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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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statt auf die Logik; daher jenes Streben mittels der schönen Form zu blen¬
dend sodaß der Gedanke verborgen wurde und in die zweite Linie zurücktreten
mußte.

Diese Methode wurde in einem der bedeutendsten Institute Roms befolgt,
in welchem der Unterricht augenscheinlich nichts anderes war, als ein Mittel
die Jugend zu beherrschen und in die Familien einzudringen. Mit unbedeu¬
tenden Unterschieden war diese Methode aber auch die aller andern Erziehungs¬
anstalten. Fügt man hinzu, daß alle Geistlichen so zu sagen geborne Lehrer
waren; daß alle geistlichen Corporationen das Recht hatten zu lehren, und
auch wirklich lehrten, während dem Unterricht der Laien alle möglichen Hin¬
dernisse in den Weg gelegt wurden; daß selbst die kleinsten Gemeinden sich
mittels einer religiösen Corporation und sehr geringen jährlichen Unkosten
einen Unterricht verschaffen konnten, der bis zur Universität führte, und selbst
bisweilen einige Universitätsfächer nachäffte; daß bei dem Mangel alles tech¬
nischen Unterrichts, zum Besten jener wenig bemittelten Eltern, welche ge¬
zwungen waren, die Kenntnisse ihrer Kinder bald fruchtbringend zu verwerthen,
der classische Unterricht abgekürzt und verstümmelt wurde, so daß nicht selten
das Studium der Philosophie mit 13 Jahren begonnen, und auch diese Wissen¬
schaft zum bloßen Memoriren wurde; daß endlich, da es über Alles darauf
ankam, die Familien zufrieden zu stellen, und mit allen Mitteln die Jugend
in der Hand zu behalten, es allen Schülern, Fähigen oder Dummen, Gebil¬
deten oder Unwissenden, gelang die Promotion zu erhalten, um nöthigenfalls
ihre Erziehung zu vollenden, -- so wird E. Erc. das Gesammtbild der Gründe
vor Augen haben, welche das Ergebniß der Prüfungen für die Aufnahme in
das in Rom neueröffnete königliche Lyceum erklären. Wenn sich in diesem
eine geringe Anzahl Jünglinge von gebildetem und aufgeweckten Geiste finden,
so haben wir es der wunderbaren Fruchtbarkeit dieses Bodens zu verdanken,
und der gütigen Natur, welche genügende Hindernisse entgegensetzte, auf daß
nicht Alles und für immer erdrückt und zerstört werde durch einen Unterricht,
der nur zu diesem Zwecke angeordnet zu sein schien.

Noch viel beklagenswerthere Zustände traten jedoch bei den Aufnahme¬
prüfungen in^das (Airmasio und die Louola, teemea, (Realschule) zu Tage.
Bei den älteren Zöglingen konnten der Wille des Einzelnen, oder der tradi¬
tionelle Bildungsgrad der Familie dem ungenügenden öffentlichen Unterricht
nachhelfen, wie es wirklich nicht selten der Fall gewesen ist. Im jüngeren
Alter hängt dagegen Alles oder fast Alles von dem Werth und der Methode
des Unterrichts ab, der in der Schule ertheilt wird, da der Zögling nicht
Spontaneität und Kraft genug besitzt, um sich aus sich selbst heraus zu bilden.
In diesem Alter wird das, was die Zöglinge wissen, gewissermaßen das treue
Abbild dessen was man sie gelehrt hat. Ich beziehe mich auf den Bericht der


statt auf die Logik; daher jenes Streben mittels der schönen Form zu blen¬
dend sodaß der Gedanke verborgen wurde und in die zweite Linie zurücktreten
mußte.

Diese Methode wurde in einem der bedeutendsten Institute Roms befolgt,
in welchem der Unterricht augenscheinlich nichts anderes war, als ein Mittel
die Jugend zu beherrschen und in die Familien einzudringen. Mit unbedeu¬
tenden Unterschieden war diese Methode aber auch die aller andern Erziehungs¬
anstalten. Fügt man hinzu, daß alle Geistlichen so zu sagen geborne Lehrer
waren; daß alle geistlichen Corporationen das Recht hatten zu lehren, und
auch wirklich lehrten, während dem Unterricht der Laien alle möglichen Hin¬
dernisse in den Weg gelegt wurden; daß selbst die kleinsten Gemeinden sich
mittels einer religiösen Corporation und sehr geringen jährlichen Unkosten
einen Unterricht verschaffen konnten, der bis zur Universität führte, und selbst
bisweilen einige Universitätsfächer nachäffte; daß bei dem Mangel alles tech¬
nischen Unterrichts, zum Besten jener wenig bemittelten Eltern, welche ge¬
zwungen waren, die Kenntnisse ihrer Kinder bald fruchtbringend zu verwerthen,
der classische Unterricht abgekürzt und verstümmelt wurde, so daß nicht selten
das Studium der Philosophie mit 13 Jahren begonnen, und auch diese Wissen¬
schaft zum bloßen Memoriren wurde; daß endlich, da es über Alles darauf
ankam, die Familien zufrieden zu stellen, und mit allen Mitteln die Jugend
in der Hand zu behalten, es allen Schülern, Fähigen oder Dummen, Gebil¬
deten oder Unwissenden, gelang die Promotion zu erhalten, um nöthigenfalls
ihre Erziehung zu vollenden, — so wird E. Erc. das Gesammtbild der Gründe
vor Augen haben, welche das Ergebniß der Prüfungen für die Aufnahme in
das in Rom neueröffnete königliche Lyceum erklären. Wenn sich in diesem
eine geringe Anzahl Jünglinge von gebildetem und aufgeweckten Geiste finden,
so haben wir es der wunderbaren Fruchtbarkeit dieses Bodens zu verdanken,
und der gütigen Natur, welche genügende Hindernisse entgegensetzte, auf daß
nicht Alles und für immer erdrückt und zerstört werde durch einen Unterricht,
der nur zu diesem Zwecke angeordnet zu sein schien.

Noch viel beklagenswerthere Zustände traten jedoch bei den Aufnahme¬
prüfungen in^das (Airmasio und die Louola, teemea, (Realschule) zu Tage.
Bei den älteren Zöglingen konnten der Wille des Einzelnen, oder der tradi¬
tionelle Bildungsgrad der Familie dem ungenügenden öffentlichen Unterricht
nachhelfen, wie es wirklich nicht selten der Fall gewesen ist. Im jüngeren
Alter hängt dagegen Alles oder fast Alles von dem Werth und der Methode
des Unterrichts ab, der in der Schule ertheilt wird, da der Zögling nicht
Spontaneität und Kraft genug besitzt, um sich aus sich selbst heraus zu bilden.
In diesem Alter wird das, was die Zöglinge wissen, gewissermaßen das treue
Abbild dessen was man sie gelehrt hat. Ich beziehe mich auf den Bericht der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/263>, abgerufen am 29.09.2024.