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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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seinem Stab heruntergeritten. Wir hatten ihn beim Wechseln unsrer, Position
während des Morgens mehrmals gesehen, aber jetzt hielt er eine Art förm¬
licher Inspection ab. Er war ein hagerer Mann mit langen, lichten Haaren,
sehr gut beritten, und wie er so gerade auf dem Pferde saß und die Linie
entlang sprengte, sah er in einiger Entfernung aus, als ob er fünfund¬
zwanzig Jahre zählte; aber ich glaube, er hatte schon über fünfzig Jahre
gedient und war zum Peer ernannt für Leistungen in einer Zeit, wo er schon
ein alter Mann war. Ich entsinne mich, daß er mehr Decorationen hatte,
als er auf seinem Rocke tragen konnte, und daß er sie deßhalb wie eine Kette
um den Hals trug. Wie alle andern Generale zeichnete er sich durch eine
blaue Uniform und einen dreieckigen Federhut aus -- eine schlechte Einrich¬
tung meiner Meinung nach; denn es zeichnete sie den Feinden aus.

Der General hielt vor unserm Bataillon und richtete an uns, nachdem
er uns eine Weile angeblickt, eine kurze Anrede. Wir hätten, sagte er, einen
Ehrenposten neben Ihrer Majestät Garden und würden uns desselben und
des Namens von Engländern werth zeigen. Man brauchte kein General zu
sein, um die Stärke unsrer Position zu sehen. Sie wäre gehörig vertheidigt
uneinnehmbar. Warten wir, fuhr er fort, bis der Feind tüchtig Artilleriefeuer
gekriegt hat, dann wird Befehl erfolgen, auf ihn loszugehen. Vor allen
Dingen müßten wir standhaft aushalten. Er gab dann unserm Obersten
die Hand, wir ließen ihn hochleben, und er ritt weiter zu den Garden.

Nun also wird die Schlacht beginnen, dachten wir. Aber noch ließ sich
kein Feind sehen, und die Luft, obwohl sehr heiß und schwül, begann dick
zu werden, so daß man kaum die Stadt drunten sehen konnte, und die Hügel
jenseits waren nur ein verschwommenes Blau, in welchem keine deutlichen
Umrisse zu erkennen waren. Nach einer Weile ließ die Spannung, welche
die Ansprache des Generals hervorgerufen, nach und es war uns weniger zu
Muthe, als ob Alles davon abhinge, daß wir unsre Büchsen recht fest gefaßt
hielten. Man sagte uns, wir sollten sie wieder hinstellen, und wir erhielten
Erlaubniß, zu zehn und zwanzig Mann nach dem Bache hinunter zum Trin¬
ken zu gehen. Dieser Bach und alle Hecken und Bodenerhebungen auf unsrer
Seite wurden von unsern Plänklern besetzt gehalten, wogegen die Stadt auf¬
gegeben war. Die Position war eine vortreffliche, nur hatten die Feinde,
wenn sie kamen, beinahe bessere Deckung als unsre Leute.

Während ich am Bache unten war, kam eine Colonne aus der Stadt
auf unsre Stellung zu. Wir dachten einen Augenblick, es wäre der Feind;
denn man konnte vor dem Staube die Farbe der Uniformen nicht erkennen.
Aber es erwies sich, daß es unsre Nachhut war, die sich von den gegenüber¬
liegenden Hügeln zurückzog, die sie in vergangener Nacht inne gehabt hatte.

Ein Schützenbataillon hielt für einen Augenblick am Bache still, um die


seinem Stab heruntergeritten. Wir hatten ihn beim Wechseln unsrer, Position
während des Morgens mehrmals gesehen, aber jetzt hielt er eine Art förm¬
licher Inspection ab. Er war ein hagerer Mann mit langen, lichten Haaren,
sehr gut beritten, und wie er so gerade auf dem Pferde saß und die Linie
entlang sprengte, sah er in einiger Entfernung aus, als ob er fünfund¬
zwanzig Jahre zählte; aber ich glaube, er hatte schon über fünfzig Jahre
gedient und war zum Peer ernannt für Leistungen in einer Zeit, wo er schon
ein alter Mann war. Ich entsinne mich, daß er mehr Decorationen hatte,
als er auf seinem Rocke tragen konnte, und daß er sie deßhalb wie eine Kette
um den Hals trug. Wie alle andern Generale zeichnete er sich durch eine
blaue Uniform und einen dreieckigen Federhut aus — eine schlechte Einrich¬
tung meiner Meinung nach; denn es zeichnete sie den Feinden aus.

Der General hielt vor unserm Bataillon und richtete an uns, nachdem
er uns eine Weile angeblickt, eine kurze Anrede. Wir hätten, sagte er, einen
Ehrenposten neben Ihrer Majestät Garden und würden uns desselben und
des Namens von Engländern werth zeigen. Man brauchte kein General zu
sein, um die Stärke unsrer Position zu sehen. Sie wäre gehörig vertheidigt
uneinnehmbar. Warten wir, fuhr er fort, bis der Feind tüchtig Artilleriefeuer
gekriegt hat, dann wird Befehl erfolgen, auf ihn loszugehen. Vor allen
Dingen müßten wir standhaft aushalten. Er gab dann unserm Obersten
die Hand, wir ließen ihn hochleben, und er ritt weiter zu den Garden.

Nun also wird die Schlacht beginnen, dachten wir. Aber noch ließ sich
kein Feind sehen, und die Luft, obwohl sehr heiß und schwül, begann dick
zu werden, so daß man kaum die Stadt drunten sehen konnte, und die Hügel
jenseits waren nur ein verschwommenes Blau, in welchem keine deutlichen
Umrisse zu erkennen waren. Nach einer Weile ließ die Spannung, welche
die Ansprache des Generals hervorgerufen, nach und es war uns weniger zu
Muthe, als ob Alles davon abhinge, daß wir unsre Büchsen recht fest gefaßt
hielten. Man sagte uns, wir sollten sie wieder hinstellen, und wir erhielten
Erlaubniß, zu zehn und zwanzig Mann nach dem Bache hinunter zum Trin¬
ken zu gehen. Dieser Bach und alle Hecken und Bodenerhebungen auf unsrer
Seite wurden von unsern Plänklern besetzt gehalten, wogegen die Stadt auf¬
gegeben war. Die Position war eine vortreffliche, nur hatten die Feinde,
wenn sie kamen, beinahe bessere Deckung als unsre Leute.

Während ich am Bache unten war, kam eine Colonne aus der Stadt
auf unsre Stellung zu. Wir dachten einen Augenblick, es wäre der Feind;
denn man konnte vor dem Staube die Farbe der Uniformen nicht erkennen.
Aber es erwies sich, daß es unsre Nachhut war, die sich von den gegenüber¬
liegenden Hügeln zurückzog, die sie in vergangener Nacht inne gehabt hatte.

Ein Schützenbataillon hielt für einen Augenblick am Bache still, um die


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[0421] seinem Stab heruntergeritten. Wir hatten ihn beim Wechseln unsrer, Position während des Morgens mehrmals gesehen, aber jetzt hielt er eine Art förm¬ licher Inspection ab. Er war ein hagerer Mann mit langen, lichten Haaren, sehr gut beritten, und wie er so gerade auf dem Pferde saß und die Linie entlang sprengte, sah er in einiger Entfernung aus, als ob er fünfund¬ zwanzig Jahre zählte; aber ich glaube, er hatte schon über fünfzig Jahre gedient und war zum Peer ernannt für Leistungen in einer Zeit, wo er schon ein alter Mann war. Ich entsinne mich, daß er mehr Decorationen hatte, als er auf seinem Rocke tragen konnte, und daß er sie deßhalb wie eine Kette um den Hals trug. Wie alle andern Generale zeichnete er sich durch eine blaue Uniform und einen dreieckigen Federhut aus — eine schlechte Einrich¬ tung meiner Meinung nach; denn es zeichnete sie den Feinden aus. Der General hielt vor unserm Bataillon und richtete an uns, nachdem er uns eine Weile angeblickt, eine kurze Anrede. Wir hätten, sagte er, einen Ehrenposten neben Ihrer Majestät Garden und würden uns desselben und des Namens von Engländern werth zeigen. Man brauchte kein General zu sein, um die Stärke unsrer Position zu sehen. Sie wäre gehörig vertheidigt uneinnehmbar. Warten wir, fuhr er fort, bis der Feind tüchtig Artilleriefeuer gekriegt hat, dann wird Befehl erfolgen, auf ihn loszugehen. Vor allen Dingen müßten wir standhaft aushalten. Er gab dann unserm Obersten die Hand, wir ließen ihn hochleben, und er ritt weiter zu den Garden. Nun also wird die Schlacht beginnen, dachten wir. Aber noch ließ sich kein Feind sehen, und die Luft, obwohl sehr heiß und schwül, begann dick zu werden, so daß man kaum die Stadt drunten sehen konnte, und die Hügel jenseits waren nur ein verschwommenes Blau, in welchem keine deutlichen Umrisse zu erkennen waren. Nach einer Weile ließ die Spannung, welche die Ansprache des Generals hervorgerufen, nach und es war uns weniger zu Muthe, als ob Alles davon abhinge, daß wir unsre Büchsen recht fest gefaßt hielten. Man sagte uns, wir sollten sie wieder hinstellen, und wir erhielten Erlaubniß, zu zehn und zwanzig Mann nach dem Bache hinunter zum Trin¬ ken zu gehen. Dieser Bach und alle Hecken und Bodenerhebungen auf unsrer Seite wurden von unsern Plänklern besetzt gehalten, wogegen die Stadt auf¬ gegeben war. Die Position war eine vortreffliche, nur hatten die Feinde, wenn sie kamen, beinahe bessere Deckung als unsre Leute. Während ich am Bache unten war, kam eine Colonne aus der Stadt auf unsre Stellung zu. Wir dachten einen Augenblick, es wäre der Feind; denn man konnte vor dem Staube die Farbe der Uniformen nicht erkennen. Aber es erwies sich, daß es unsre Nachhut war, die sich von den gegenüber¬ liegenden Hügeln zurückzog, die sie in vergangener Nacht inne gehabt hatte. Ein Schützenbataillon hielt für einen Augenblick am Bache still, um die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/421>, abgerufen am 27.12.2024.