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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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2. Die Schuldner bei allen Forderungen älteren Datums verlieren
dabei allerdings 1^ yet., welche sie mehr zu zahlen haben werden, als ihnen
nach dem laufenden Curse zur Last fällt. Aber als sie das Silber empfingen,
hatte es einen höheren Werth als jetzt. Dabei müssen sie sich beruhigen.
3. Die Schuldner neueren Datums könnten sich mit größerem Recht
beklagen, wenn sie 1^ yet. mehr bezahlen sollen, als ihre Schuld beträgt,
da sie das Silber wahrscheinlich bereits entwerthet empfingen. Daher ent¬
schädigt sie der Staat, indem er ihnen zu dem ihnen auferlegten Curse von
1 : 18,32 Goldmünzen in gehöriger Menge liefert, um ihre Verbindlichkeiten
in Gold abzutragen, übrigens Zahlungen in Silber verbietet und das Silber
aus dem Verkehre zieht. 4. Zu diesem Zwecke prägt der Staat das genü¬
gende Quantum Goldmünzen aus, bewahrt sie auf, bis der Vorrath genügt,
um sämmtliches umlaufende Silber dagegen einzutauschen, und setzt sie dann
zu dem gesetzlichen allgemeinen Conversionscurse von 1 : 1S,32 in Umlauf,
indem er das ihm gelieferte Silber yet. über dem Tagescurse bezahlt.

Hier liegen nun verschiedene Begriffsverwirrungen vor, auf welche Herr
Dr. Weibezahn schon früher einerseits von Herrn Dr. Alexander Mayer, als
Referenten des Handelstags-Ausschusses bei Publication der ihm eingelieferten
Preisschriften im Jahre 1868 , andrerseits von Herrn or. Soetbeer, als Be¬
richterstatter desselben Ausschusses (Denkschrift betr. deutsche Münzeinigung
1869, S. 47) aufmerksam gemacht worden ist. Meinerseits schien mir der
Irrthum so klar vorzuliegen, daß ich eine ins Einzelne gehende Kritik für
unnöthig hielt, und vorzog, meine Auffassung der Sachlage zu geben. (Zur
deutschen Münzfrage V. Heft.) Da Herr I)r. Weibezahn aber seinen Irrthum
nicht einsehen will, vielmehr mir vorwirft, ich habe den Kernpunet seiner
Vorschläge übersehen, so muß ich die Sache weiter erörtern.

Ich beurtheile den obigen Vorschlag des Herrn Dr. Weibezahn dahin:
1) Der Staat hat keinerlei Recht, den Schuldnern älteren Datums einen
Verlust von 1^2 Pet- aufzulegen. 2) Ist es eine Illusion, der Staat könnte
den Schuldnern neuern Datums den auch ihnen aufgelegten Verlust von 1^ yet.
dadurch wieder ersetzen, daß er 300 Mill. oder irgend ein anderes Quantum
Thaler zu dem vorgeschlagenen Conversionscurse von 1 : 1S.32 in Umlauf
setze. 3) Würde der Vortheil der vom Staate geopferten 1^ yet. auf in Circu-
lation gesetzte 300 Mill. Thaler keineswegs den Schuldnern neueren Datums,
sondern den zufälligen Inhabern bedeutender Summen in Silber, im Augen¬
blicke der Ausgabe der Goldstücke von Seiten der Finanzverwaltung, zu Gute
kommen. 4) Sein Vorschlag schädigt folglich in vollkommen ungerechtfertigter


Grenzboten 1. 1871. 103

2. Die Schuldner bei allen Forderungen älteren Datums verlieren
dabei allerdings 1^ yet., welche sie mehr zu zahlen haben werden, als ihnen
nach dem laufenden Curse zur Last fällt. Aber als sie das Silber empfingen,
hatte es einen höheren Werth als jetzt. Dabei müssen sie sich beruhigen.
3. Die Schuldner neueren Datums könnten sich mit größerem Recht
beklagen, wenn sie 1^ yet. mehr bezahlen sollen, als ihre Schuld beträgt,
da sie das Silber wahrscheinlich bereits entwerthet empfingen. Daher ent¬
schädigt sie der Staat, indem er ihnen zu dem ihnen auferlegten Curse von
1 : 18,32 Goldmünzen in gehöriger Menge liefert, um ihre Verbindlichkeiten
in Gold abzutragen, übrigens Zahlungen in Silber verbietet und das Silber
aus dem Verkehre zieht. 4. Zu diesem Zwecke prägt der Staat das genü¬
gende Quantum Goldmünzen aus, bewahrt sie auf, bis der Vorrath genügt,
um sämmtliches umlaufende Silber dagegen einzutauschen, und setzt sie dann
zu dem gesetzlichen allgemeinen Conversionscurse von 1 : 1S,32 in Umlauf,
indem er das ihm gelieferte Silber yet. über dem Tagescurse bezahlt.

Hier liegen nun verschiedene Begriffsverwirrungen vor, auf welche Herr
Dr. Weibezahn schon früher einerseits von Herrn Dr. Alexander Mayer, als
Referenten des Handelstags-Ausschusses bei Publication der ihm eingelieferten
Preisschriften im Jahre 1868 , andrerseits von Herrn or. Soetbeer, als Be¬
richterstatter desselben Ausschusses (Denkschrift betr. deutsche Münzeinigung
1869, S. 47) aufmerksam gemacht worden ist. Meinerseits schien mir der
Irrthum so klar vorzuliegen, daß ich eine ins Einzelne gehende Kritik für
unnöthig hielt, und vorzog, meine Auffassung der Sachlage zu geben. (Zur
deutschen Münzfrage V. Heft.) Da Herr I)r. Weibezahn aber seinen Irrthum
nicht einsehen will, vielmehr mir vorwirft, ich habe den Kernpunet seiner
Vorschläge übersehen, so muß ich die Sache weiter erörtern.

Ich beurtheile den obigen Vorschlag des Herrn Dr. Weibezahn dahin:
1) Der Staat hat keinerlei Recht, den Schuldnern älteren Datums einen
Verlust von 1^2 Pet- aufzulegen. 2) Ist es eine Illusion, der Staat könnte
den Schuldnern neuern Datums den auch ihnen aufgelegten Verlust von 1^ yet.
dadurch wieder ersetzen, daß er 300 Mill. oder irgend ein anderes Quantum
Thaler zu dem vorgeschlagenen Conversionscurse von 1 : 1S.32 in Umlauf
setze. 3) Würde der Vortheil der vom Staate geopferten 1^ yet. auf in Circu-
lation gesetzte 300 Mill. Thaler keineswegs den Schuldnern neueren Datums,
sondern den zufälligen Inhabern bedeutender Summen in Silber, im Augen¬
blicke der Ausgabe der Goldstücke von Seiten der Finanzverwaltung, zu Gute
kommen. 4) Sein Vorschlag schädigt folglich in vollkommen ungerechtfertigter


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[0297] 2. Die Schuldner bei allen Forderungen älteren Datums verlieren dabei allerdings 1^ yet., welche sie mehr zu zahlen haben werden, als ihnen nach dem laufenden Curse zur Last fällt. Aber als sie das Silber empfingen, hatte es einen höheren Werth als jetzt. Dabei müssen sie sich beruhigen. 3. Die Schuldner neueren Datums könnten sich mit größerem Recht beklagen, wenn sie 1^ yet. mehr bezahlen sollen, als ihre Schuld beträgt, da sie das Silber wahrscheinlich bereits entwerthet empfingen. Daher ent¬ schädigt sie der Staat, indem er ihnen zu dem ihnen auferlegten Curse von 1 : 18,32 Goldmünzen in gehöriger Menge liefert, um ihre Verbindlichkeiten in Gold abzutragen, übrigens Zahlungen in Silber verbietet und das Silber aus dem Verkehre zieht. 4. Zu diesem Zwecke prägt der Staat das genü¬ gende Quantum Goldmünzen aus, bewahrt sie auf, bis der Vorrath genügt, um sämmtliches umlaufende Silber dagegen einzutauschen, und setzt sie dann zu dem gesetzlichen allgemeinen Conversionscurse von 1 : 1S,32 in Umlauf, indem er das ihm gelieferte Silber yet. über dem Tagescurse bezahlt. Hier liegen nun verschiedene Begriffsverwirrungen vor, auf welche Herr Dr. Weibezahn schon früher einerseits von Herrn Dr. Alexander Mayer, als Referenten des Handelstags-Ausschusses bei Publication der ihm eingelieferten Preisschriften im Jahre 1868 , andrerseits von Herrn or. Soetbeer, als Be¬ richterstatter desselben Ausschusses (Denkschrift betr. deutsche Münzeinigung 1869, S. 47) aufmerksam gemacht worden ist. Meinerseits schien mir der Irrthum so klar vorzuliegen, daß ich eine ins Einzelne gehende Kritik für unnöthig hielt, und vorzog, meine Auffassung der Sachlage zu geben. (Zur deutschen Münzfrage V. Heft.) Da Herr I)r. Weibezahn aber seinen Irrthum nicht einsehen will, vielmehr mir vorwirft, ich habe den Kernpunet seiner Vorschläge übersehen, so muß ich die Sache weiter erörtern. Ich beurtheile den obigen Vorschlag des Herrn Dr. Weibezahn dahin: 1) Der Staat hat keinerlei Recht, den Schuldnern älteren Datums einen Verlust von 1^2 Pet- aufzulegen. 2) Ist es eine Illusion, der Staat könnte den Schuldnern neuern Datums den auch ihnen aufgelegten Verlust von 1^ yet. dadurch wieder ersetzen, daß er 300 Mill. oder irgend ein anderes Quantum Thaler zu dem vorgeschlagenen Conversionscurse von 1 : 1S.32 in Umlauf setze. 3) Würde der Vortheil der vom Staate geopferten 1^ yet. auf in Circu- lation gesetzte 300 Mill. Thaler keineswegs den Schuldnern neueren Datums, sondern den zufälligen Inhabern bedeutender Summen in Silber, im Augen¬ blicke der Ausgabe der Goldstücke von Seiten der Finanzverwaltung, zu Gute kommen. 4) Sein Vorschlag schädigt folglich in vollkommen ungerechtfertigter Grenzboten 1. 1871. 103

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/297>, abgerufen am 29.09.2024.