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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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des Weibezcchnschen Planes ist, alles zu prägende Gold auf einmal in
Circulation zu setzen, um das ganze umlaufende Silber mit einem Schlage
aus dem Verkehre zu ziehen, zu diesemZwecke wenigstens ein Zeitraum von
zwei Jahren erforderlich sein, während dessen das nöthige Gold geprägt und
unbenutzt aufbewahrt würde. Wir haben also den Zinsenverlust (beziehungs¬
weise nicht gemachten Gewinn) von 400 Millionen Thaler während zweier
Jahr/ zu 4 yet, mit 32'000'000 zu berücksichtigen, welcher sich jedoch, da das
gesammte Gold nicht sofort angeschafft zu werden braucht, als Durchschnittszeit
auf die Hälfte reducirt ^ 16'000'000 Thlr; folglich wäre der Gesammtverlust
der deutschen Staaten bei Herrn Dr. Weibezcchn's erstem Plane der Münz¬
reform -- 37'750'000 Thlr. Wie hoch sich der den Privaten ungerechter
Weise aufgelegte Verlust durch die von allen Schuldnern zu zahlenden 1','2 yet.
Cursunterschied außerdem beziffern würde, läßt sich nicht berechnen, da die
Summe aller Privatschulden, Eisenbahn-Prioritäten u. s. w. nicht vorliegt.
Daß er ebenfalls ein ungeheurer sein würde, ist leicht einzusehen.

Ich habe gezeigt, daß Herr Dr. Weibezahn eine sehr hohe Meinung
von den wirthschaftlichen Vortheilen eines Anschlusses Deutschlands an den
lateinischen Münzbund haben mußte, da er, um zu ihm zu gelangen, erstens
die Thatsache, daß das metrische Münzsystem das allein rationelle sei, bei
Seite setzte; zweitens den von ihm als möglich in Aussicht genommenen ger¬
manischen Münzbund mit Nordamerika und England verwehren wollte;
drittens dem Staate ganz unverhältnißmäßige (ihm allerdings in ihrer vollen
Bedeutung anscheinend nicht k?ar gewordene) materielle Opfer aufzulegen be¬
reit war und endlich -- last not least -- viertens ihm gar noch zumuthete,
sich einer gar nicht zu entschuldigenden Rechtsverletzung gegen einen großen
Theil der Bevölkerung schuldig zu machen. Sei dem, wie ihm wolle, --
er konnte dabei irren, aber es lag ein bestimmtes, greifbares Object vor ihm,
der Anschluß an den lateinischen Münzbund.

Jetzt aber kommen wir zu dem Curiosum! In seiner kürzlich erschiene¬
nen Flugschrift (Deutschlands Münzeinheit, Leipzig 1871) giebt Herr Dr.
Weibezahn die Idee eines Anschlusses an den lateinischen Münzbund völlig
auf, sei es, daß der Krieg auch ihn von der Illusion geheilt habe, die er
früher nach dieser Richtung hin mit vielen Anderen getheilt hatte; sei es,
daß ihm eine Ahnung davon gekommen sei, daß die pecuniären Opfer des
Staates, um zu einem leichten Uebergange zum Goldgulden von 2^/2 Franken
zu gelangen, doch erheblich größer als 3^ oder 4 Millionen sein würden,
oder sei es aus irgend einem anderen Grunde. Thatsache ist, daß Herr
Dr. Weibezahn seinen früheren Vorschlag des Goldguldens von Gramm


des Weibezcchnschen Planes ist, alles zu prägende Gold auf einmal in
Circulation zu setzen, um das ganze umlaufende Silber mit einem Schlage
aus dem Verkehre zu ziehen, zu diesemZwecke wenigstens ein Zeitraum von
zwei Jahren erforderlich sein, während dessen das nöthige Gold geprägt und
unbenutzt aufbewahrt würde. Wir haben also den Zinsenverlust (beziehungs¬
weise nicht gemachten Gewinn) von 400 Millionen Thaler während zweier
Jahr/ zu 4 yet, mit 32'000'000 zu berücksichtigen, welcher sich jedoch, da das
gesammte Gold nicht sofort angeschafft zu werden braucht, als Durchschnittszeit
auf die Hälfte reducirt ^ 16'000'000 Thlr; folglich wäre der Gesammtverlust
der deutschen Staaten bei Herrn Dr. Weibezcchn's erstem Plane der Münz¬
reform — 37'750'000 Thlr. Wie hoch sich der den Privaten ungerechter
Weise aufgelegte Verlust durch die von allen Schuldnern zu zahlenden 1','2 yet.
Cursunterschied außerdem beziffern würde, läßt sich nicht berechnen, da die
Summe aller Privatschulden, Eisenbahn-Prioritäten u. s. w. nicht vorliegt.
Daß er ebenfalls ein ungeheurer sein würde, ist leicht einzusehen.

Ich habe gezeigt, daß Herr Dr. Weibezahn eine sehr hohe Meinung
von den wirthschaftlichen Vortheilen eines Anschlusses Deutschlands an den
lateinischen Münzbund haben mußte, da er, um zu ihm zu gelangen, erstens
die Thatsache, daß das metrische Münzsystem das allein rationelle sei, bei
Seite setzte; zweitens den von ihm als möglich in Aussicht genommenen ger¬
manischen Münzbund mit Nordamerika und England verwehren wollte;
drittens dem Staate ganz unverhältnißmäßige (ihm allerdings in ihrer vollen
Bedeutung anscheinend nicht k?ar gewordene) materielle Opfer aufzulegen be¬
reit war und endlich — last not least — viertens ihm gar noch zumuthete,
sich einer gar nicht zu entschuldigenden Rechtsverletzung gegen einen großen
Theil der Bevölkerung schuldig zu machen. Sei dem, wie ihm wolle, —
er konnte dabei irren, aber es lag ein bestimmtes, greifbares Object vor ihm,
der Anschluß an den lateinischen Münzbund.

Jetzt aber kommen wir zu dem Curiosum! In seiner kürzlich erschiene¬
nen Flugschrift (Deutschlands Münzeinheit, Leipzig 1871) giebt Herr Dr.
Weibezahn die Idee eines Anschlusses an den lateinischen Münzbund völlig
auf, sei es, daß der Krieg auch ihn von der Illusion geheilt habe, die er
früher nach dieser Richtung hin mit vielen Anderen getheilt hatte; sei es,
daß ihm eine Ahnung davon gekommen sei, daß die pecuniären Opfer des
Staates, um zu einem leichten Uebergange zum Goldgulden von 2^/2 Franken
zu gelangen, doch erheblich größer als 3^ oder 4 Millionen sein würden,
oder sei es aus irgend einem anderen Grunde. Thatsache ist, daß Herr
Dr. Weibezahn seinen früheren Vorschlag des Goldguldens von Gramm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/300>, abgerufen am 29.09.2024.