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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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eines geheimen Wohlfahrtsausschusses, 2) für die Errichtung eines Central-
ausschusses der Nationalgarde von Lyon. 3) für die Herstellung einer dauern¬
den Regierung. Jede dieser drei Abtheilungen enthält eine lange Reihe von
Unterabtheilungen, die letzte nicht weniger als 27, und das ganze Actenstück
zeigt, daß nicht allein die Commune in Frankreich noch immer am Leben ist,
sondern auch, daß sie sich ihre jüngsten Erfahrungen zu Nutze zu machen und
ihre nächsten Operationen auf Grund eines wohldurchdachten Planes auszu¬
führen gedenkt. Unter den charakteristischen Bestimmungen der letzten Ab¬
theilung finden wir gänzliche Unterdrückung der reaktionären Presse und mili¬
tärische Besetzung der betreffenden Druckereien, Zusicherung der Kriegskosten¬
zahlung an die Deutschen, welche aus dem Privateigenthum der wohlhabenden
Classen gedeckt werden soll, Beschlagnahme des Eigenthums der Kirchen und
aller Personen, welche sich weigern, mit der Commune gemeinschaftliche Sache
zu machen, Verhaftung einer großen Anzahl von Geiseln, welche hingerichtet
werden sollen, sobald die Commune von den Streitkräften der Regierung an¬
gegriffen wird, Borbereitungen zu einem Offensivkriege im Süden Frank¬
reichs" u. d.

In London hatten die Mitglieder der dortigen Section der Internatio¬
nale die Dreistigkeit, an Lord Gladstone eine Deputation zu schicken und seine
Verwendung für die flüchtigen Pariser Communisten zu verlangen.

Das Auftreten des Abgeordneten Bebel im deutschen Reichstage ist be¬
kannt. In verschiedenen Arbeitervereinen Deutschlands schloß man sich den
dort geäußerten Ansichten und Hoffnungen an. So in Augsburg, in Wien,
in Hannover, an welchem letzteren Orte ein Redner, Richter aus Wandsbeck,
unter dem Beifall der Anwesenden die Mitglieder der Commune mit den
ersten Christen unter Nero verglich. "Wie dieser Rom angezündet, um die
Schuld den verhaßten Christen zuwälzen zu können, so habe Thiers Paris
in Brand schießen müssen, um die Communisten hinmorden zu.können."

Das Organ der Internationalen in der deutschen Schweiz, die in Zürich
erscheinende "Tagwacht", ließ sich um dieselbe Zeit folgendermaßen verneh¬
men: "Die gegenwärtige Form der Revolution, die Commune, fällt wie ein
Märtyrer, aber die Bourgeois werden die revolutionäre Idee nicht tödten
können, die sterbende Gestalt der Commune flößt nur dem Unwissenden Furcht
und Schrecken ein. Der revolutionäre Geist kann nicht getödtet werden, er
spottet des Wüthens der Tyrannen. Und wenn jetzt eine entartete Armee
auf der Leiche der socialen Republikaner und auf den rauchenden Trümmern
von Paris triumphirt, um der alten abgeängstigten Gesellschaft einige Ruhe
zu geben, so ist das nur ein kurzer, der Unterdrückung, der Ungerechtigkeit
und der Unsittlichkeit bewilligter Aufschub, und was jetzt geschieht, ist nur ein
Vorbote der Stürme, welche die Zukunft in ihrem Busen birgt. Die revo-


eines geheimen Wohlfahrtsausschusses, 2) für die Errichtung eines Central-
ausschusses der Nationalgarde von Lyon. 3) für die Herstellung einer dauern¬
den Regierung. Jede dieser drei Abtheilungen enthält eine lange Reihe von
Unterabtheilungen, die letzte nicht weniger als 27, und das ganze Actenstück
zeigt, daß nicht allein die Commune in Frankreich noch immer am Leben ist,
sondern auch, daß sie sich ihre jüngsten Erfahrungen zu Nutze zu machen und
ihre nächsten Operationen auf Grund eines wohldurchdachten Planes auszu¬
führen gedenkt. Unter den charakteristischen Bestimmungen der letzten Ab¬
theilung finden wir gänzliche Unterdrückung der reaktionären Presse und mili¬
tärische Besetzung der betreffenden Druckereien, Zusicherung der Kriegskosten¬
zahlung an die Deutschen, welche aus dem Privateigenthum der wohlhabenden
Classen gedeckt werden soll, Beschlagnahme des Eigenthums der Kirchen und
aller Personen, welche sich weigern, mit der Commune gemeinschaftliche Sache
zu machen, Verhaftung einer großen Anzahl von Geiseln, welche hingerichtet
werden sollen, sobald die Commune von den Streitkräften der Regierung an¬
gegriffen wird, Borbereitungen zu einem Offensivkriege im Süden Frank¬
reichs" u. d.

In London hatten die Mitglieder der dortigen Section der Internatio¬
nale die Dreistigkeit, an Lord Gladstone eine Deputation zu schicken und seine
Verwendung für die flüchtigen Pariser Communisten zu verlangen.

Das Auftreten des Abgeordneten Bebel im deutschen Reichstage ist be¬
kannt. In verschiedenen Arbeitervereinen Deutschlands schloß man sich den
dort geäußerten Ansichten und Hoffnungen an. So in Augsburg, in Wien,
in Hannover, an welchem letzteren Orte ein Redner, Richter aus Wandsbeck,
unter dem Beifall der Anwesenden die Mitglieder der Commune mit den
ersten Christen unter Nero verglich. „Wie dieser Rom angezündet, um die
Schuld den verhaßten Christen zuwälzen zu können, so habe Thiers Paris
in Brand schießen müssen, um die Communisten hinmorden zu.können."

Das Organ der Internationalen in der deutschen Schweiz, die in Zürich
erscheinende „Tagwacht", ließ sich um dieselbe Zeit folgendermaßen verneh¬
men: „Die gegenwärtige Form der Revolution, die Commune, fällt wie ein
Märtyrer, aber die Bourgeois werden die revolutionäre Idee nicht tödten
können, die sterbende Gestalt der Commune flößt nur dem Unwissenden Furcht
und Schrecken ein. Der revolutionäre Geist kann nicht getödtet werden, er
spottet des Wüthens der Tyrannen. Und wenn jetzt eine entartete Armee
auf der Leiche der socialen Republikaner und auf den rauchenden Trümmern
von Paris triumphirt, um der alten abgeängstigten Gesellschaft einige Ruhe
zu geben, so ist das nur ein kurzer, der Unterdrückung, der Ungerechtigkeit
und der Unsittlichkeit bewilligter Aufschub, und was jetzt geschieht, ist nur ein
Vorbote der Stürme, welche die Zukunft in ihrem Busen birgt. Die revo-


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[0132] eines geheimen Wohlfahrtsausschusses, 2) für die Errichtung eines Central- ausschusses der Nationalgarde von Lyon. 3) für die Herstellung einer dauern¬ den Regierung. Jede dieser drei Abtheilungen enthält eine lange Reihe von Unterabtheilungen, die letzte nicht weniger als 27, und das ganze Actenstück zeigt, daß nicht allein die Commune in Frankreich noch immer am Leben ist, sondern auch, daß sie sich ihre jüngsten Erfahrungen zu Nutze zu machen und ihre nächsten Operationen auf Grund eines wohldurchdachten Planes auszu¬ führen gedenkt. Unter den charakteristischen Bestimmungen der letzten Ab¬ theilung finden wir gänzliche Unterdrückung der reaktionären Presse und mili¬ tärische Besetzung der betreffenden Druckereien, Zusicherung der Kriegskosten¬ zahlung an die Deutschen, welche aus dem Privateigenthum der wohlhabenden Classen gedeckt werden soll, Beschlagnahme des Eigenthums der Kirchen und aller Personen, welche sich weigern, mit der Commune gemeinschaftliche Sache zu machen, Verhaftung einer großen Anzahl von Geiseln, welche hingerichtet werden sollen, sobald die Commune von den Streitkräften der Regierung an¬ gegriffen wird, Borbereitungen zu einem Offensivkriege im Süden Frank¬ reichs" u. d. In London hatten die Mitglieder der dortigen Section der Internatio¬ nale die Dreistigkeit, an Lord Gladstone eine Deputation zu schicken und seine Verwendung für die flüchtigen Pariser Communisten zu verlangen. Das Auftreten des Abgeordneten Bebel im deutschen Reichstage ist be¬ kannt. In verschiedenen Arbeitervereinen Deutschlands schloß man sich den dort geäußerten Ansichten und Hoffnungen an. So in Augsburg, in Wien, in Hannover, an welchem letzteren Orte ein Redner, Richter aus Wandsbeck, unter dem Beifall der Anwesenden die Mitglieder der Commune mit den ersten Christen unter Nero verglich. „Wie dieser Rom angezündet, um die Schuld den verhaßten Christen zuwälzen zu können, so habe Thiers Paris in Brand schießen müssen, um die Communisten hinmorden zu.können." Das Organ der Internationalen in der deutschen Schweiz, die in Zürich erscheinende „Tagwacht", ließ sich um dieselbe Zeit folgendermaßen verneh¬ men: „Die gegenwärtige Form der Revolution, die Commune, fällt wie ein Märtyrer, aber die Bourgeois werden die revolutionäre Idee nicht tödten können, die sterbende Gestalt der Commune flößt nur dem Unwissenden Furcht und Schrecken ein. Der revolutionäre Geist kann nicht getödtet werden, er spottet des Wüthens der Tyrannen. Und wenn jetzt eine entartete Armee auf der Leiche der socialen Republikaner und auf den rauchenden Trümmern von Paris triumphirt, um der alten abgeängstigten Gesellschaft einige Ruhe zu geben, so ist das nur ein kurzer, der Unterdrückung, der Ungerechtigkeit und der Unsittlichkeit bewilligter Aufschub, und was jetzt geschieht, ist nur ein Vorbote der Stürme, welche die Zukunft in ihrem Busen birgt. Die revo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/132>, abgerufen am 24.07.2024.