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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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mit der Prüfung beauftragten Professoren; ich muß dazu bemerken, daß von
Jünglingen die Rede ist, die noch nicht die Klassen der klug-rien, und Netto-
riea, sondern nur eine oder etliche der unteren Gymnasialklassen zurückgelegt
hatten, oder die aus den Stadt-Schulen kamen, und nun verlangten, in die
nächste Gymnasialklasse versetzt, oder in einen der drei Curse der Lcuola,
tecmiea, aufgenommen zu werden.

"Die Zöglinge/' so drückt sich der Rapport aus, "wurden im Italienischen
und Lateinischen, in Geographie, Geschichte und Arithmetik geprüft. Sowohl
im mündlichen als schriftlichen Examen haben wir immer den Grundsatz fest¬
gehalten, mit der größten Nachsicht zu verfahren weil sonst gar zu wenige
hätten aufgenommen werden können. Aber es thut uns leid, sagen zu müssen,
daß die Meisten nicht auf die gewöhnlichsten und einfachsten Fragen haben
antworten können. Bei den schriftlichen Aufgaben hat sich noch Schlimmeres
herausgestellt: daß nämlich mit seltenen Ausnahmen die Zöglinge die ita¬
lienische Sprache gar nicht kennen. Es kann ihnen selbst nicht als Schuld
angerechnet werden, da man die italienische Sprache in den Schulen entweder
gar nicht lehrte, oder als Nebensache behandelte. Wir haben nicht selten
Jünglinge von 15, 16 und selbst 18 Jahren geprüft, welche die einzelnen
Redetheile nicht zu unterscheiden vermochten, und die Conjugationen der
Verden nicht kannten. Einige entschuldigten sich mit der Ausrede, daß das
Italienische in den Schulen verboten gewesen sei, die anderen damit, daß man
es erst nach dem Lateinischen lernen sollte. Es wäre also verlorene Zeit ge¬
wesen, sie in der Syntax, Etymologie, Orthoepie und Orthographie, und in
der grammatikalischen und logischen Analyse zu prüfen.

Ich übergehe den Bericht der Professoren des Ginnasio über den Unter¬
richt des Lateinischen. Folgendes liest man in demselben Bericht über den
Unterricht in Geschichte und Geographie: "Die geprüften Schüler ermangelten
der elementarsten Begriffe über die Erde; sie wissen nichts von Italien, von
seinen Meeren, Bergen und Flüssen, nichts sogar von den bevölkertsten und
berühmtesten Städten. Hiernach war unnütz von Geschichte zu sprechen. Wenn
sie keinen Begriff von der Erde haben, die si? bewohnen, so können sie auch
keinen von den Völkern haben, die früher darauf wohnten, noch von ihren
Wanderungen u. s. w."

Das Ergebniß der Prüfungen für die Aufnahme in die Leuvlg, teemca,
(Realschule) mußte eben so ausfallen, weil die Schüler aus denselben Schulen
wie die andern hervorgegangen waren, und in Rom alle derartigen Institute
fehlten. Zur Bestätigung beziehe ich mich jedoch auf den Bericht der Prü-
fungseommission: "Nachdem wir schriftlich und mündlich im Italienischen, in
Geographie und Geschichte die Zöglinge geprüft haben, die in die zweite und
dritte Klasse aufgenommen werden sollten, muß ich bekennen, daß ich mit


mit der Prüfung beauftragten Professoren; ich muß dazu bemerken, daß von
Jünglingen die Rede ist, die noch nicht die Klassen der klug-rien, und Netto-
riea, sondern nur eine oder etliche der unteren Gymnasialklassen zurückgelegt
hatten, oder die aus den Stadt-Schulen kamen, und nun verlangten, in die
nächste Gymnasialklasse versetzt, oder in einen der drei Curse der Lcuola,
tecmiea, aufgenommen zu werden.

„Die Zöglinge/' so drückt sich der Rapport aus, „wurden im Italienischen
und Lateinischen, in Geographie, Geschichte und Arithmetik geprüft. Sowohl
im mündlichen als schriftlichen Examen haben wir immer den Grundsatz fest¬
gehalten, mit der größten Nachsicht zu verfahren weil sonst gar zu wenige
hätten aufgenommen werden können. Aber es thut uns leid, sagen zu müssen,
daß die Meisten nicht auf die gewöhnlichsten und einfachsten Fragen haben
antworten können. Bei den schriftlichen Aufgaben hat sich noch Schlimmeres
herausgestellt: daß nämlich mit seltenen Ausnahmen die Zöglinge die ita¬
lienische Sprache gar nicht kennen. Es kann ihnen selbst nicht als Schuld
angerechnet werden, da man die italienische Sprache in den Schulen entweder
gar nicht lehrte, oder als Nebensache behandelte. Wir haben nicht selten
Jünglinge von 15, 16 und selbst 18 Jahren geprüft, welche die einzelnen
Redetheile nicht zu unterscheiden vermochten, und die Conjugationen der
Verden nicht kannten. Einige entschuldigten sich mit der Ausrede, daß das
Italienische in den Schulen verboten gewesen sei, die anderen damit, daß man
es erst nach dem Lateinischen lernen sollte. Es wäre also verlorene Zeit ge¬
wesen, sie in der Syntax, Etymologie, Orthoepie und Orthographie, und in
der grammatikalischen und logischen Analyse zu prüfen.

Ich übergehe den Bericht der Professoren des Ginnasio über den Unter¬
richt des Lateinischen. Folgendes liest man in demselben Bericht über den
Unterricht in Geschichte und Geographie: „Die geprüften Schüler ermangelten
der elementarsten Begriffe über die Erde; sie wissen nichts von Italien, von
seinen Meeren, Bergen und Flüssen, nichts sogar von den bevölkertsten und
berühmtesten Städten. Hiernach war unnütz von Geschichte zu sprechen. Wenn
sie keinen Begriff von der Erde haben, die si? bewohnen, so können sie auch
keinen von den Völkern haben, die früher darauf wohnten, noch von ihren
Wanderungen u. s. w."

Das Ergebniß der Prüfungen für die Aufnahme in die Leuvlg, teemca,
(Realschule) mußte eben so ausfallen, weil die Schüler aus denselben Schulen
wie die andern hervorgegangen waren, und in Rom alle derartigen Institute
fehlten. Zur Bestätigung beziehe ich mich jedoch auf den Bericht der Prü-
fungseommission: „Nachdem wir schriftlich und mündlich im Italienischen, in
Geographie und Geschichte die Zöglinge geprüft haben, die in die zweite und
dritte Klasse aufgenommen werden sollten, muß ich bekennen, daß ich mit


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[0264] mit der Prüfung beauftragten Professoren; ich muß dazu bemerken, daß von Jünglingen die Rede ist, die noch nicht die Klassen der klug-rien, und Netto- riea, sondern nur eine oder etliche der unteren Gymnasialklassen zurückgelegt hatten, oder die aus den Stadt-Schulen kamen, und nun verlangten, in die nächste Gymnasialklasse versetzt, oder in einen der drei Curse der Lcuola, tecmiea, aufgenommen zu werden. „Die Zöglinge/' so drückt sich der Rapport aus, „wurden im Italienischen und Lateinischen, in Geographie, Geschichte und Arithmetik geprüft. Sowohl im mündlichen als schriftlichen Examen haben wir immer den Grundsatz fest¬ gehalten, mit der größten Nachsicht zu verfahren weil sonst gar zu wenige hätten aufgenommen werden können. Aber es thut uns leid, sagen zu müssen, daß die Meisten nicht auf die gewöhnlichsten und einfachsten Fragen haben antworten können. Bei den schriftlichen Aufgaben hat sich noch Schlimmeres herausgestellt: daß nämlich mit seltenen Ausnahmen die Zöglinge die ita¬ lienische Sprache gar nicht kennen. Es kann ihnen selbst nicht als Schuld angerechnet werden, da man die italienische Sprache in den Schulen entweder gar nicht lehrte, oder als Nebensache behandelte. Wir haben nicht selten Jünglinge von 15, 16 und selbst 18 Jahren geprüft, welche die einzelnen Redetheile nicht zu unterscheiden vermochten, und die Conjugationen der Verden nicht kannten. Einige entschuldigten sich mit der Ausrede, daß das Italienische in den Schulen verboten gewesen sei, die anderen damit, daß man es erst nach dem Lateinischen lernen sollte. Es wäre also verlorene Zeit ge¬ wesen, sie in der Syntax, Etymologie, Orthoepie und Orthographie, und in der grammatikalischen und logischen Analyse zu prüfen. Ich übergehe den Bericht der Professoren des Ginnasio über den Unter¬ richt des Lateinischen. Folgendes liest man in demselben Bericht über den Unterricht in Geschichte und Geographie: „Die geprüften Schüler ermangelten der elementarsten Begriffe über die Erde; sie wissen nichts von Italien, von seinen Meeren, Bergen und Flüssen, nichts sogar von den bevölkertsten und berühmtesten Städten. Hiernach war unnütz von Geschichte zu sprechen. Wenn sie keinen Begriff von der Erde haben, die si? bewohnen, so können sie auch keinen von den Völkern haben, die früher darauf wohnten, noch von ihren Wanderungen u. s. w." Das Ergebniß der Prüfungen für die Aufnahme in die Leuvlg, teemca, (Realschule) mußte eben so ausfallen, weil die Schüler aus denselben Schulen wie die andern hervorgegangen waren, und in Rom alle derartigen Institute fehlten. Zur Bestätigung beziehe ich mich jedoch auf den Bericht der Prü- fungseommission: „Nachdem wir schriftlich und mündlich im Italienischen, in Geographie und Geschichte die Zöglinge geprüft haben, die in die zweite und dritte Klasse aufgenommen werden sollten, muß ich bekennen, daß ich mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/264>, abgerufen am 29.09.2024.