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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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lassen, mit dem Feinde unter einer Decke gespielt, Paris verrathen und in den
Provinzen die legitimistische Partei wieder zum Leben galvanisirt hätten.

"Thiers fürchtete sie (die aus diesen Intriguen hervorgegangene, vorwie¬
gend aus Legitimisten und Orleanisten bestehende Nationalversammlung) nicht.
Da sie als Regierung des modernen Frankreichs unmöglich und deßhalb als
Nebenbuhlerin verächtlich war, so ließ sich keine Partei besser zum Werkzeuge
der Gegenrevolution wählen, als die Partei, deren Wirksamkeit nach Thiers'
eigenen Worten (in der Deputirtenkammer am 5. Januar 1833) "sich immer
auf drei Hülfsmittel beschränkt hatte, auf fremde Invasion, Bürgerkrieg und
Anarchie." Sie (die Legitimisten) glaubten zuversichtlich, jetzt wäre ihr lang¬
erwartetes rückwärts gekehrtes tausendjähriges Reich angebrochen. Da sah
man die Fersen der fremden Invasion Frankreich niedertreten, da war der
Sturz eines Kaiserreichs und die Gefangenschaft eines Bonaparte, und da
waren sie selbst. Das Rad der Geschichte war offenbar zurückgerollt, um bei
der ,,ekg,mbrs wtrouvadlcz" von 1816 stillzustehen. In den Volksvertretun¬
gen der Republik von 1848 bis S1 waren sie durch ihre gebildeten und wohl¬
geübten parlamentarischen Vorkämpfer repräsentirt gewesen, jetzt waren es die
gemeinen Soldaten der Partei, die sich hereinstürzten -- alle Pourceaugnacs
von Frankreich."

Folgt nun eine Darstellung der Vorgänge vom 18. März und den näch¬
sten Tagen, in der es heißt: "Das Centraleomit6 und die Arbeiter von Pa¬
ris waren für die Tödtung von Element Thomas und Lecomte ebensowenig
verantwortlich zu machen als die Prineeß von Wales für das Schicksal der
Leute, die bei ihrem Einzug in London todtgedrückt wurden," und in welcher
die Niedermetzelung unbewaffneter Bürger auf dem Platze Vendome als "eine
Fabel, die durch die Bedientenstube des europäischen Journalismus verbreitet
wurde," bezeichnet Anrd. Dagegen hätten die Truppen des "Bauernparla¬
ments" sich der schändlichsten Grausamkeiten schuldig gemacht, der kaltblütigen
Erschießung von Gefangenen, der Nichtachtung von Ambulanzen, der fleischer¬
mäßigen Abschlachtung des "hochherzigen und ritterlichen Flourens." "Ueber
die ermuthigenden Einzelnheiten dieses Meuchelmords erging sich Thiers in
der Nationalversammlung triumphirend des Breiteren. Mit der aufgeblasenen
Eitelkeit eines parlamentarischen Tom Thumb, dem gestattet ist, die Rolle
eines Tamerlan zu spielen, sprach er denen, die sich gegen seine Kleinheit auf¬
lehnten, jedes Recht civilisirter Kriegführung bis hinauf zum Rechte der Neu¬
tralität für Verbandplätze ab. Nichts Gräßlicheres als dieser Affe, dem für
eine Zeit gestattet war, seinen tigerhaften Instincten freien Lauf zu lassen."

Dann kommt die Adresse auf die Commune zu sprechen und antwortet
auf die Frage, was sie sei:

"Die centralisirte Staatsgewalt, mit ihren allgegenwärtigen Organen


lassen, mit dem Feinde unter einer Decke gespielt, Paris verrathen und in den
Provinzen die legitimistische Partei wieder zum Leben galvanisirt hätten.

„Thiers fürchtete sie (die aus diesen Intriguen hervorgegangene, vorwie¬
gend aus Legitimisten und Orleanisten bestehende Nationalversammlung) nicht.
Da sie als Regierung des modernen Frankreichs unmöglich und deßhalb als
Nebenbuhlerin verächtlich war, so ließ sich keine Partei besser zum Werkzeuge
der Gegenrevolution wählen, als die Partei, deren Wirksamkeit nach Thiers'
eigenen Worten (in der Deputirtenkammer am 5. Januar 1833) „sich immer
auf drei Hülfsmittel beschränkt hatte, auf fremde Invasion, Bürgerkrieg und
Anarchie." Sie (die Legitimisten) glaubten zuversichtlich, jetzt wäre ihr lang¬
erwartetes rückwärts gekehrtes tausendjähriges Reich angebrochen. Da sah
man die Fersen der fremden Invasion Frankreich niedertreten, da war der
Sturz eines Kaiserreichs und die Gefangenschaft eines Bonaparte, und da
waren sie selbst. Das Rad der Geschichte war offenbar zurückgerollt, um bei
der ,,ekg,mbrs wtrouvadlcz" von 1816 stillzustehen. In den Volksvertretun¬
gen der Republik von 1848 bis S1 waren sie durch ihre gebildeten und wohl¬
geübten parlamentarischen Vorkämpfer repräsentirt gewesen, jetzt waren es die
gemeinen Soldaten der Partei, die sich hereinstürzten — alle Pourceaugnacs
von Frankreich."

Folgt nun eine Darstellung der Vorgänge vom 18. März und den näch¬
sten Tagen, in der es heißt: „Das Centraleomit6 und die Arbeiter von Pa¬
ris waren für die Tödtung von Element Thomas und Lecomte ebensowenig
verantwortlich zu machen als die Prineeß von Wales für das Schicksal der
Leute, die bei ihrem Einzug in London todtgedrückt wurden," und in welcher
die Niedermetzelung unbewaffneter Bürger auf dem Platze Vendome als „eine
Fabel, die durch die Bedientenstube des europäischen Journalismus verbreitet
wurde," bezeichnet Anrd. Dagegen hätten die Truppen des „Bauernparla¬
ments" sich der schändlichsten Grausamkeiten schuldig gemacht, der kaltblütigen
Erschießung von Gefangenen, der Nichtachtung von Ambulanzen, der fleischer¬
mäßigen Abschlachtung des „hochherzigen und ritterlichen Flourens." „Ueber
die ermuthigenden Einzelnheiten dieses Meuchelmords erging sich Thiers in
der Nationalversammlung triumphirend des Breiteren. Mit der aufgeblasenen
Eitelkeit eines parlamentarischen Tom Thumb, dem gestattet ist, die Rolle
eines Tamerlan zu spielen, sprach er denen, die sich gegen seine Kleinheit auf¬
lehnten, jedes Recht civilisirter Kriegführung bis hinauf zum Rechte der Neu¬
tralität für Verbandplätze ab. Nichts Gräßlicheres als dieser Affe, dem für
eine Zeit gestattet war, seinen tigerhaften Instincten freien Lauf zu lassen."

Dann kommt die Adresse auf die Commune zu sprechen und antwortet
auf die Frage, was sie sei:

„Die centralisirte Staatsgewalt, mit ihren allgegenwärtigen Organen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/135>, abgerufen am 24.07.2024.