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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Neid und Haß der Besitzlosen gegen die Besitzenden in ein System gebracht
und seit Jahren schon schulmäßig gelehrt, sie warben für dieses System, sie
lieferten die Prediger, welche die Menge mit wahnsinnigen Borstellungen und Hoff¬
nungen erfüllten und durch ihren wilden Fanatismus alle Greuel der Maitage
vorbereiteten, die Officiere, welche die rohe Masse führten, die Pläne, nach
denen sich die Commune und ihre Armee gestalteten, sie waren gewissermaßen
die Cadres, das Gerippe, wodurch sich das Chaos, welches während der Be¬
lagerung entstanden, zu einem schlagkräftigen Körper umwandelte, mit dem
Thiers vermuthlich heute noch nicht fertig wäre, wenn ihm nicht auf sein
Ansuchen von Seiten der Deutschen Beihülfe gewährt worden wäre. Die
Internationale ist also ein Hauptfactor bei der Jnsurrection von Paris ge¬
wesen, und sie wird ein Hauptfactor bei jedem ähnlichen Unternehmen sein,
wenn man sich gegen sie und gleichartige Organisationen der Arbeiter nicht
vorsieht.

Dafür, daß sie sich durch die Niederwerfung der Commune durchaus
nicht für auf alle Zeit besiegt hält, daß sie in Folge dieser Niederlage keine
ihrer Prätensionen aufgegeben hat, besitzen wir aus ihrer eigenen Mitte die
unwidersprechlichsten Zeugnisse.

"Arbeiter des Weltalls", so apostrophirte, zweifelsohne in Vorahnung
des großen Kriegs von 1870, der benutzt werden sollte, die oberste Leitung
der Internationale am 29. Januar v. I. das Proletariat, "organisirt euch,
wenn ihr aufhören wollt, durch das Uebermaß von Anstrengungen und Ent¬
behrungen aller Art zu leiden. Durch die internationale Association der Ar¬
beiter werden Ordnung, Wissenschaft und Gerechtigkeit an die Stelle der Un¬
ordnung, des Mangels an Voraussicht und der Willkür treten. Für uns ist
die rothe Fahne das Symbol der allgemeinen Menschenliebe. Mögen unsre
Feinde darauf bedacht sein, sie nicht wider sich selbst zur Fahne des Schreckens
umzuwandeln."

Diese rothe Fahne wird noch jetzt von dem Bunde hochgehalten, und er
richtet nach wie vor Ansprachen an die Arbeiter, in denen er mit wirklicher
oder affectirter Zuversicht der Zukunft entgegen sieht. "So ganz befriedigend
ist der Zustand von Paris keineswegs", schreibt die "Times" in der zweiten
Woche des Juni, "denn die Anhänger der Commune kommen wieder zu
Athem, sie erholen sich vom Schrecken^ ihrer Niederlage und gewinnen wieder
frischen Muth -- nicht, als ob schon eine neue Schilderhebung möglich wäre,
aber sie fangen wieder an, geheime Zusammenkünfte zu organisiren, um über
die Lage der Dinge zu berathen, um Manifeste zu erlassen und um im Süden
Frankreichs zu agitiren." "Bei einem in Lyon verhafteten Individuum wurde
in diesen Tagen ein ausführliches Programm für eine communistische Revo¬
lution gefunden, welches in drei Abtheilungen zerfällt: 1) für die Bildung


Neid und Haß der Besitzlosen gegen die Besitzenden in ein System gebracht
und seit Jahren schon schulmäßig gelehrt, sie warben für dieses System, sie
lieferten die Prediger, welche die Menge mit wahnsinnigen Borstellungen und Hoff¬
nungen erfüllten und durch ihren wilden Fanatismus alle Greuel der Maitage
vorbereiteten, die Officiere, welche die rohe Masse führten, die Pläne, nach
denen sich die Commune und ihre Armee gestalteten, sie waren gewissermaßen
die Cadres, das Gerippe, wodurch sich das Chaos, welches während der Be¬
lagerung entstanden, zu einem schlagkräftigen Körper umwandelte, mit dem
Thiers vermuthlich heute noch nicht fertig wäre, wenn ihm nicht auf sein
Ansuchen von Seiten der Deutschen Beihülfe gewährt worden wäre. Die
Internationale ist also ein Hauptfactor bei der Jnsurrection von Paris ge¬
wesen, und sie wird ein Hauptfactor bei jedem ähnlichen Unternehmen sein,
wenn man sich gegen sie und gleichartige Organisationen der Arbeiter nicht
vorsieht.

Dafür, daß sie sich durch die Niederwerfung der Commune durchaus
nicht für auf alle Zeit besiegt hält, daß sie in Folge dieser Niederlage keine
ihrer Prätensionen aufgegeben hat, besitzen wir aus ihrer eigenen Mitte die
unwidersprechlichsten Zeugnisse.

„Arbeiter des Weltalls", so apostrophirte, zweifelsohne in Vorahnung
des großen Kriegs von 1870, der benutzt werden sollte, die oberste Leitung
der Internationale am 29. Januar v. I. das Proletariat, „organisirt euch,
wenn ihr aufhören wollt, durch das Uebermaß von Anstrengungen und Ent¬
behrungen aller Art zu leiden. Durch die internationale Association der Ar¬
beiter werden Ordnung, Wissenschaft und Gerechtigkeit an die Stelle der Un¬
ordnung, des Mangels an Voraussicht und der Willkür treten. Für uns ist
die rothe Fahne das Symbol der allgemeinen Menschenliebe. Mögen unsre
Feinde darauf bedacht sein, sie nicht wider sich selbst zur Fahne des Schreckens
umzuwandeln."

Diese rothe Fahne wird noch jetzt von dem Bunde hochgehalten, und er
richtet nach wie vor Ansprachen an die Arbeiter, in denen er mit wirklicher
oder affectirter Zuversicht der Zukunft entgegen sieht. „So ganz befriedigend
ist der Zustand von Paris keineswegs", schreibt die „Times" in der zweiten
Woche des Juni, „denn die Anhänger der Commune kommen wieder zu
Athem, sie erholen sich vom Schrecken^ ihrer Niederlage und gewinnen wieder
frischen Muth — nicht, als ob schon eine neue Schilderhebung möglich wäre,
aber sie fangen wieder an, geheime Zusammenkünfte zu organisiren, um über
die Lage der Dinge zu berathen, um Manifeste zu erlassen und um im Süden
Frankreichs zu agitiren." „Bei einem in Lyon verhafteten Individuum wurde
in diesen Tagen ein ausführliches Programm für eine communistische Revo¬
lution gefunden, welches in drei Abtheilungen zerfällt: 1) für die Bildung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/131>, abgerufen am 24.07.2024.