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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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fährt die Adresse fort: "Wenn die Commune so die wahre Vertreterin aller ge¬
funden Elemente der französischen Gesellschaft und deßhalb die wahre nationale
Regierung war, so war sie zu gleicher Zeit als eine Arbeiterregierung, als
die kühne Vorkämpferin der Befreiung der Arbeit, entschieden international.
Im Angesichts der preußischen Armee, welche Deutschland zwei französische
Provinzen einverleibt hatte, verleibte die Commune Frankreich das arbeitende
Volk in der ganzen Welt ein. Das zweite Kaiserreich war die goldne Zeit
des kosmopolitischen Gaunerthums gewesen, indem auf seinen Ruf die Lumpe
aller Länder herbeiströmten, um Antheil an seinen Orgien und an der Plün¬
derung des französischen Volkes zu erHaschen." "Die Commune öffnete allen
Fremden die Thür zu der Ehre, für eine unsterbliche Sache den Tod zu er¬
leiden. Zwischen dem Krieg mit den Fremden, der durch ihren Verrath zur
Niederlage wurde, und dem Bürgerkriege, der aus ihrer Verschwörung mit
dem fremden Eindringling hervorging, hatte die Bourgeoisie die Zeit gefun¬
den, ihren Patriotismus durch Organisirung von Polizeihetzen gegen die
Deutschen in Frankreich darzuthun. Die Commune machte einen deutschen
Arbeiter zu ihrem Arbeitsminister. Thiers, die Bourgeoisie, das zweite Kaiser¬
reich hatten Polen unaufhörlich durch laute Bezeugung ihrer Sympathie ge¬
täuscht, während sie es in Wahrheit an Nußland verriethen und dessen
schmutzige Arbeit thaten. Die Commune ehrte die heldenmüthigen Söhne
Polens dadurch, daß sie dieselben an die Spitze der Vertheidiger von Paris
stellte. Und um deutlich die neue Aera der Geschichte zu bezeichnen, welche
sie zu beginnen sich bewußt war, riß die Commune unter den Augen der
siegreichen Preußen auf der einen, der bonapartistischen und von Bonapar¬
tisten-Generalen geführten Armee auf der andern Seite die Vendomesäule,
jenes riesige Denkmal kriegerischen Ruhmes, nieder."

Weiterhin wird die Commune gelobt, weil sie als echte Regierung des
Volkes durch das Volk die Nachtarbeit der Bäcker und die Verfügung von
strafweisen Lohnabzügen durch die Arbeitgeber verboten und weil sie den Ar¬
beitern die von den Fabrikanten geschlossenen Werkstätten übergeben. Dann
werden ihre Finanzmaßregeln als "merkwürdig wegen ihres Scharfblicks und
ihrer Mäßigung" bezeichnet. Darauf ihr gleichfalls maßvolles Verhalten ge¬
gen die ihr feindliche Presse. Schließlich ihr rasch entschlossenes Verfahren
wegen ihrer Generale. "Es war eine Satire auf Herrn Thiers, daß, wäh¬
rend er Großkreuze regnen ließ auf die bonapartistischen Generale, weil sie
sich durch ihre Meisterschaft im Verlieren von Schlachten, im Unterzeichner
von Kapitulationen und im Cigarrendrehen auf Wilhelmshöhe Anerkennung
erworben, die Commune ihre Generale entließ und verhaftete, sobald sie Ver¬
dacht erregten, ihre Pflicht zu vernachlässigen."

Und nun erreicht der Panegyrikus seinen Gipfel. "Wahrhaft wundervoll


fährt die Adresse fort: „Wenn die Commune so die wahre Vertreterin aller ge¬
funden Elemente der französischen Gesellschaft und deßhalb die wahre nationale
Regierung war, so war sie zu gleicher Zeit als eine Arbeiterregierung, als
die kühne Vorkämpferin der Befreiung der Arbeit, entschieden international.
Im Angesichts der preußischen Armee, welche Deutschland zwei französische
Provinzen einverleibt hatte, verleibte die Commune Frankreich das arbeitende
Volk in der ganzen Welt ein. Das zweite Kaiserreich war die goldne Zeit
des kosmopolitischen Gaunerthums gewesen, indem auf seinen Ruf die Lumpe
aller Länder herbeiströmten, um Antheil an seinen Orgien und an der Plün¬
derung des französischen Volkes zu erHaschen." „Die Commune öffnete allen
Fremden die Thür zu der Ehre, für eine unsterbliche Sache den Tod zu er¬
leiden. Zwischen dem Krieg mit den Fremden, der durch ihren Verrath zur
Niederlage wurde, und dem Bürgerkriege, der aus ihrer Verschwörung mit
dem fremden Eindringling hervorging, hatte die Bourgeoisie die Zeit gefun¬
den, ihren Patriotismus durch Organisirung von Polizeihetzen gegen die
Deutschen in Frankreich darzuthun. Die Commune machte einen deutschen
Arbeiter zu ihrem Arbeitsminister. Thiers, die Bourgeoisie, das zweite Kaiser¬
reich hatten Polen unaufhörlich durch laute Bezeugung ihrer Sympathie ge¬
täuscht, während sie es in Wahrheit an Nußland verriethen und dessen
schmutzige Arbeit thaten. Die Commune ehrte die heldenmüthigen Söhne
Polens dadurch, daß sie dieselben an die Spitze der Vertheidiger von Paris
stellte. Und um deutlich die neue Aera der Geschichte zu bezeichnen, welche
sie zu beginnen sich bewußt war, riß die Commune unter den Augen der
siegreichen Preußen auf der einen, der bonapartistischen und von Bonapar¬
tisten-Generalen geführten Armee auf der andern Seite die Vendomesäule,
jenes riesige Denkmal kriegerischen Ruhmes, nieder."

Weiterhin wird die Commune gelobt, weil sie als echte Regierung des
Volkes durch das Volk die Nachtarbeit der Bäcker und die Verfügung von
strafweisen Lohnabzügen durch die Arbeitgeber verboten und weil sie den Ar¬
beitern die von den Fabrikanten geschlossenen Werkstätten übergeben. Dann
werden ihre Finanzmaßregeln als „merkwürdig wegen ihres Scharfblicks und
ihrer Mäßigung" bezeichnet. Darauf ihr gleichfalls maßvolles Verhalten ge¬
gen die ihr feindliche Presse. Schließlich ihr rasch entschlossenes Verfahren
wegen ihrer Generale. „Es war eine Satire auf Herrn Thiers, daß, wäh¬
rend er Großkreuze regnen ließ auf die bonapartistischen Generale, weil sie
sich durch ihre Meisterschaft im Verlieren von Schlachten, im Unterzeichner
von Kapitulationen und im Cigarrendrehen auf Wilhelmshöhe Anerkennung
erworben, die Commune ihre Generale entließ und verhaftete, sobald sie Ver¬
dacht erregten, ihre Pflicht zu vernachlässigen."

Und nun erreicht der Panegyrikus seinen Gipfel. „Wahrhaft wundervoll


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[0142] fährt die Adresse fort: „Wenn die Commune so die wahre Vertreterin aller ge¬ funden Elemente der französischen Gesellschaft und deßhalb die wahre nationale Regierung war, so war sie zu gleicher Zeit als eine Arbeiterregierung, als die kühne Vorkämpferin der Befreiung der Arbeit, entschieden international. Im Angesichts der preußischen Armee, welche Deutschland zwei französische Provinzen einverleibt hatte, verleibte die Commune Frankreich das arbeitende Volk in der ganzen Welt ein. Das zweite Kaiserreich war die goldne Zeit des kosmopolitischen Gaunerthums gewesen, indem auf seinen Ruf die Lumpe aller Länder herbeiströmten, um Antheil an seinen Orgien und an der Plün¬ derung des französischen Volkes zu erHaschen." „Die Commune öffnete allen Fremden die Thür zu der Ehre, für eine unsterbliche Sache den Tod zu er¬ leiden. Zwischen dem Krieg mit den Fremden, der durch ihren Verrath zur Niederlage wurde, und dem Bürgerkriege, der aus ihrer Verschwörung mit dem fremden Eindringling hervorging, hatte die Bourgeoisie die Zeit gefun¬ den, ihren Patriotismus durch Organisirung von Polizeihetzen gegen die Deutschen in Frankreich darzuthun. Die Commune machte einen deutschen Arbeiter zu ihrem Arbeitsminister. Thiers, die Bourgeoisie, das zweite Kaiser¬ reich hatten Polen unaufhörlich durch laute Bezeugung ihrer Sympathie ge¬ täuscht, während sie es in Wahrheit an Nußland verriethen und dessen schmutzige Arbeit thaten. Die Commune ehrte die heldenmüthigen Söhne Polens dadurch, daß sie dieselben an die Spitze der Vertheidiger von Paris stellte. Und um deutlich die neue Aera der Geschichte zu bezeichnen, welche sie zu beginnen sich bewußt war, riß die Commune unter den Augen der siegreichen Preußen auf der einen, der bonapartistischen und von Bonapar¬ tisten-Generalen geführten Armee auf der andern Seite die Vendomesäule, jenes riesige Denkmal kriegerischen Ruhmes, nieder." Weiterhin wird die Commune gelobt, weil sie als echte Regierung des Volkes durch das Volk die Nachtarbeit der Bäcker und die Verfügung von strafweisen Lohnabzügen durch die Arbeitgeber verboten und weil sie den Ar¬ beitern die von den Fabrikanten geschlossenen Werkstätten übergeben. Dann werden ihre Finanzmaßregeln als „merkwürdig wegen ihres Scharfblicks und ihrer Mäßigung" bezeichnet. Darauf ihr gleichfalls maßvolles Verhalten ge¬ gen die ihr feindliche Presse. Schließlich ihr rasch entschlossenes Verfahren wegen ihrer Generale. „Es war eine Satire auf Herrn Thiers, daß, wäh¬ rend er Großkreuze regnen ließ auf die bonapartistischen Generale, weil sie sich durch ihre Meisterschaft im Verlieren von Schlachten, im Unterzeichner von Kapitulationen und im Cigarrendrehen auf Wilhelmshöhe Anerkennung erworben, die Commune ihre Generale entließ und verhaftete, sobald sie Ver¬ dacht erregten, ihre Pflicht zu vernachlässigen." Und nun erreicht der Panegyrikus seinen Gipfel. „Wahrhaft wundervoll

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/142>, abgerufen am 24.07.2024.