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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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und gegen das Interesse desselben seinen ersten Hauptsieg und glaubte nun in der
Republik und in den Zugeständnissen, die man ihm unmittelbar nach Verdun"
tundigung derselben machte, auch die Früchte des Sieges ernten zu können. Man
nahm Arbeiter in die Regierung auf, und man versuchte es mit der Erfüllung
einer schon seit Jahren von den Communisten und ihren socialistischen Ver¬
wandten aufgestellten Forderung, indem man Nationalwerkstätten errichtete,
in welchen dem vorgeblichen "Recht auf Arbeit" von Seiten des Staates
Rechnung getragen werden sollte. Diese Schöpfung mußte naturgemäß mi߬
rathen, und sie mißrieth in der That vollständig schon nach Verlauf weniger
Wochen. Das Proletariat erhob sich darauf im Juni 1848 zu dem furcht¬
baren Aufstande, der von Cavaignac, nachdem der Kampf lange geschwankt
und einen großen Theil von Paris mit Blut Übergossen hatte, niedergewor-
fen wurde.

Es war dieselbe Parteiverknüpfung und derselbe Geist, wie die, welche
in diesen Tagen Paris zur Stätte unerhörter Greuel machten. Die damals
gegen die Führer der besiegten Empörung angestellte Untersuchung giebt da¬
für die deutlichsten Beweise an die Hand. Der furchtbare Gedanke, die Welt¬
stadt in Brand zu stecken und sich lieber unter ihren Trümmern zu begraben
als auf die verbrecherischen Gelüste nach Umsturz des Staatsgebäudes zu ver¬
zichten, ist nicht erst im Kreise der Commune von 187t entsprungen, er war
schon in dem Programm der kommunistischen Anführer während jener schreck¬
lichen Junitage enthalten. Wir lesen in den betreffenden Untersuchungsactcn
und zwar in der Rede Caussidiöres vor den Commissarien folgende Worte,
die am 3. April 1848 gesprochen wurden und welche diese Junitage von da¬
mals und die Maitage von heute wie düstere ruchlose Brüder neben ein-
anderstellen:

"Sagen Sie nur Ihren albernen Bourgeois, Ihren Nationalgarten, sagen
Sie ihnen, daß, wofern sie das Unglück haben sollten, sich zur geringsten
Reaction herzugeben, viermalhunderttausend Arbeiter nur auf das Signal
warten, um reinen Tisch mit Paris zu machen. Sie werden keinen Stein
auf dem andern lassen, und dazu werden sie keine Flinten brauchen, chemische
Streichhölzchen werden ihnen genügen."

Und eine in den letzten Stunden der Jnsurrection angeschlagene Bekannt¬
machung der Aufständischen enthielt Folgendes:

"Wenn blinde Hartnäckigkeit euch gleichgültig sein ließe vor soviel ver¬
gossenem Blute, so werden wir alle sterben unter den Trümmern des in Brand
gesteckten Faubourg Samt Antoine."

Der Sieg der blauen Republik, der sonneten Republikaner rettete in
jenen blutigen Tagen des Juni 1848 die bürgerliche Gesellschaft in Frank-
reich. Man hielt ihn vielleicht für vollständiger und entscheidender, als er in


und gegen das Interesse desselben seinen ersten Hauptsieg und glaubte nun in der
Republik und in den Zugeständnissen, die man ihm unmittelbar nach Verdun»
tundigung derselben machte, auch die Früchte des Sieges ernten zu können. Man
nahm Arbeiter in die Regierung auf, und man versuchte es mit der Erfüllung
einer schon seit Jahren von den Communisten und ihren socialistischen Ver¬
wandten aufgestellten Forderung, indem man Nationalwerkstätten errichtete,
in welchen dem vorgeblichen „Recht auf Arbeit" von Seiten des Staates
Rechnung getragen werden sollte. Diese Schöpfung mußte naturgemäß mi߬
rathen, und sie mißrieth in der That vollständig schon nach Verlauf weniger
Wochen. Das Proletariat erhob sich darauf im Juni 1848 zu dem furcht¬
baren Aufstande, der von Cavaignac, nachdem der Kampf lange geschwankt
und einen großen Theil von Paris mit Blut Übergossen hatte, niedergewor-
fen wurde.

Es war dieselbe Parteiverknüpfung und derselbe Geist, wie die, welche
in diesen Tagen Paris zur Stätte unerhörter Greuel machten. Die damals
gegen die Führer der besiegten Empörung angestellte Untersuchung giebt da¬
für die deutlichsten Beweise an die Hand. Der furchtbare Gedanke, die Welt¬
stadt in Brand zu stecken und sich lieber unter ihren Trümmern zu begraben
als auf die verbrecherischen Gelüste nach Umsturz des Staatsgebäudes zu ver¬
zichten, ist nicht erst im Kreise der Commune von 187t entsprungen, er war
schon in dem Programm der kommunistischen Anführer während jener schreck¬
lichen Junitage enthalten. Wir lesen in den betreffenden Untersuchungsactcn
und zwar in der Rede Caussidiöres vor den Commissarien folgende Worte,
die am 3. April 1848 gesprochen wurden und welche diese Junitage von da¬
mals und die Maitage von heute wie düstere ruchlose Brüder neben ein-
anderstellen:

„Sagen Sie nur Ihren albernen Bourgeois, Ihren Nationalgarten, sagen
Sie ihnen, daß, wofern sie das Unglück haben sollten, sich zur geringsten
Reaction herzugeben, viermalhunderttausend Arbeiter nur auf das Signal
warten, um reinen Tisch mit Paris zu machen. Sie werden keinen Stein
auf dem andern lassen, und dazu werden sie keine Flinten brauchen, chemische
Streichhölzchen werden ihnen genügen."

Und eine in den letzten Stunden der Jnsurrection angeschlagene Bekannt¬
machung der Aufständischen enthielt Folgendes:

„Wenn blinde Hartnäckigkeit euch gleichgültig sein ließe vor soviel ver¬
gossenem Blute, so werden wir alle sterben unter den Trümmern des in Brand
gesteckten Faubourg Samt Antoine."

Der Sieg der blauen Republik, der sonneten Republikaner rettete in
jenen blutigen Tagen des Juni 1848 die bürgerliche Gesellschaft in Frank-
reich. Man hielt ihn vielleicht für vollständiger und entscheidender, als er in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/110>, abgerufen am 24.07.2024.