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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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lutionäre Idee ist unsterblich." Zugleich theilt die "Tagwacht" mit, daß eine
Versammlung von Mitgliedern der Internationale in Zürich sich einige Tage
vorher einstimmig und mit Begeisterung dahin ausgesprochen, daß der von
der Pariser Commune geführte Kampf gerecht und würdig gewesen, daß er
mit den Ideen von einer bessern Zukunft übereinstimme, und daß alle nach¬
denkenden Menschen mit ihr kämpfen müßten. Die Bourgeoisie schweige jetzt
in thörichten Bacchanalien wegen des augenblicklichen Sturzes der Commune,
bis die Donnerschläge einer neuen und mächtigeren Revolution sie in ewige
Nacht versenken würden.

Aehnliche Kundgebungen brachten die letzten Monate in der französischen
Schweiz. Das "Journal de Geneve" veröffentlichte eine Adresse an die Pa¬
riser Commune, welche der dritte Congreß der Mitglieder der Section der
Internationale in der romanischen Schweiz am 17. Mai in Genf beschlossen
hat. Es waren da Delegirte von Vereinen in Genf selbst, in Carouge, Chaux
de Fonds, Vevay und Monthey, sowie eine Abgeordnete der Centralsection
der Genfer Arbeiterinnen, Marie Schindler, zugegen, und die Adresse sprach
die rückhaltslose Zustimmung des Congresses zu den Handlungen der Com¬
mune aus, zugleich aber stellte der letztere in Form einer Resolution die
kühne Behauptung auf, daß nur die Arbeiter berechtigt sind, die Regierung
eines Landes zu führen, und daß dieses Recht unbestreitbar ist. Von Mon¬
treux meldete kurz nachher die "Gazette de Lausanne," daß von dort aus von
Mitgliedern der Internationale ein gedruckter Aufruf an die Arbeiter verbrei¬
tet werde, worin sie zum massenhaften Eintritt in den Bund aufgefordert
werden und ihnen ein "Tag der Vergeltung" (un jour cis la M8tieo) für
alles, was sie von den besitzenden Classen angeblich erlitten haben, in Aus¬
sicht gestellt wird. Es heißt in dieser Ansprache, die sich vorzüglich an die
in dortiger Gegend auf Tagelohn beschäftigten Landarbeiter richtet: "Tage¬
löhner! Schaut um euch, alle, die ihr ohne Arbeit seid, und die ihr gleich
Sträflingen für wenige Sous den Tag arbeiten müßt. Sehet euch die gut¬
genährten, gut gekleideten, gut wohnenden Leute an. Sie arbeiten nur we¬
nige Stunden des Tages, viele gar nicht, und doch genießen sie alle Freuden
dieses Lebens, während euch und euren Familien das tägliche Brod mangelt.
Woher kommt es, daß ihr und eure Kinder zum ewigen Elend verdammt
seid, und diejenigen, welche am wenigsten arbeiten, sich ewigen Wohlbefindens
erfreuen? Aber Geduld! Der Tag der Vergeltung ist nahe, welcher den Lei¬
den des Volkes ein Ende machen wird. Inzwischen bereitet euch vor, ver¬
einigt euch und tretet in Massen dem internationalen Arbeiterbunde bei, um
euch über eure Pflichten und eure Macht belehren zu lassen."

Und nun zum Schlüsse gönnen wir dem Großrathe der Internationalen
selbst das Wort über die Commune und die Zukunft des Communismus.


lutionäre Idee ist unsterblich." Zugleich theilt die „Tagwacht" mit, daß eine
Versammlung von Mitgliedern der Internationale in Zürich sich einige Tage
vorher einstimmig und mit Begeisterung dahin ausgesprochen, daß der von
der Pariser Commune geführte Kampf gerecht und würdig gewesen, daß er
mit den Ideen von einer bessern Zukunft übereinstimme, und daß alle nach¬
denkenden Menschen mit ihr kämpfen müßten. Die Bourgeoisie schweige jetzt
in thörichten Bacchanalien wegen des augenblicklichen Sturzes der Commune,
bis die Donnerschläge einer neuen und mächtigeren Revolution sie in ewige
Nacht versenken würden.

Aehnliche Kundgebungen brachten die letzten Monate in der französischen
Schweiz. Das „Journal de Geneve" veröffentlichte eine Adresse an die Pa¬
riser Commune, welche der dritte Congreß der Mitglieder der Section der
Internationale in der romanischen Schweiz am 17. Mai in Genf beschlossen
hat. Es waren da Delegirte von Vereinen in Genf selbst, in Carouge, Chaux
de Fonds, Vevay und Monthey, sowie eine Abgeordnete der Centralsection
der Genfer Arbeiterinnen, Marie Schindler, zugegen, und die Adresse sprach
die rückhaltslose Zustimmung des Congresses zu den Handlungen der Com¬
mune aus, zugleich aber stellte der letztere in Form einer Resolution die
kühne Behauptung auf, daß nur die Arbeiter berechtigt sind, die Regierung
eines Landes zu führen, und daß dieses Recht unbestreitbar ist. Von Mon¬
treux meldete kurz nachher die „Gazette de Lausanne," daß von dort aus von
Mitgliedern der Internationale ein gedruckter Aufruf an die Arbeiter verbrei¬
tet werde, worin sie zum massenhaften Eintritt in den Bund aufgefordert
werden und ihnen ein „Tag der Vergeltung" (un jour cis la M8tieo) für
alles, was sie von den besitzenden Classen angeblich erlitten haben, in Aus¬
sicht gestellt wird. Es heißt in dieser Ansprache, die sich vorzüglich an die
in dortiger Gegend auf Tagelohn beschäftigten Landarbeiter richtet: „Tage¬
löhner! Schaut um euch, alle, die ihr ohne Arbeit seid, und die ihr gleich
Sträflingen für wenige Sous den Tag arbeiten müßt. Sehet euch die gut¬
genährten, gut gekleideten, gut wohnenden Leute an. Sie arbeiten nur we¬
nige Stunden des Tages, viele gar nicht, und doch genießen sie alle Freuden
dieses Lebens, während euch und euren Familien das tägliche Brod mangelt.
Woher kommt es, daß ihr und eure Kinder zum ewigen Elend verdammt
seid, und diejenigen, welche am wenigsten arbeiten, sich ewigen Wohlbefindens
erfreuen? Aber Geduld! Der Tag der Vergeltung ist nahe, welcher den Lei¬
den des Volkes ein Ende machen wird. Inzwischen bereitet euch vor, ver¬
einigt euch und tretet in Massen dem internationalen Arbeiterbunde bei, um
euch über eure Pflichten und eure Macht belehren zu lassen."

Und nun zum Schlüsse gönnen wir dem Großrathe der Internationalen
selbst das Wort über die Commune und die Zukunft des Communismus.


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[0133] lutionäre Idee ist unsterblich." Zugleich theilt die „Tagwacht" mit, daß eine Versammlung von Mitgliedern der Internationale in Zürich sich einige Tage vorher einstimmig und mit Begeisterung dahin ausgesprochen, daß der von der Pariser Commune geführte Kampf gerecht und würdig gewesen, daß er mit den Ideen von einer bessern Zukunft übereinstimme, und daß alle nach¬ denkenden Menschen mit ihr kämpfen müßten. Die Bourgeoisie schweige jetzt in thörichten Bacchanalien wegen des augenblicklichen Sturzes der Commune, bis die Donnerschläge einer neuen und mächtigeren Revolution sie in ewige Nacht versenken würden. Aehnliche Kundgebungen brachten die letzten Monate in der französischen Schweiz. Das „Journal de Geneve" veröffentlichte eine Adresse an die Pa¬ riser Commune, welche der dritte Congreß der Mitglieder der Section der Internationale in der romanischen Schweiz am 17. Mai in Genf beschlossen hat. Es waren da Delegirte von Vereinen in Genf selbst, in Carouge, Chaux de Fonds, Vevay und Monthey, sowie eine Abgeordnete der Centralsection der Genfer Arbeiterinnen, Marie Schindler, zugegen, und die Adresse sprach die rückhaltslose Zustimmung des Congresses zu den Handlungen der Com¬ mune aus, zugleich aber stellte der letztere in Form einer Resolution die kühne Behauptung auf, daß nur die Arbeiter berechtigt sind, die Regierung eines Landes zu führen, und daß dieses Recht unbestreitbar ist. Von Mon¬ treux meldete kurz nachher die „Gazette de Lausanne," daß von dort aus von Mitgliedern der Internationale ein gedruckter Aufruf an die Arbeiter verbrei¬ tet werde, worin sie zum massenhaften Eintritt in den Bund aufgefordert werden und ihnen ein „Tag der Vergeltung" (un jour cis la M8tieo) für alles, was sie von den besitzenden Classen angeblich erlitten haben, in Aus¬ sicht gestellt wird. Es heißt in dieser Ansprache, die sich vorzüglich an die in dortiger Gegend auf Tagelohn beschäftigten Landarbeiter richtet: „Tage¬ löhner! Schaut um euch, alle, die ihr ohne Arbeit seid, und die ihr gleich Sträflingen für wenige Sous den Tag arbeiten müßt. Sehet euch die gut¬ genährten, gut gekleideten, gut wohnenden Leute an. Sie arbeiten nur we¬ nige Stunden des Tages, viele gar nicht, und doch genießen sie alle Freuden dieses Lebens, während euch und euren Familien das tägliche Brod mangelt. Woher kommt es, daß ihr und eure Kinder zum ewigen Elend verdammt seid, und diejenigen, welche am wenigsten arbeiten, sich ewigen Wohlbefindens erfreuen? Aber Geduld! Der Tag der Vergeltung ist nahe, welcher den Lei¬ den des Volkes ein Ende machen wird. Inzwischen bereitet euch vor, ver¬ einigt euch und tretet in Massen dem internationalen Arbeiterbunde bei, um euch über eure Pflichten und eure Macht belehren zu lassen." Und nun zum Schlüsse gönnen wir dem Großrathe der Internationalen selbst das Wort über die Commune und die Zukunft des Communismus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/133>, abgerufen am 24.07.2024.