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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Leute trinken zu lassen, und ich sprach einen Augenblick mit den Officieren.
Sie waren bei dem Angriff auf den Feind während seiner Landung betheiligt
gewesen. Sie hatten es, wie sie sagten, zuerst ganz in ihrer Hand und hätten
den Feind leicht zurückgeschlagen, wenn man sie gehörig unterstützt hätte.
Aber die ganze Sache wäre verfahren. Die Freiwilligen kamen ganz fix
heran, sagten sie, aber sie geriethen in Verwirrung, und die Miliz deßgleichen,
und die Attaque ging fehl und endete mit ernstem Verlust. Es waren die
Verwundeten dieser Truppe, welche in der Nacht durch Guildford gegangen
waren. Die Officiere fragten uns begierig nach den Arrangements für die
Schlacht, und als wir sagten, daß die Garden die einzigen regulären Truppen
in diesem Theile des Feldes wären, schüttelten sie in unheilweissagender Weise
den Kopf.

Während wir plauderten, kam ein dritter Officier herbei, ein schwarz¬
haariger Mann mit einem glatthaarigen Gesicht und einer seltsam aufgeregten
Manier. "Sie sind vermuthlich Freiwillige," sägte er hastig, wobei sein
Auge flammte. "Nun dann, sehen Sie mal, ich will Sie nicht verletzen,
verstehen Sie wohl, und Ihnen nichts Unangenehmes sagen. Aber wenn
Sie, meine Herren, jetzt umkehren und uns die Sache allein ausfechten lassen
wollten, so würde das ein höllisch guter Einfall sein. Wir könnten es viel
besser ohne Ihren Beistand besorgen, kann ich Ihnen sagen. Wir brauchen
Sie nicht. Es wäre besser, man ließe uns ungeschoren mit Ihnen, wahr¬
haftig. Ich will damit durchaus keine Grobheit sagen, aber so ist es."

Nachdem er dieß leidenschaftlich herausgesprudelt, ging er mit großen
Schritten von dannen, bevor jemand antworten oder die andern Officiere ihn
aufhalten konnten. Sie baten um Entschuldigung für ihn, indem sie sagten,
daß sein Bruder, in demselben Regiment dienend, am Sonntag gefallen und
daß dieß, die heiße Sonne und der Marsch seinen Kopf angegriffen hätte.
Sie berichteten uns ferner, daß die Avantgarde des Feindes hart hinter ihnen
wäre, daß sie aber dem Anschein nach auf Verstärkungen warte und ver¬
muthlich nicht vor Mittag angreifen werde.

Es dauerte indeß bis gegen drei Uhr, ehe die Schlacht begann. Wir
waren schier über das Gefühl gespannter Erwartung hinweg. Zwölf Stun¬
den hatten wir auf den herankommenden Kampf gewartet, bis es zuletzt fast
schien, als ob die Invasion nur ein böser Traum wäre und der von uns
bis dahin noch nicht gesehene Feind gar keine wirkliche Existenz hätte.

Ich lag in Gedanken mit Andern im Grase, einige rauchten, andere
knabberten an ihrem Brode, etliche waren sogar eingeschlafen, als der träu¬
merische Zustand, in den wir verfallen waren, plötzlich durch einen Kanonen¬
schuß vom Gipfel des Hügels zu unsrer Rechten, hart bei dem großen Hause
gestört wurde. Es war das erste Mal, daß ich eine mit einer Kugel geladene


Leute trinken zu lassen, und ich sprach einen Augenblick mit den Officieren.
Sie waren bei dem Angriff auf den Feind während seiner Landung betheiligt
gewesen. Sie hatten es, wie sie sagten, zuerst ganz in ihrer Hand und hätten
den Feind leicht zurückgeschlagen, wenn man sie gehörig unterstützt hätte.
Aber die ganze Sache wäre verfahren. Die Freiwilligen kamen ganz fix
heran, sagten sie, aber sie geriethen in Verwirrung, und die Miliz deßgleichen,
und die Attaque ging fehl und endete mit ernstem Verlust. Es waren die
Verwundeten dieser Truppe, welche in der Nacht durch Guildford gegangen
waren. Die Officiere fragten uns begierig nach den Arrangements für die
Schlacht, und als wir sagten, daß die Garden die einzigen regulären Truppen
in diesem Theile des Feldes wären, schüttelten sie in unheilweissagender Weise
den Kopf.

Während wir plauderten, kam ein dritter Officier herbei, ein schwarz¬
haariger Mann mit einem glatthaarigen Gesicht und einer seltsam aufgeregten
Manier. „Sie sind vermuthlich Freiwillige," sägte er hastig, wobei sein
Auge flammte. „Nun dann, sehen Sie mal, ich will Sie nicht verletzen,
verstehen Sie wohl, und Ihnen nichts Unangenehmes sagen. Aber wenn
Sie, meine Herren, jetzt umkehren und uns die Sache allein ausfechten lassen
wollten, so würde das ein höllisch guter Einfall sein. Wir könnten es viel
besser ohne Ihren Beistand besorgen, kann ich Ihnen sagen. Wir brauchen
Sie nicht. Es wäre besser, man ließe uns ungeschoren mit Ihnen, wahr¬
haftig. Ich will damit durchaus keine Grobheit sagen, aber so ist es."

Nachdem er dieß leidenschaftlich herausgesprudelt, ging er mit großen
Schritten von dannen, bevor jemand antworten oder die andern Officiere ihn
aufhalten konnten. Sie baten um Entschuldigung für ihn, indem sie sagten,
daß sein Bruder, in demselben Regiment dienend, am Sonntag gefallen und
daß dieß, die heiße Sonne und der Marsch seinen Kopf angegriffen hätte.
Sie berichteten uns ferner, daß die Avantgarde des Feindes hart hinter ihnen
wäre, daß sie aber dem Anschein nach auf Verstärkungen warte und ver¬
muthlich nicht vor Mittag angreifen werde.

Es dauerte indeß bis gegen drei Uhr, ehe die Schlacht begann. Wir
waren schier über das Gefühl gespannter Erwartung hinweg. Zwölf Stun¬
den hatten wir auf den herankommenden Kampf gewartet, bis es zuletzt fast
schien, als ob die Invasion nur ein böser Traum wäre und der von uns
bis dahin noch nicht gesehene Feind gar keine wirkliche Existenz hätte.

Ich lag in Gedanken mit Andern im Grase, einige rauchten, andere
knabberten an ihrem Brode, etliche waren sogar eingeschlafen, als der träu¬
merische Zustand, in den wir verfallen waren, plötzlich durch einen Kanonen¬
schuß vom Gipfel des Hügels zu unsrer Rechten, hart bei dem großen Hause
gestört wurde. Es war das erste Mal, daß ich eine mit einer Kugel geladene


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/422>, abgerufen am 29.09.2024.