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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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fachen herausgestellt, welche dazu beitragen können, sich einen klaren Begriff
von dem Zustande zu machen, in welchem die italienische Regierung den
Unterricht in dieser Provinz gefunden hat, und welche E. Erc, mitzutheilen
ich für meine Pflicht erachte.

Bor allen Dingen wird E. Exe. angenehm sein zu hören, daß, trotz aller
Vorhersagungen des Gegentheils, die Bevölkerung Roms mit dem schmeichel¬
haftesten Vertrauen in den von der Regierung angeordneten Laienunterricht
im Linao, Ginnasio und in der Leuolg. teeniea entgegenkam. Unumstößlich
beweist dies die Thatsache, daß zur Aufnahme in die obgenannten drei An¬
stalten schon 656 Schüler sich gemeldet haben, und noch immerfort neue
Anfragen einlaufen, obgleich seit dem 14. November die Aufnahme als ge¬
schlossen erklärt werden mußte, theils um einer Ueberfüllung der Schulen vor¬
zubeugen, theils um auf den schon begonnenen Unterricht nicht störend ein¬
zuwirken. Seit dem Tage der feierlichen Eröffnung, an welchem sich die
Sympathien der römischen Bevölkerung für diese Anstalten deutlich zeigten,
hat die Gunst, in welcher dieselben stehen, nur zugenommen, und was nur
eine günstige Vermuthung gewesen, ist seitdem in Folge reiferen Urtheils nur
bestätigt worden, so dech wir nun die Zukunft des Laienunterrichts in Rom
als gesichert betrachten können.

Diese freudige Theilnahme der römischen Bevölkerung an den neuen Re¬
gierungsschulen ist durchaus nicht räthselhaft. Sie ist auch nicht als Folge
eines politischen Enthusiasmus zu betrachten, der hervorgerufen wäre durch
die Aenderung der Dinge in Rom. Die Väter pflegen nicht nach solchen
Kriterien die Erziehung und die Ausbildung ihrer Söhne zu leiten, die für
sie zu wichtig ist, als daß sie nicht nach näherliegenden und besser begründe¬
ten Urtheilen ihre Wahl treffen sollten. Der wahre Grund der uns bewie¬
senen Gunst findet sich in dem, wie die Aufnahmeprüfungen ergeben haben,
ganz unglücklichen Zustande, zu welchem der Unterricht in Rom nach und
nach herabgekommen war; ein Zustand, der kein Geheimniß für den gebildet¬
sten Theil der Bevölkerung war, wenn er auch Viele mit schmerzlichem Er¬
staunen erfüllte.

Zu den am meisten Erstaunten muß ich mich selber rechnen. Der alle
Ruhm einiger Anstalten ließ uns glauben, daß, wenn auch gewisse Studien
als gefährlich oder unnütz angesehen und folglich vernachlässigt oder verhindert
wurden, die andern hingegen mit so viel Liebe gepflegt worden wären, daß
die Gründlichkeit dieser Unterrichtsgegenstände hinreichenden Ersatz für die
ängstliche und mißtrauensvolle Beschränkung der andern geboten hätte. Man
wußte wohl, daß die Naturwissenschaften, Geschichte und Geographie kaum
gelehrt wurden; man durfte aber wohl um so mehr voraussetzen, daß der
Unterricht im Lateinischen und Griechischen, kurz in den classischen Studien,


fachen herausgestellt, welche dazu beitragen können, sich einen klaren Begriff
von dem Zustande zu machen, in welchem die italienische Regierung den
Unterricht in dieser Provinz gefunden hat, und welche E. Erc, mitzutheilen
ich für meine Pflicht erachte.

Bor allen Dingen wird E. Exe. angenehm sein zu hören, daß, trotz aller
Vorhersagungen des Gegentheils, die Bevölkerung Roms mit dem schmeichel¬
haftesten Vertrauen in den von der Regierung angeordneten Laienunterricht
im Linao, Ginnasio und in der Leuolg. teeniea entgegenkam. Unumstößlich
beweist dies die Thatsache, daß zur Aufnahme in die obgenannten drei An¬
stalten schon 656 Schüler sich gemeldet haben, und noch immerfort neue
Anfragen einlaufen, obgleich seit dem 14. November die Aufnahme als ge¬
schlossen erklärt werden mußte, theils um einer Ueberfüllung der Schulen vor¬
zubeugen, theils um auf den schon begonnenen Unterricht nicht störend ein¬
zuwirken. Seit dem Tage der feierlichen Eröffnung, an welchem sich die
Sympathien der römischen Bevölkerung für diese Anstalten deutlich zeigten,
hat die Gunst, in welcher dieselben stehen, nur zugenommen, und was nur
eine günstige Vermuthung gewesen, ist seitdem in Folge reiferen Urtheils nur
bestätigt worden, so dech wir nun die Zukunft des Laienunterrichts in Rom
als gesichert betrachten können.

Diese freudige Theilnahme der römischen Bevölkerung an den neuen Re¬
gierungsschulen ist durchaus nicht räthselhaft. Sie ist auch nicht als Folge
eines politischen Enthusiasmus zu betrachten, der hervorgerufen wäre durch
die Aenderung der Dinge in Rom. Die Väter pflegen nicht nach solchen
Kriterien die Erziehung und die Ausbildung ihrer Söhne zu leiten, die für
sie zu wichtig ist, als daß sie nicht nach näherliegenden und besser begründe¬
ten Urtheilen ihre Wahl treffen sollten. Der wahre Grund der uns bewie¬
senen Gunst findet sich in dem, wie die Aufnahmeprüfungen ergeben haben,
ganz unglücklichen Zustande, zu welchem der Unterricht in Rom nach und
nach herabgekommen war; ein Zustand, der kein Geheimniß für den gebildet¬
sten Theil der Bevölkerung war, wenn er auch Viele mit schmerzlichem Er¬
staunen erfüllte.

Zu den am meisten Erstaunten muß ich mich selber rechnen. Der alle
Ruhm einiger Anstalten ließ uns glauben, daß, wenn auch gewisse Studien
als gefährlich oder unnütz angesehen und folglich vernachlässigt oder verhindert
wurden, die andern hingegen mit so viel Liebe gepflegt worden wären, daß
die Gründlichkeit dieser Unterrichtsgegenstände hinreichenden Ersatz für die
ängstliche und mißtrauensvolle Beschränkung der andern geboten hätte. Man
wußte wohl, daß die Naturwissenschaften, Geschichte und Geographie kaum
gelehrt wurden; man durfte aber wohl um so mehr voraussetzen, daß der
Unterricht im Lateinischen und Griechischen, kurz in den classischen Studien,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/260>, abgerufen am 29.09.2024.