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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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zu dem und dem Tage muß der Telegraph fertig seinl Wenn wir von vorn
anfangen, so ist das unmöglich. Und wie soll ich von dem Congreß Auf¬
schub erlangen?!" "Ueberlassen Sie das mir!" rief Cornell. Den Tag darauf
erhält Smith die erschütternde Nachricht: seine Pferde find gegen einen Felsen
gerannt, die Röhre abgebrochen, der Draht zerrissen -- nebst einem Katalog
von weiteren Unglücksfällen. Der Aufschub wird bewilligt; flugs ist nun
die Röhre beseitigt, der Graben durch Stangen ersetzt. Am bestimmten Tage
sind die vierzig Miles bis Baltimore fertig, und die letzten dreißig haben
kaum den vierten Theil des Voranschlages gekostet.

In Washington ging es Cornell so knapp, daß er manchesmal das Mit-
tagsbrod entbehrte; aber eifrig spart er sein weniges Geld. Bald wird ihm
die Aufsicht über die Anlage einer zweiten Linie übertragen. Telegraphen-
actien standen damals sehr niedrig, das Publicum traute der neuen Erfindung
noch nicht. Cornell, der ihre große Zukunft erkannte, ließ sich fein Gehalt
in solchen Actien auszahlen, darbte und sparte darauf los. Als die Linien
Dividenden zu zahlen begannen, legte er seinen Gewinn und Alles, was er
sonst zusammenscharren konnte, auf dieselbe Weise an. Allmälig ward er
einer der größten Telegraphen-Actionäre und so zuletzt einer der reichsten
Männer in Amerika.

Wenn sich ein russischer Beamter bestechen läßt, dann ist er oft im Uebri-
gen durchaus kein so verächtlicher Gesell als ein deutscher Beamter sein müßte,
der dasselbe thäte; und wenn der Uankee sich mit einem "Trick" aus der
Noth hilft, wie wir's oben von dem "Werkführer" Cornell sahen, so mag er
dabei sonst ein kreuzbraver Mann sein. Cornell wenigstens hat das bewiesen.
Wohl kaum hat je ein Amerikaner von seinem Reichthum einen so edlen Ge¬
brauch gemacht.

Bis 1860 waren in der Union die polytechnischen und die landwirth"
schaftlichen Lehranstalten so stiefmütterlich behandelt worden, daß Cornell für
sich selbst nur mit großer Mühe die Hülfsmittel zu einer gediegenen Ausbil¬
dung in den mechanischen Wissenschaften hatte auftreiben können. Um jene
Zeit aber ward eine großartige Reform ins Werk gesetzt. Der Congreß ver¬
theilte nationales Grundeigenthum unter die Staaten der Union, aus dessen
Ertrag derartige Anstalten unterhalten werden sollten. Auf den Staat Neu-
york kamen dabei (1862) 990,000 amerikanische Morgen. Von dem reichen
eifrigen Professor White auf dem Landtag dieses Staates warm unterstützt,
stellte Esra Cornell, den seine zweite Vaterstadt Ithaka abgeordnet hatte,
folgenden Antrag: "Das gesammte Capital, das diese 990,000 Morgen aus¬
machen, soll auf die Errichtung einer amerikanischen Hochschule in einem
der mittleren Districte des Staates Neuyork verwandt werden." Die Motive


zu dem und dem Tage muß der Telegraph fertig seinl Wenn wir von vorn
anfangen, so ist das unmöglich. Und wie soll ich von dem Congreß Auf¬
schub erlangen?!" „Ueberlassen Sie das mir!" rief Cornell. Den Tag darauf
erhält Smith die erschütternde Nachricht: seine Pferde find gegen einen Felsen
gerannt, die Röhre abgebrochen, der Draht zerrissen — nebst einem Katalog
von weiteren Unglücksfällen. Der Aufschub wird bewilligt; flugs ist nun
die Röhre beseitigt, der Graben durch Stangen ersetzt. Am bestimmten Tage
sind die vierzig Miles bis Baltimore fertig, und die letzten dreißig haben
kaum den vierten Theil des Voranschlages gekostet.

In Washington ging es Cornell so knapp, daß er manchesmal das Mit-
tagsbrod entbehrte; aber eifrig spart er sein weniges Geld. Bald wird ihm
die Aufsicht über die Anlage einer zweiten Linie übertragen. Telegraphen-
actien standen damals sehr niedrig, das Publicum traute der neuen Erfindung
noch nicht. Cornell, der ihre große Zukunft erkannte, ließ sich fein Gehalt
in solchen Actien auszahlen, darbte und sparte darauf los. Als die Linien
Dividenden zu zahlen begannen, legte er seinen Gewinn und Alles, was er
sonst zusammenscharren konnte, auf dieselbe Weise an. Allmälig ward er
einer der größten Telegraphen-Actionäre und so zuletzt einer der reichsten
Männer in Amerika.

Wenn sich ein russischer Beamter bestechen läßt, dann ist er oft im Uebri-
gen durchaus kein so verächtlicher Gesell als ein deutscher Beamter sein müßte,
der dasselbe thäte; und wenn der Uankee sich mit einem „Trick" aus der
Noth hilft, wie wir's oben von dem „Werkführer" Cornell sahen, so mag er
dabei sonst ein kreuzbraver Mann sein. Cornell wenigstens hat das bewiesen.
Wohl kaum hat je ein Amerikaner von seinem Reichthum einen so edlen Ge¬
brauch gemacht.

Bis 1860 waren in der Union die polytechnischen und die landwirth«
schaftlichen Lehranstalten so stiefmütterlich behandelt worden, daß Cornell für
sich selbst nur mit großer Mühe die Hülfsmittel zu einer gediegenen Ausbil¬
dung in den mechanischen Wissenschaften hatte auftreiben können. Um jene
Zeit aber ward eine großartige Reform ins Werk gesetzt. Der Congreß ver¬
theilte nationales Grundeigenthum unter die Staaten der Union, aus dessen
Ertrag derartige Anstalten unterhalten werden sollten. Auf den Staat Neu-
york kamen dabei (1862) 990,000 amerikanische Morgen. Von dem reichen
eifrigen Professor White auf dem Landtag dieses Staates warm unterstützt,
stellte Esra Cornell, den seine zweite Vaterstadt Ithaka abgeordnet hatte,
folgenden Antrag: „Das gesammte Capital, das diese 990,000 Morgen aus¬
machen, soll auf die Errichtung einer amerikanischen Hochschule in einem
der mittleren Districte des Staates Neuyork verwandt werden." Die Motive


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[0167] zu dem und dem Tage muß der Telegraph fertig seinl Wenn wir von vorn anfangen, so ist das unmöglich. Und wie soll ich von dem Congreß Auf¬ schub erlangen?!" „Ueberlassen Sie das mir!" rief Cornell. Den Tag darauf erhält Smith die erschütternde Nachricht: seine Pferde find gegen einen Felsen gerannt, die Röhre abgebrochen, der Draht zerrissen — nebst einem Katalog von weiteren Unglücksfällen. Der Aufschub wird bewilligt; flugs ist nun die Röhre beseitigt, der Graben durch Stangen ersetzt. Am bestimmten Tage sind die vierzig Miles bis Baltimore fertig, und die letzten dreißig haben kaum den vierten Theil des Voranschlages gekostet. In Washington ging es Cornell so knapp, daß er manchesmal das Mit- tagsbrod entbehrte; aber eifrig spart er sein weniges Geld. Bald wird ihm die Aufsicht über die Anlage einer zweiten Linie übertragen. Telegraphen- actien standen damals sehr niedrig, das Publicum traute der neuen Erfindung noch nicht. Cornell, der ihre große Zukunft erkannte, ließ sich fein Gehalt in solchen Actien auszahlen, darbte und sparte darauf los. Als die Linien Dividenden zu zahlen begannen, legte er seinen Gewinn und Alles, was er sonst zusammenscharren konnte, auf dieselbe Weise an. Allmälig ward er einer der größten Telegraphen-Actionäre und so zuletzt einer der reichsten Männer in Amerika. Wenn sich ein russischer Beamter bestechen läßt, dann ist er oft im Uebri- gen durchaus kein so verächtlicher Gesell als ein deutscher Beamter sein müßte, der dasselbe thäte; und wenn der Uankee sich mit einem „Trick" aus der Noth hilft, wie wir's oben von dem „Werkführer" Cornell sahen, so mag er dabei sonst ein kreuzbraver Mann sein. Cornell wenigstens hat das bewiesen. Wohl kaum hat je ein Amerikaner von seinem Reichthum einen so edlen Ge¬ brauch gemacht. Bis 1860 waren in der Union die polytechnischen und die landwirth« schaftlichen Lehranstalten so stiefmütterlich behandelt worden, daß Cornell für sich selbst nur mit großer Mühe die Hülfsmittel zu einer gediegenen Ausbil¬ dung in den mechanischen Wissenschaften hatte auftreiben können. Um jene Zeit aber ward eine großartige Reform ins Werk gesetzt. Der Congreß ver¬ theilte nationales Grundeigenthum unter die Staaten der Union, aus dessen Ertrag derartige Anstalten unterhalten werden sollten. Auf den Staat Neu- york kamen dabei (1862) 990,000 amerikanische Morgen. Von dem reichen eifrigen Professor White auf dem Landtag dieses Staates warm unterstützt, stellte Esra Cornell, den seine zweite Vaterstadt Ithaka abgeordnet hatte, folgenden Antrag: „Das gesammte Capital, das diese 990,000 Morgen aus¬ machen, soll auf die Errichtung einer amerikanischen Hochschule in einem der mittleren Districte des Staates Neuyork verwandt werden." Die Motive

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/167>, abgerufen am 24.07.2024.