drohte, als sie sich
wahrscheinlich unschlüssig zeigte, Feuer an ihr Haus zu legen.

Pompejus ließ sich nach längerem Weigern, das von Menodorus unter¬
halten worden war, zu der von Lido vorgeschlagenen Zusammenkunft herbei.
Die herrliche Bai von Neapel ward zum Schauplatz dieses denkwürdigen Con-
gresses ausersehen. Im Frühling des Jahres 39 v. Chr. erschien Sertus
Pompejus mit einer stolzen Flotte vor^Puteoli, wo Antonius und Octavian
mit einem starken Landheere standen, und ging bei der Insel Aenaria, jetzt
Ischia, vor Anker. Das Vorgebirge Misenum, das in der Mitte zwischen
den beiden genannten Punkten in die Fluthen hinauslief und damals noch
nicht das gleichnamige Städtchen auf seinem Rücken trug, war der vorher
bezeichnete Ort der Besprechung, und am nächsten Morgen wurden im Meere
nahe am Lande zwei hölzerne Tribünen erbaut, die durch einen Wasserstreifen
getrennt waren. Auf der dem Lande zugekehrten nahmen dann Octavian
und Antonius Platz, während Pompejus mit seinem Schwiegervater die an¬
dere betraten. Hinter jenen standen die wohlgerüsteten Legionen, hinter diesen
die hochbordigen Galeeren. Die erste Zusammenkunft war erfolglos, denn
Pompejus forderte Aufnahme in das Triumvirat an Stelle des Lepidus,
während ihm die Gegner weiter nichts als straflose Heimkehr zugestehen woll¬
ten. Nun begann ein Markten und Feilschen zwischen den beiden Parteien,
während Mucia und die nach der Heimkehr verlangende Emigration den eigen¬
sinnigen Pompejus zum Nachgeben drängten, die Andern aber durch die Furcht
vor dem hungernden Volke sich versöhnlicher zeigten. Nachdem die Unter¬
handlungen zum Schlüsse gediehen waren, kam es zu einem zweiten Rendezvous
auf dem Hafendamm von Puteoli, wobei folgende Bestimmungen vereinbart
wurden: „Der Krieg zu Wasser und zu Lande hat ein Ende und der Handel


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/18>, abgerufen am 24.07.2024.