Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.jener Gesellschaft und das wahre Mistbeet aller ihrer Verderbtheiten. Ihre Der directe Gegensatz gegen das Kaiserreich war die Commune. Der Paris, der Centralsitz der alten Regierungsgewalt und zugleich das so¬ Die Commune wurde gebildet aus den Stadtverordneten, die durch all¬ jener Gesellschaft und das wahre Mistbeet aller ihrer Verderbtheiten. Ihre Der directe Gegensatz gegen das Kaiserreich war die Commune. Der Paris, der Centralsitz der alten Regierungsgewalt und zugleich das so¬ Die Commune wurde gebildet aus den Stadtverordneten, die durch all¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0138" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126414"/> <p xml:id="ID_384" prev="#ID_383"> jener Gesellschaft und das wahre Mistbeet aller ihrer Verderbtheiten. Ihre<lb/> eigne Verrottetheit und die Verrottetheit der Gesellschaft, die sie gerettet,<lb/> wurden durch das Bayonnet Preußens offen gelegt, welches seinerseits eifrig<lb/> darnach trachtete, den obersten Sitz jenes Regime's von Paris nach Berlin<lb/> zu verpflanzen. Der Imperialismus ist die schamloseste und zugleich die letzte<lb/> Gestalt der Staatsgewalt, welche die emporwachsende Mittelclassen-Gesellschaft<lb/> als ein Mittel ihrer eignen Befreiung vom Feudalismus herauszubilden be¬<lb/> gonnen, und welche die erwachsene Bourgeois-Gesellschaft schließlich in ein<lb/> Mittel zur Knechtung der Arbeit durch das Capital umgestaltet hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_385"> Der directe Gegensatz gegen das Kaiserreich war die Commune. Der<lb/> Ruf nach der Socialrepublik, mit welchem die Februarrevolution durch das<lb/> pariser Proletariat eingeleitet wurde, drückte nur ein unbestimmtes Streben<lb/> nach einer Republik aus, welche nicht bloß an die Stelle der monarchischen<lb/> Form der Classenherrschast, sondern an die der Classenherrschaft selbst treten<lb/> sollte. Die Commune war die positive Form dieser Republik.</p><lb/> <p xml:id="ID_386"> Paris, der Centralsitz der alten Regierungsgewalt und zugleich das so¬<lb/> ciale Bollwerk der französischen Arbeiterclasse, hatte sich gegen den Versuch<lb/> Thiers' und der Bauernvertreter, jene alte, vom Kaiserreich auf sie vererbte<lb/> Regierungsgewalt wiederherzustellen und zu verewigen, in Waffen erhoben.<lb/> Paris konnte nur widerstehen, weil es infolge der Belagerung die Armee los¬<lb/> geworden war und sie durch die Nationalgarde ersetzt hatte, deren Hauptmasse<lb/> aus Arbeitern bestand. Diese Thatsache sollte jetzt in eine bleibende Einrich¬<lb/> tung verwandelt werden. Das erste Decret der Commune war deshalb die<lb/> Unterdrückung des stehenden Heeres und dessen Ersetzung durch das bewaffnete<lb/> Volk.</p><lb/> <p xml:id="ID_387" next="#ID_388"> Die Commune wurde gebildet aus den Stadtverordneten, die durch all¬<lb/> gemeines Stimmrecht in den verschiedenen Mairien der Stadt gewählt, ver¬<lb/> antwortlich und auf kurze Kündigung absetzbar waren. Die Mehrheit ihrer<lb/> Mitglieder bestand natürlich aus Arbeitern oder anerkannten Vertretern der<lb/> arbeitenden Classe. Die Commune sollte eine arbeitende, nicht eine parlamen¬<lb/> tarische Körperschaft sein, executiv und legislativ zu gleicher Zeit. Statt wie<lb/> bisher das Werkzeug der Centralregierung zu sein, wurde die Polizei sofort<lb/> ihrer politischen Attribute entkleidet und in ein verantwortliches und zu jeder<lb/> Zeit abberufbares Werkzeug der Commune verwandelt. So war es auch mit<lb/> den Beamten aller anderen Verwaltungszweige. Von den Mitgliedern der<lb/> Commune abwärts mußte der öffentliche Dienst für gewöhnlichen Arbeitslohn<lb/> gethan werden. Die Gehalte und Repräsentationsgelder der hohen Würden¬<lb/> träger des Staates verschwanden mit den hohen Würdenträgern selbst. Die<lb/> öffentlichen Functionen hörten auf, das Privateigenthum der Werkzeuge der<lb/> Centralregierung zu sein. Nicht nur die städtische Verwaltung, sondern die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0138]
jener Gesellschaft und das wahre Mistbeet aller ihrer Verderbtheiten. Ihre
eigne Verrottetheit und die Verrottetheit der Gesellschaft, die sie gerettet,
wurden durch das Bayonnet Preußens offen gelegt, welches seinerseits eifrig
darnach trachtete, den obersten Sitz jenes Regime's von Paris nach Berlin
zu verpflanzen. Der Imperialismus ist die schamloseste und zugleich die letzte
Gestalt der Staatsgewalt, welche die emporwachsende Mittelclassen-Gesellschaft
als ein Mittel ihrer eignen Befreiung vom Feudalismus herauszubilden be¬
gonnen, und welche die erwachsene Bourgeois-Gesellschaft schließlich in ein
Mittel zur Knechtung der Arbeit durch das Capital umgestaltet hatte.
Der directe Gegensatz gegen das Kaiserreich war die Commune. Der
Ruf nach der Socialrepublik, mit welchem die Februarrevolution durch das
pariser Proletariat eingeleitet wurde, drückte nur ein unbestimmtes Streben
nach einer Republik aus, welche nicht bloß an die Stelle der monarchischen
Form der Classenherrschast, sondern an die der Classenherrschaft selbst treten
sollte. Die Commune war die positive Form dieser Republik.
Paris, der Centralsitz der alten Regierungsgewalt und zugleich das so¬
ciale Bollwerk der französischen Arbeiterclasse, hatte sich gegen den Versuch
Thiers' und der Bauernvertreter, jene alte, vom Kaiserreich auf sie vererbte
Regierungsgewalt wiederherzustellen und zu verewigen, in Waffen erhoben.
Paris konnte nur widerstehen, weil es infolge der Belagerung die Armee los¬
geworden war und sie durch die Nationalgarde ersetzt hatte, deren Hauptmasse
aus Arbeitern bestand. Diese Thatsache sollte jetzt in eine bleibende Einrich¬
tung verwandelt werden. Das erste Decret der Commune war deshalb die
Unterdrückung des stehenden Heeres und dessen Ersetzung durch das bewaffnete
Volk.
Die Commune wurde gebildet aus den Stadtverordneten, die durch all¬
gemeines Stimmrecht in den verschiedenen Mairien der Stadt gewählt, ver¬
antwortlich und auf kurze Kündigung absetzbar waren. Die Mehrheit ihrer
Mitglieder bestand natürlich aus Arbeitern oder anerkannten Vertretern der
arbeitenden Classe. Die Commune sollte eine arbeitende, nicht eine parlamen¬
tarische Körperschaft sein, executiv und legislativ zu gleicher Zeit. Statt wie
bisher das Werkzeug der Centralregierung zu sein, wurde die Polizei sofort
ihrer politischen Attribute entkleidet und in ein verantwortliches und zu jeder
Zeit abberufbares Werkzeug der Commune verwandelt. So war es auch mit
den Beamten aller anderen Verwaltungszweige. Von den Mitgliedern der
Commune abwärts mußte der öffentliche Dienst für gewöhnlichen Arbeitslohn
gethan werden. Die Gehalte und Repräsentationsgelder der hohen Würden¬
träger des Staates verschwanden mit den hohen Würdenträgern selbst. Die
öffentlichen Functionen hörten auf, das Privateigenthum der Werkzeuge der
Centralregierung zu sein. Nicht nur die städtische Verwaltung, sondern die
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |