Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

aber verstärkte er durch den Zusatz: "Wird der Antrag angenommen, so lei¬
stet Esra Cornell aus eigenen Mitteln einen Zuschuß von einer halben Mil¬
lion Dollars."

Vor nicht ganz drei Jahren, am 23. September 1868, wurde die neue
Hochschule in Ithaka eröffnet. Die Stadt, deren Häuser einen Hügel an¬
muthig hinansteigen und sich in den Fluthen des Cayuga-See's spiegeln,
wird auf mehreren Eisenbahnen leicht erreicht. Die Anstalt, welche ihre Blüthe
erhöht, trägt den Namen des Mannes, den man wohl ihren Gründer nennen
darf; denn außer jener halben Million hat Cornell seiner Schöpfung noch
etwa 300,000 Dollars zugewandt. Sie vereinigt in sich eine Universüät, ein
Polytechuicum und eine landwirthschaftliche Akademie. Ihr unterscheidendes
Princip aber ist dies: jeder der 128 Districte des Staates Neuyork
hat das Recht, alljährlich seinen fähigsten Schüler nach Ithaka
zu senden und ihn dort kostenfrei ausbilden zu lassen.

Damit aber Niemand ausgeschlossen sei, der guten Willen, rüstige Kraft
und ein gewisses Maß von Intelligenz und Bildung mitbringt, ist noch eine
andere merkwürdige Einrichtung getroffen. Auf den Aeckern und in den Ma¬
schinenräumen der Anstalt werden junge Leute in die Lage gebracht, sich durch
ihre Arbeit Unterhalt und Unterricht zu verdienen. Manche Studenten kom¬
men deßhalb drei Monate vor Anfang des neuen Cursus nach Ithaka.
"Wenn die jungen Leute," schreibt Cornell, "nur ein Viertel der Arbeit ver"
richten wollen, die ich in ihrem Alter und die ich noch heute bei Meinen
sechzig Jahren täglich verrichte, so vermögen sie in Ithaka ohne alle Geld¬
mittel mit Leichtigkeit ihre Studien zu verfolgen." Allerdings ist diese Hoch¬
schule von allen amerikanischen bei weitem die billigste: nöthigenfalls reichen
die Studenten, die keinerlei Unterstützung genießen, mit 230 Dollars jährlich
aus. Und doch ist z. B. auch für Turnstunden, Erercierübungen und Ru¬
dern bestens gesorgt; und zu der Bibliothek hat Cornell 100,000 Dollars
beigesteuert. -- Ein Unterschied des Glaubensbekenntnisses wird nicht gemacht.

Den Deutschen aber möchte doch ziemen, auf ähnlichen Wegen unge¬
messene Kräfte für die schwierigeren Aufgaben der Gesellschaft zu gewinnen,
die jetzt oft halb verkümmern. Wir haben nicht leicht einen Crösus unter
uns wie Esra Cornell; aber was Einer nicht vermag, das können Viele im
Ferd. Worthmann. Verein.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Verlag von F. L. Hervig. -- Druck von Hüthcl 6 Legler in Leipzig.

aber verstärkte er durch den Zusatz: „Wird der Antrag angenommen, so lei¬
stet Esra Cornell aus eigenen Mitteln einen Zuschuß von einer halben Mil¬
lion Dollars."

Vor nicht ganz drei Jahren, am 23. September 1868, wurde die neue
Hochschule in Ithaka eröffnet. Die Stadt, deren Häuser einen Hügel an¬
muthig hinansteigen und sich in den Fluthen des Cayuga-See's spiegeln,
wird auf mehreren Eisenbahnen leicht erreicht. Die Anstalt, welche ihre Blüthe
erhöht, trägt den Namen des Mannes, den man wohl ihren Gründer nennen
darf; denn außer jener halben Million hat Cornell seiner Schöpfung noch
etwa 300,000 Dollars zugewandt. Sie vereinigt in sich eine Universüät, ein
Polytechuicum und eine landwirthschaftliche Akademie. Ihr unterscheidendes
Princip aber ist dies: jeder der 128 Districte des Staates Neuyork
hat das Recht, alljährlich seinen fähigsten Schüler nach Ithaka
zu senden und ihn dort kostenfrei ausbilden zu lassen.

Damit aber Niemand ausgeschlossen sei, der guten Willen, rüstige Kraft
und ein gewisses Maß von Intelligenz und Bildung mitbringt, ist noch eine
andere merkwürdige Einrichtung getroffen. Auf den Aeckern und in den Ma¬
schinenräumen der Anstalt werden junge Leute in die Lage gebracht, sich durch
ihre Arbeit Unterhalt und Unterricht zu verdienen. Manche Studenten kom¬
men deßhalb drei Monate vor Anfang des neuen Cursus nach Ithaka.
„Wenn die jungen Leute," schreibt Cornell, „nur ein Viertel der Arbeit ver»
richten wollen, die ich in ihrem Alter und die ich noch heute bei Meinen
sechzig Jahren täglich verrichte, so vermögen sie in Ithaka ohne alle Geld¬
mittel mit Leichtigkeit ihre Studien zu verfolgen." Allerdings ist diese Hoch¬
schule von allen amerikanischen bei weitem die billigste: nöthigenfalls reichen
die Studenten, die keinerlei Unterstützung genießen, mit 230 Dollars jährlich
aus. Und doch ist z. B. auch für Turnstunden, Erercierübungen und Ru¬
dern bestens gesorgt; und zu der Bibliothek hat Cornell 100,000 Dollars
beigesteuert. — Ein Unterschied des Glaubensbekenntnisses wird nicht gemacht.

Den Deutschen aber möchte doch ziemen, auf ähnlichen Wegen unge¬
messene Kräfte für die schwierigeren Aufgaben der Gesellschaft zu gewinnen,
die jetzt oft halb verkümmern. Wir haben nicht leicht einen Crösus unter
uns wie Esra Cornell; aber was Einer nicht vermag, das können Viele im
Ferd. Worthmann. Verein.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Verlag von F. L. Hervig. — Druck von Hüthcl 6 Legler in Leipzig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0168" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126444"/>
          <p xml:id="ID_486" prev="#ID_485"> aber verstärkte er durch den Zusatz: &#x201E;Wird der Antrag angenommen, so lei¬<lb/>
stet Esra Cornell aus eigenen Mitteln einen Zuschuß von einer halben Mil¬<lb/>
lion Dollars."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_487"> Vor nicht ganz drei Jahren, am 23. September 1868, wurde die neue<lb/>
Hochschule in Ithaka eröffnet. Die Stadt, deren Häuser einen Hügel an¬<lb/>
muthig hinansteigen und sich in den Fluthen des Cayuga-See's spiegeln,<lb/>
wird auf mehreren Eisenbahnen leicht erreicht. Die Anstalt, welche ihre Blüthe<lb/>
erhöht, trägt den Namen des Mannes, den man wohl ihren Gründer nennen<lb/>
darf; denn außer jener halben Million hat Cornell seiner Schöpfung noch<lb/>
etwa 300,000 Dollars zugewandt. Sie vereinigt in sich eine Universüät, ein<lb/>
Polytechuicum und eine landwirthschaftliche Akademie. Ihr unterscheidendes<lb/>
Princip aber ist dies: jeder der 128 Districte des Staates Neuyork<lb/>
hat das Recht, alljährlich seinen fähigsten Schüler nach Ithaka<lb/>
zu senden und ihn dort kostenfrei ausbilden zu lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_488"> Damit aber Niemand ausgeschlossen sei, der guten Willen, rüstige Kraft<lb/>
und ein gewisses Maß von Intelligenz und Bildung mitbringt, ist noch eine<lb/>
andere merkwürdige Einrichtung getroffen. Auf den Aeckern und in den Ma¬<lb/>
schinenräumen der Anstalt werden junge Leute in die Lage gebracht, sich durch<lb/>
ihre Arbeit Unterhalt und Unterricht zu verdienen. Manche Studenten kom¬<lb/>
men deßhalb drei Monate vor Anfang des neuen Cursus nach Ithaka.<lb/>
&#x201E;Wenn die jungen Leute," schreibt Cornell, &#x201E;nur ein Viertel der Arbeit ver»<lb/>
richten wollen, die ich in ihrem Alter und die ich noch heute bei Meinen<lb/>
sechzig Jahren täglich verrichte, so vermögen sie in Ithaka ohne alle Geld¬<lb/>
mittel mit Leichtigkeit ihre Studien zu verfolgen." Allerdings ist diese Hoch¬<lb/>
schule von allen amerikanischen bei weitem die billigste: nöthigenfalls reichen<lb/>
die Studenten, die keinerlei Unterstützung genießen, mit 230 Dollars jährlich<lb/>
aus. Und doch ist z. B. auch für Turnstunden, Erercierübungen und Ru¬<lb/>
dern bestens gesorgt; und zu der Bibliothek hat Cornell 100,000 Dollars<lb/>
beigesteuert. &#x2014; Ein Unterschied des Glaubensbekenntnisses wird nicht gemacht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_489"> Den Deutschen aber möchte doch ziemen, auf ähnlichen Wegen unge¬<lb/>
messene Kräfte für die schwierigeren Aufgaben der Gesellschaft zu gewinnen,<lb/>
die jetzt oft halb verkümmern. Wir haben nicht leicht einen Crösus unter<lb/>
uns wie Esra Cornell; aber was Einer nicht vermag, das können Viele im<lb/><note type="byline"> Ferd. Worthmann.</note> Verein. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <note type="byline"> Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.<lb/>
Verlag von F. L. Hervig. &#x2014; Druck von Hüthcl 6 Legler in Leipzig.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0168] aber verstärkte er durch den Zusatz: „Wird der Antrag angenommen, so lei¬ stet Esra Cornell aus eigenen Mitteln einen Zuschuß von einer halben Mil¬ lion Dollars." Vor nicht ganz drei Jahren, am 23. September 1868, wurde die neue Hochschule in Ithaka eröffnet. Die Stadt, deren Häuser einen Hügel an¬ muthig hinansteigen und sich in den Fluthen des Cayuga-See's spiegeln, wird auf mehreren Eisenbahnen leicht erreicht. Die Anstalt, welche ihre Blüthe erhöht, trägt den Namen des Mannes, den man wohl ihren Gründer nennen darf; denn außer jener halben Million hat Cornell seiner Schöpfung noch etwa 300,000 Dollars zugewandt. Sie vereinigt in sich eine Universüät, ein Polytechuicum und eine landwirthschaftliche Akademie. Ihr unterscheidendes Princip aber ist dies: jeder der 128 Districte des Staates Neuyork hat das Recht, alljährlich seinen fähigsten Schüler nach Ithaka zu senden und ihn dort kostenfrei ausbilden zu lassen. Damit aber Niemand ausgeschlossen sei, der guten Willen, rüstige Kraft und ein gewisses Maß von Intelligenz und Bildung mitbringt, ist noch eine andere merkwürdige Einrichtung getroffen. Auf den Aeckern und in den Ma¬ schinenräumen der Anstalt werden junge Leute in die Lage gebracht, sich durch ihre Arbeit Unterhalt und Unterricht zu verdienen. Manche Studenten kom¬ men deßhalb drei Monate vor Anfang des neuen Cursus nach Ithaka. „Wenn die jungen Leute," schreibt Cornell, „nur ein Viertel der Arbeit ver» richten wollen, die ich in ihrem Alter und die ich noch heute bei Meinen sechzig Jahren täglich verrichte, so vermögen sie in Ithaka ohne alle Geld¬ mittel mit Leichtigkeit ihre Studien zu verfolgen." Allerdings ist diese Hoch¬ schule von allen amerikanischen bei weitem die billigste: nöthigenfalls reichen die Studenten, die keinerlei Unterstützung genießen, mit 230 Dollars jährlich aus. Und doch ist z. B. auch für Turnstunden, Erercierübungen und Ru¬ dern bestens gesorgt; und zu der Bibliothek hat Cornell 100,000 Dollars beigesteuert. — Ein Unterschied des Glaubensbekenntnisses wird nicht gemacht. Den Deutschen aber möchte doch ziemen, auf ähnlichen Wegen unge¬ messene Kräfte für die schwierigeren Aufgaben der Gesellschaft zu gewinnen, die jetzt oft halb verkümmern. Wir haben nicht leicht einen Crösus unter uns wie Esra Cornell; aber was Einer nicht vermag, das können Viele im Ferd. Worthmann. Verein. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum. Verlag von F. L. Hervig. — Druck von Hüthcl 6 Legler in Leipzig.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/168
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/168>, abgerufen am 24.07.2024.