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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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dieselbe wäre eine neue Belastung der Mecklenburgischen Rhederei eingeführt/und
die eben entfernte Belgische Surtaxe, welche unsere Scheldeschiffe angeblich ^em¬
pfindlich bedrückte, zur Hinterthür wieder hereingebracht, eine Procedur, durch
welche das künftige Uebel größer geworden wäre als das eben beseitigte. Schon
aus diesem Grunde hätte der Landtag bei der am 13. Decbr. v. I. be¬
schlossenen Ablehnung der Regierungsvorlage beharren müssen, und wäre
Sache des Mecklenburgischen Ministeriums gewesen, die Folgen des von ihm
beliebten einseitigen Abschlusses der Convention vom 18. März v> I, zu tragen
und sich wegen des Ausbleibens ihrer Ratifikation mit Belgien zu arrangiren.
Richtig ist freilich, daß die Convention vom 18. März v. I. scheinbar für
Mecklenburg günstiger ist als der vor 8 Jahren proponirte Ablösungsvertrag;
aber irrig, daß man unsrerseits von Belgien überhaupt keine günstigeren
Bedingungen habe erlangen können, da das Brüsseler Gouvernement solche
durch Hinweis auf die Zahlungen der übrigen an der Scheldezollablösung
betheiligten Staaten ablehne. Denn res inwr alios actg. aliis non xiaeM-
tlicat und Verkehrtheiten fremder Nationen können uns doch niemals bestim¬
men, gegen unsere eigenen Interessen zu handeln. Außerdem weiß Jeder, daß
ein Vertrag zu seiner Perfection zwei Parteien und gegenseitigen Nutzen er¬
fordert, sowie daß geschlossene Verträge nur unter den Contrahenten gelten.
Es kam daher nur auf unser Verhältniß zu Belgien an, und in dieser Hin¬
sicht ist es eine völlig grundlose Annahme, welche lediglich zu den Entstellun¬
gen des Sachverhalts gehört, deren sich in der vorliegenden Controverse die
auswärtige Presse, und namentlich die Kölnische Zeitung, vielfach schuldig
gemacht hat, als ob Belgien an der Frequenz der Mecklenburgischen Schelde¬
schiffe kein Interesse habe. Gerade weil vielmehr ein solches offenbar vorlag,
erscheint nicht minder als verkehrte Befürchtung, wenn behauptet wurde, unsere
Scheldeschiffe würden in Folge einer Ablehnung der Convention von Belgien
mit noch höheren Extraabgaben belastet worden sein. Ferner wurde über¬
sehen, daß sehr oft den Mecklenburgischen Scheldeschiffen in den Jahren von
1863 -- 70 die Surtaxe von Belgischen Interessenten erstattet wurde.

Ueberdies ist zu beachten, daß jährlich mindestens 20 Mecklenburger
Schiffe die Scheide besuchen müssen, damit von ihnen ein der an Belgien zu
zahlenden Ablösungsquote gleichkommender Betrag von Surtaxe fällig gewor¬
den wäre. Aber es ist, wie schon erwähnt, dieser unseres Erachtens allein
richtige Maßstab bei Berechnung der Mecklenburger Ablösungssumme stets
übersehen worden.

Charakteristisch ist bei den Debatten der Landtagsversammlung über die
Scheldezollfrage, daß, wie gesagt, in dem Comite die Annahme der Regie¬
rungsproposition aus Rücksicht auf die specifischen Interessen der Seestädte
nur von dem Vertreter der Stadt Rostock empfohlen wurde, während die


dieselbe wäre eine neue Belastung der Mecklenburgischen Rhederei eingeführt/und
die eben entfernte Belgische Surtaxe, welche unsere Scheldeschiffe angeblich ^em¬
pfindlich bedrückte, zur Hinterthür wieder hereingebracht, eine Procedur, durch
welche das künftige Uebel größer geworden wäre als das eben beseitigte. Schon
aus diesem Grunde hätte der Landtag bei der am 13. Decbr. v. I. be¬
schlossenen Ablehnung der Regierungsvorlage beharren müssen, und wäre
Sache des Mecklenburgischen Ministeriums gewesen, die Folgen des von ihm
beliebten einseitigen Abschlusses der Convention vom 18. März v> I, zu tragen
und sich wegen des Ausbleibens ihrer Ratifikation mit Belgien zu arrangiren.
Richtig ist freilich, daß die Convention vom 18. März v. I. scheinbar für
Mecklenburg günstiger ist als der vor 8 Jahren proponirte Ablösungsvertrag;
aber irrig, daß man unsrerseits von Belgien überhaupt keine günstigeren
Bedingungen habe erlangen können, da das Brüsseler Gouvernement solche
durch Hinweis auf die Zahlungen der übrigen an der Scheldezollablösung
betheiligten Staaten ablehne. Denn res inwr alios actg. aliis non xiaeM-
tlicat und Verkehrtheiten fremder Nationen können uns doch niemals bestim¬
men, gegen unsere eigenen Interessen zu handeln. Außerdem weiß Jeder, daß
ein Vertrag zu seiner Perfection zwei Parteien und gegenseitigen Nutzen er¬
fordert, sowie daß geschlossene Verträge nur unter den Contrahenten gelten.
Es kam daher nur auf unser Verhältniß zu Belgien an, und in dieser Hin¬
sicht ist es eine völlig grundlose Annahme, welche lediglich zu den Entstellun¬
gen des Sachverhalts gehört, deren sich in der vorliegenden Controverse die
auswärtige Presse, und namentlich die Kölnische Zeitung, vielfach schuldig
gemacht hat, als ob Belgien an der Frequenz der Mecklenburgischen Schelde¬
schiffe kein Interesse habe. Gerade weil vielmehr ein solches offenbar vorlag,
erscheint nicht minder als verkehrte Befürchtung, wenn behauptet wurde, unsere
Scheldeschiffe würden in Folge einer Ablehnung der Convention von Belgien
mit noch höheren Extraabgaben belastet worden sein. Ferner wurde über¬
sehen, daß sehr oft den Mecklenburgischen Scheldeschiffen in den Jahren von
1863 — 70 die Surtaxe von Belgischen Interessenten erstattet wurde.

Ueberdies ist zu beachten, daß jährlich mindestens 20 Mecklenburger
Schiffe die Scheide besuchen müssen, damit von ihnen ein der an Belgien zu
zahlenden Ablösungsquote gleichkommender Betrag von Surtaxe fällig gewor¬
den wäre. Aber es ist, wie schon erwähnt, dieser unseres Erachtens allein
richtige Maßstab bei Berechnung der Mecklenburger Ablösungssumme stets
übersehen worden.

Charakteristisch ist bei den Debatten der Landtagsversammlung über die
Scheldezollfrage, daß, wie gesagt, in dem Comite die Annahme der Regie¬
rungsproposition aus Rücksicht auf die specifischen Interessen der Seestädte
nur von dem Vertreter der Stadt Rostock empfohlen wurde, während die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/160>, abgerufen am 24.07.2024.